Lia Thomas, Laurel Hubbard oder Austin Killips: Sie alle sind trans* Frauen, die im Leistungssport in der Frauenkategorie Erfolge erzielen. Doch diese Erfolge werden kritisch gesehen. Haben trans* Frauen wirklich Leistungsvorteile im Sport?
Sowohl in Online-Diskussionen als auch in Sportverbänden ist „trans* im Sport“ ein heikles Thema, das oft auf Transfeindlichkeit stößt. Auf Twitter heißt es in Kommentarspalten, dass trans* Frauen in Wirklichkeit „Männer im Frauensport“ wären. Doch ist die Teilnahme von trans* Frauen in der Frauenkategorie wirklich so unfair für die cis-geschlechtlichen Konkurrentinnen, wie manche denken?
Um die Debatte verstehen zu können, sind grundlegende Hintergrundinformationen unausweichlich. Dazu gehören zum Beispiel die anatomischen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Körpern. Im Sport gibt es deswegen die Klassifizierung nach Geschlecht.
Diese körperlichen Unterschiede bilden sich größtenteils erst in der Pubertät unter Hormoneinfluss aus. Hormone sind ein Kernelement von Transitionen, bei denen trans* Personen das Aussehen oder den Personenstand entsprechend ihrer Geschlechtsidentität verändern. Bei einer Hormonersatztherapie nehmen trans* Männer Testosteron ein, um ihre Werte an die eines cis Mannes anzupassen. Dabei kommt es unter anderem zum Muskelaufbau.
Trans* Frauen hingegen unterdrücken Testosteron und nehmen Östrogen ein, um ihre Werte an die von cis Frauen anzugleichen. Währenddessen nimmt auch die Muskulatur ab. Conny-Hendrik Schälicke von der AG Sport des Bundesverbands trans* weist darauf hin, dass die Hormoneinnahme viele unabsehbare Nebenwirkungen mit sich bringen kann. „Eine medizinische Transition ist eine hohe körperliche Belastung und wirkt Leistungssport eigentlich total entgegen, weil kein gescheites Training möglich ist“, erklärt Schälicke.
Die Richtlinien zur Teilnahme von trans* Personen im Sport
Die Debatte um die Teilnahme von trans* Personen fokussiert sich hauptsächlich auf den Leistungssport, in dem jedes halbe Prozent Leistungsfähigkeit zählt. Deshalb gelten dort je nach Sportart und Verband unterschiedliche Zulassungskriterien für trans* Personen.
Um einfach messbare Kriterien für trans* Frauen zu setzen, orientieren sich viele Verbände am Testosteronwert. Die Höchstgrenze liegt in manchen Sportarten bei 2,5 und bei anderen bei 5 Nanomol Testosteron pro Liter Blut. Zum Vergleich: Bei cis Frauen liegt die Testosteronkonzentration normalerweise unter 2 Nanomol. Auch die Dauer, für die der Testosteronwert unter dieser Grenze liegen muss, ist festgelegt. Bei einigen Verbänden dürfen trans* Frauen nur teilnehmen, wenn sie nicht die männliche Pubertät durchlaufen haben.
Wie „fair“ ist die Teilnahme von trans* Personen?
Der Bundesverband trans* sieht die Richtlinien als systematische Teilnahmeverhinderung. Allgemeine Regelungen würden nicht funktionieren, weil man nicht jede trans* Person über einen Kamm scheren könne. Neben dem Testosteronwert gibt es nämlich andere Faktoren und individuelle Körpereigenschaften, die die Leistung von Sportler*innen beeinflussen.
Allerdings spielt Testosteron auch hier die Schlüsselrolle, weil es unter anderem Wachstum, Muskelmasse, Lungen- und Herzkapazität beeinflusst. Lenka Dienstbach, Sportmedizinerin und Mitglied des Vorstands der Deutschen Olympischen Akademie, erklärt dazu: „Generalisiert haben Männer in fast allen Sportarten physische Vorteile.“
Bei einer Transition blieben diese Vorteile durch die männliche Pubertät bestehen. „Trans* Frauen erfahren zwar eine gewisse Leistungsreduktion durch die Testosteronunterdrückung, aber sie kommen nicht in Bereiche, die cis Frauen entsprechen.“ Das bedeutet: Körperliche Vorteile wie beispielweise mehr Muskelmasse oder ein stärkeres Herzkreislaufsystem können bei trans* Frauen trotz der Hormonersatztherapie erhalten bleiben und sie leistungsstärker als cis Frauen machen.
Zu wenig Forschung für gute Zulassungskriterien
Eine Studie des British Journal of Sports Medicine zeigt, dass sich die Leistung von trans* Frauen nach zwei Jahren Hormonbehandlung weitgehend an die von cis Frauen anpasst. Dennoch haben trans* Frauen bessere Laufzeiten.
Allerdings gibt es zu trans* Personen im Sport noch zu wenig Forschung, um ihre Teilnahme als „fair“ oder „unfair“ zu bezeichnen. Deshalb müssen die Verbände ihre Richtlinien stets überarbeiten und Inklusion und Fairness beachten. Momentan sieht es aber laut Dienstbach nicht danach aus. „Ich glaube nicht, dass wir zurzeit gute Auswahlkriterien haben“, betont sie. Auch der Bundesverband trans* ist der Ansicht, dass die Richtlinien im Leistungssport insbesondere trans* Frauen ausschließen.
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