Selbst nehmen sie aktiv nicht am Spiel teil und doch haben sie großen Einfluss auf das, was passiert. Sie sollen sozial, engagiert und ein Vorbild sein. Was gehört noch zu den Aufgaben der Trainer*innen dieser Welt?
Es ist Sonntag, 17.30 Uhr. Der Signal Iduna Park ist gefüllt mit Menschen, die alle eine Leidenschaft teilen: Fußball. Der BVB spielt gegen den SC Freiburg in der Fußball-Bundesliga und setzt sich am Ende mit 3:1 durch. Beschreibend in dem Spiel ist vor allem eine Szene: Die schwarz-gelben Angreifer tummeln sich im gegnerischen Strafraum, als sich Karim Adeyemi den Ball nimmt und auf das Tor schießt. Mit Erfolg. Er schießt in der 33. Spielminute den Ausgleich zum 1:1. Der Rest der Mannschaft läuft zu ihm, alle jubeln.
Doch die Kameras schwenken zu einem anderen Akteur. Sie zeigen den Menschen, der selbst nicht aktiv an dem Spielt teilnimmt, aber doch immer dafür geradestehen muss, wenn es nicht läuft: den Trainer. Die Person, die tagtäglich versucht, seine Spieler besser zu machen und seine Spielphilosophie auf den Platz zu bringen. Eine Tätigkeit, hinter der viel mehr steckt, als einfach nur an der Seitenlinie zu stehen.
Was ist ein*e Trainer*in?
Jürgen Walter ist Sportpsychologe aus Düsseldorf. Er arbeitet mit Sportler*innen zusammen, um diesen auf ihrem Weg zum sportlichen Erfolg zu helfen. Über den Beruf der Trainer*innen sagt er: „Ein guter Trainer hat eine hohe soziale Kompetenz. Er geht auf Sportler ein, er fördert, er hat Verständnis, er setzt Ziele, die weder zu hoch noch zu tief sind und er motiviert.“ Dabei mache es keinen großen Unterschied, in welcher Liga die Trainer*innen aktiv sind. „Als Trainer ist es doch das Ziel, egal in welcher Liga gespielt wird, das zu leisten, was maximal leistbar ist.“ Der Unterschied zwischen dem Amateur- und Profibereich liegt laut Walter vor allem in der Ausbildung und der Bezahlung.
Die Frage, wie viele Trainer*innen es in Deutschland genau gibt, ist nicht leicht zu beantworten. Das liegt daran, dass zwischen Personal-, Breitensport-, Leistungssport- und sportartspezifischen Trainer*innen unterschieden werden muss. So gibt der Bundesverband Personal Training an, dass es aktuell zwischen 8000 und 10.000 haupt- und nebenberufliche Fitnesstrainer*innen gibt.
Aufgaben von Trainer*innen
Welche Aufgaben Trainer*innen noch zu erfüllen haben, wird auch beim Handball deutlich. Bei den Oberliga-Frauen des Königsborner SV ist heute Spieltag. Treffpunkt ist, wie in Amateur-Ligen üblich, meist eine Stunde vor Spielbeginn. Die Spielerinnen gehen in die Kabine, ziehen ihr Trikot an und fangen 30 Minuten vor dem Start an, sich aufzuwärmen. Nicht alle können sich, sobald sie die Halle betreten, bereits auf die anstehenden 60 Minuten Spielzeit konzentrieren. Damit gespielt werden kann, muss die Halle bereit sein. Auswechselbänke müssen stehen, die Bälle geholt werden, alle Spielerinnen müssen im Spielbericht eingetragen werden.
45 Minuten vor dem Anpfiff steht die technische Besprechung an. Hier treffen sich die Schiedsrichter*innen mit einer Person aus der Mannschaft und den Zeitnehmer*innen, die während des Spiels die Uhr betätigen und den Spielbericht ausfüllen. Wer muss diese Aufgaben koordinieren und im Kopf haben? Der*die Trainer*in. Diese*r muss sich schon mehrere Tage zuvor mit dem Gegner, einer Aufstellung und Taktik befasst haben. Am Spieltag können sich Trainer*innen erst wieder mit dem eigentlichen Spiel befassen, wenn für alles andere gesorgt ist.
Die Ausbildung als Trainer*in
Was Trainer*innen ausmacht? Andy Palm muss nur kurz überlegen. „Sie sind eigentlich Mädchen für alles“, sagt der Trainer der Oberliga-Handballer der SG Menden Sauerland. Denn zu den offensichtlichen sportlichen Aufgaben gehören laut Palm auch organisatorische und emotionale. Andy Palm ist seit zwei Jahren Trainer bei der SG, wird diese aber zum Saisonende verlassen. Zu seinem Trainer-Dasein sagt Palm: „Wichtig ist, sich auf das Wesentliche zu fokussieren, denn das ist am Ende auch das, wofür ich als Trainer bemessen werde, und das ist, dass die Leistung der Mannschaft stimmt.“
Um dafür zu sorgen, dass ein Team die erforderliche Leistung auf das Feld bringt, benötigen Palm sowie andere Trainer*innen die entsprechenden Ausbildungen. Wer als Trainer*in einsteigen will, braucht dafür auf lange Sicht Lizenzen. Diese sind spezifisch bei dem jeweiligen Sportverband zu erwerben oder im Breitensport sportartübergreifend. Dabei wird zwischen verschiedenen Stufen unterschieden. Es gibt die Lizenzen C, B, und A, die aufeinander aufbauen und ihre Inhaber*innen für unterschiedliche Ligen qualifizieren. Im Profibereich gibt es weitere Qualifikationsstufen. Je höher die Qualifizierung, desto mehr Zeit und Geld müssen die Teilnehmenden investieren.
Die Spieler*innen im Vordergrund
Neben dem Coaching während eines Spiels ist die Gestaltung der wöchentlichen Trainings entscheidender Bestandteil der Arbeit als Trainer*in. Kurz vor dem Trainingsstart treffen die Spieler*innen auf dem Fußballplatz ein, manche kurz vor knapp und andere ein paar Minuten zu spät. Alle hatten sie vorher einen anstrengenden Arbeits-, Schul- oder Uni-Tag. Jetzt ist es Zeit, abzuschalten, das zu machen, was ihnen Spaß bereitet. Fußballspielen. Damit das klappt, müssen Trainer*innen schon vorher Arbeit investieren: das Training planen, neue Einheiten entwickeln oder bestehende Abläufe festigen. Trainer*innen führen Gespräche mit Spieler*innen, Torwart-Trainer*innen und den Physiotherapeut*innen der Mannschaft. Wenn es für die meisten nach 90 Minuten Trainingszeit unter die Dusche geht, planen sie weitere Gespräche mit Spieler*innen oder Vorstand.
Was dabei trotzdem nicht zu kurz kommen darf? Der Spaß und gute Stimmung in der Mannschaft. Das steht auch für Sebastian Westerhoff im Vordergrund. Der Trainer des Fußball-Oberligisten TuS Ennepetal beschreibt: „Für mich ist es extrem wichtig, dass sich ein Spieler wohlfühlt. Egal, ob mit dem Trainer oder innerhalb der Mannschaft. Ich glaube, wenn man sich wohlfühlt, kann man deutlich bessere Leistungen bringen, als wenn man ungern zum Training geht.“ Dabei sei es gerade im Umgang mit den Spieler*innen wichtig, eine Ansprechperson zu sein. „Man muss als Trainer auf allen Ebenen für die Mannschaft da sein. Klar zählt das Sportliche dazu, aber gerade im Amateurbereich weiß ich, dass für die Jungs drumherum noch viele Dinge wichtig sind.“
Zwischenmenschliche Fähigkeiten
Westerhoff spielt damit vor allem auf die jüngeren Spieler in seiner Mannschaft an: „Wenn es Spieler gibt, die zur Schule oder zur Universität gehen, bei denen eine Klausur ansteht oder Spieler im Arbeitsleben, dann spielt da eine Menge soziale Kompetenz mit rein. Da sehe ich mich auch als Ansprechpartner.“ Sportpsychologe Jürgen Walter unterstützt das: „Wenn Spieler Bedenken haben, dass sie etwas nicht schaffen oder an sich zweifeln, dann sollte ein Trainer ein offenes Ohr für die Spieler haben.“
Westerhoff sagt über sich selbst: „Ich bin nah an den Jungs dran, gerade weil ich selbst lange gespielt habe und noch nicht lange raus bin. Ich hoffe, dass die Spieler sich ein bisschen was von mir annehmen. Ob ich dann ein Vorbild bin, müssen die Jungs entscheiden.“ Westerhoff sagt, er selbst profitiere auch von seiner Mannschaft: „Im Idealfall ist es so, dass beide Parteien voneinander lernen.“
Der digitale Wandel
Neben all dem haben Trainer*innen noch eine weitere Aufgabe. Denn die Medialisierung kommt langsam auch im Amateursport an. Wenn nach Abpfiff die Spieler*innen nach Hause fahren, geben Trainer*innen häufig Interviews für die Lokalzeitung. „Der Trainer steht natürlich noch mehr in der Öffentlichkeit“, beschreibt Sportpsychologe Jürgen Walter. Björn Breuer, Trainer des Fußball-Bezirksligisten VfL Bad Berleburg, hat den Wandel auch bemerkt, möchte selbst aber viel lieber den Fokus auf das legen, was seinen Job eigentlich ausmacht. „Da hat sich in den letzten Jahren schon einiges geändert, das finde ich sehr interessant. Aber es raubt einem auch Energie von der tatsächlichen Arbeit mit der Mannschaft.“ Damit meint er vor allem die Arbeit, die früher die sportliche Leitung oder der Vorstand erfüllt haben: Gespräche über die Saison hinaus führen oder die Arbeit zwischen Betreuer*innen und Trainer*in koordinieren.
Wer meint, dass nur im Fußball ein solcher Wandel erkennbar ist, liegt falsch. Denn auch Handballtrainer Andy Palm hat mediale Veränderungen beobachtet. Er weiß jedoch auch: „Der Handballsport ist nicht so medial wie der Fußball. Da sagt vielleicht der eine: Gut so. Und der andere sagt: Wäre doch schön, wenn.“ Palm ist vor allem davon überzeugt, „dass jeder am Ende selbst dafür verantwortlich ist, was daraus gemacht wird“.
Und auch, wenn es mit viel Arbeit verbunden ist, haben auch Trainer*innen irgendwann mal Feierabend. Dann zischt es und die Flasche Bier läutet den Feierabend ein. Auf dem Fußballplatz und in der Sporthalle sitzen alle zusammen und vor allem eines ist zu hören: Lachen. Langsam löst sich die Runde auf, der Heimweg steht an, das Flutlicht auf dem Fußballplatz und die Beleuchtung in der Halle gehen aus. Feierabend.
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