Wer ein gesundheitliches Problem hat, vereinbart einen Termin bei seinem Arzt oder seiner Ärztin. Doch gerade bei spezialisierten Fachärzt*innen wie beispielsweise Augenärzt*innen kann es zu Wartezeiten von mehreren Wochen kommen. Aber wieso ist das so?
Ein Grund für lange Wartezeiten bei Ärzt*innen ist der Fachärztemangel, der in Deutschland immer größer wird. “Das hat schon vor zehn Jahren angefangen”, erklärt Volker Heiliger, Pressesprecher der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Damals hätten besonders Hausärzt*innen gefehlt, heute seien aber auch andere Bereiche der Medizin stark betroffen. Zum Beispiel würden in der Geriatrie, wo meist über 70-jährige Patient*innen versorgt werden, oder im öffentlichen Gesundheitswesen Fachärzt*innen gebraucht. Besonders der zuletzt genannte Bereich stand während der Corona-Pandemie mit überlasteten Gesundheitsämtern und Impfzentren vor weiteren Herausforderungen.
Laut Ärztekammer Westfalen-Lippe ist eine momentane Gegenmaßnahme, Ärzt*innen aus dem Ausland im deutschen Gesundheitssystem einzusetzen, um die Versorgungslücken zu füllen. Dennoch merke man den Fachärztemangel vor allem auf dem Land, aber “auch in den Großstädten ist er jetzt angekommen”, so Heiliger. Die Praxen seien überfüllt und könnten nicht noch mehr Patient*innen aufnehmen, ohne die Versorgungsqualität zu verringern. Trotzdem würden sich die vielen weiteren Erkrankten nicht in Luft auflösen.
Fehlender Nachwuchs
Die Zahl der Ärzt*innen steige zwar, aber die Gesellschaft wachse ebenfalls und vor allem altere sie. Und mit ihr auch die Mediziner*innen: Immer mehr tätige Ärzt*innen sind älter als 60 Jahre und werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Laut der Bundesärztekammer betrifft dies ein Fünftel der berufstätigen Ärzt*innen; bei den Kinder- und Jugendärzt*innen wird zwischen 2020 und 2025 ein Viertel in Rente gehen. Das Dilemma: Es kommen keine jungen Ärzt*innen nach.
Dies fängt schon beim Studium an. In Deutschland gebe es der Ärztekammer Westfalen-Lippe zufolge trotz der hohen Nachfrage jährlich nur etwa 10.000 Studienplätze für die Medizin. Die seien für den Bedarf an Ärztepersonal aber bei weitem nicht genug.
Doch das war nicht immer so. Nach der Wiedervereinigung von West- und Ostdeutschland gab es nach Angaben der Ärztekammer Westfalen-Lippe etwa 16.000 Studienplätze, die über die Jahre hinweg aber sukzessiv reduziert wurden. Dabei seien diese Plätze aber entscheidend für die Entwicklung des Fachärztemangels. Die Ärztekammer fordert deshalb mehr Studienplätze, am besten so viele, dass die anfängliche Zahl von 16.000 wieder erreicht wird.
Kleine Lichtblicke
Ein kleiner Hoffnungsschimmer ist die neue medizinische Fakultät an der Universität Bielefeld, die seit Herbst 2021 als ein weiteres Angebot für Studieninteressierte gilt. Dazu wurden in NRW und anderen Bundesländern mit der eingeführten Landarztquote die Bedingungen für ein Medizinstudium verändert: Für eine gewisse Anzahl an Studienplätzen gilt nicht nur der Numerus Clausus als Zulassungskriterium, sondern es gelten auch weitere Qualifikationen wie zum Beispiel soziales Engagement oder eine Ausbildung im Pflegebereich. Dazu müssen sich die Bewerber*innen nach dem Studium verpflichten, in einer unterversorgten Region als Hausärzt*in zu arbeiten. Ob dieses Vorgehen seine gewünschte Wirkung zeigt und die Situation im Gesundheitssystem verbessert, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
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