Kaum hat die Eishockey-WM begonnen, ist sie leider schon wieder vorbei. Auch der Auftritt der deutschen Mannschaft war sehenswert: Sie spielten sich bis ins Halbfinale. Als deutsches Team im Eishockey unter den letzten vier Mannschaften zu sein, ist aber ein riesiger Erfolg. Dazu trug Mathias Niederberger, der deutsche Torhüter, entscheidend bei. Was macht ein Eishockey-Torhüter in einem Spiel denn alles mit? Ein DEL-Torhüter und ein Physiker geben Auskunft.
„Ab und zu hat man mal einen blauen Fleck, wenn die Schutzausrüstung etwas verrutscht ist oder der Schuss sehr hart war, aber mehr passiert da normalerweise nicht.“ Diese Zusammenfassung von Hendrik Hane, Torhüter beim Düsseldorfer Erstliga-Verein DEG, ist überraschend lapidar: Schließlich können die erwähnten harten Schüsse ungefähr 150 km/h bis 180 km/h schnell sein. „Trifft der Puck auf den Torhüter, gibt er seine kinetische Energie über den kurzen Bremsweg der etwas nachgebenden Ausrüstung ab“, erläutert der Physiker Martin Apolin.
Aber welche Kraft wirkt dabei auf den Torhüter? Betrachten wir einen Schuss von 162 km/h, der die Ausrüstung 5 cm tief eindrückt. Am gepolsterten Körper entspricht die beim Aufprall wirkende Kraft von rund 3.500 Newton kurzzeitig der Gewichtskraft einer Masse von 350 kg. Am Kopf ist die Krafteinwirkung sogar aufgrund der starren Maske noch höher, nämlich etwa beim Zehnfachen. Die Maske absorbiert allerdings einen Teil der kinetischen Energie des Pucks. Dennoch ist ein Schuss vor die Maske nicht wünschenswert, wie Hendrik Hane berichten kann: „Ich war zwar nach Schüssen vor die Maske noch nie bewusstlos, aber schwindelig ist einem da schon. Einmal hatte ich eine leichte Gehirnerschütterung. Zum Glück schießen Profis kontrolliert, da passiert das nur sehr selten im Vergleich zur Jugend.“
Viele Schüsse, wenig Reaktionszeit
Während eines Spiels kommen meist zwischen 20 und 30 Schüssen auf jedes Tor. Bei einem Schlagschuss von der blauen Linie aus hat ein Torhüter knapp eine halbe Sekunde Zeit, um zu reagieren. „Wird ein solcher Schuss aber aus nächster Nähe abgefeuert, kann der Torhüter nur den Körper hineinhalten und hoffen“, wie Hendrik Hane es auf den Punkt bringt. Aber auch Handgelenkschüsse sind schwer zu halten, denn sie kommen gerade bei guten Spielern sowohl überraschend als auch gezielt.
Besonders bei schnellen Kontern, schwer zu kontrollierenden Pucks oder wenn ein Gegner frei auf das Tor zulaufen kann, ist die mentale Belastung entsprechend hoch. Das gilt zwar auch für Torhüter in anderen Sportarten, aber bei einem Fußballspiel kann schon einmal ein ganzes Spiel lang kein einziger Schuss auf das Tor einer Mannschaft kommen – das ist im Eishockey extrem unrealistisch. Da die Sportart sehr schnell ist, muss ein Torhüter auch dann fokussiert sein, wenn der Puck hinter dem gegnerischen Tor ist: Innerhalb von 5 Sekunden könnte er im eigenen Tor sein. Auch viel Bewegung vor dem Tor und Gegner, die die Sicht blockieren und den Puck ins Tor abfälschen wollen, tragen dazu bei, die Nerven des Torhüters zu testen. Trotzdem haben viele gute Torhüter Save-Quoten von über 90%.
Manchmal fliegt der Schütze gleich mit dem Schuss aufs Tor
Anders als Torhüter vor 50 Jahren ist Hendrik Hane heute durch seine mehrere Kilogramm schwere Ausrüstung gut vor Pucks geschützt. Aber was, wenn mal ein oder mehrere Spieler im Kampf um den Puck in ihn hineinschlittern? “Das kommt alle paar Spiele schon mal vor, aber meistens kann man dann einfach aus dem Weg gehen oder rutscht mit ihnen ins Tor. Fies ist es nur, wenn man mit dem Bein am Pfosten hängen bleibt, da können unschöne Verletzungen entstehen.“
Die schnellsten Eishockey-Spieler erreichen Top-Geschwindigkeiten von etwa 40 km/h, üblicherweise sind sie jedoch langsamer. Ein 85 kg schwerer Angreifer, der mit 25 km/h in einen Torhüter rutscht, übt auf diesen in etwa eine Kraft von ungefähr 20.000 Newton aus. Martin Apolin erläutert: „Natürlich ist der auftreffende Körper des Eishockey-Spielers deutlich größer als der des Pucks und seine Geschwindigkeit um ein Vielfaches kleiner. Aber prinzipiell lässt sich die beim Zusammenprall übertragene Kraft hier mit den gleichen Formeln abschätzen wie bei dem Aufschlag eines Pucks.
Ein Torhüter muss nicht nur physisch fit sein
Auch bei Eishockey-Torhütern ist also voller Körpereinsatz gefragt, wenn auch in anderer Art und Weise als bei den Feldspielern. Wie bei allen Leistungssportlern ist auch bei Eishockey-Torhütern hartes und häufiges Training neben Talent ausschlaggebend, um dieser Belastung standzuhalten und gute Save-Quoten zu erzielen. Auch wenn gerade bei spektakulären Saves die Beweglichkeit von Torhütern ins Auge springt: Trainiert werden auch Explosivität und Ausdauer. Dementsprechend sind Torhüter ebenso athletisch wie Feldspieler. „Am besten ist es aber, wenn du dich gar nicht verrenken musst für deine Saves, weil du alles richtig gemacht hast und richtig stehst. Das kommt aber mit der Erfahrung, so wie man auch immer mehr übt, fokussiert zu sein und sich Nervosität abgewöhnt“, ergänzt Hendrik Hane, und resümiert: „Für die Feldspieler ist ein Spiel zwar physisch anstrengender, aber ein Torhüter muss nicht nur körperlich, sondern auch mental sehr fit sein.“