Eine Fahrt ins Ungewisse – wie die Mobilität von morgen aussehen könnte

Hohe Anteile der CO2-Bilanz der TU Dortmund verantwortet der Verkehrssektor. Die Wissenschaft treibt daher einen Wandel voran und sagt: Der Fahrtweg zur Uni muss sich ändern. Damit dies gelingt, müssen sich alle beteiligen.

Montagmorgen, Lea ist auf dem Weg zur Uni. Sie ist Studentin an der TU Dortmund und wohnt in der Nordstadt. Die S1 ist für sie die schnellste Verbindung zur Universität. Ein Blick auf die Uhr zeigt: Sie muss sich beeilen, wenn sie noch rechtzeitig zu ihrer ersten Vorlesung kommen möchte. Als sie die Treppe am Hauptbahnhof erreicht, kommen ihr sichtlich genervt viele Menschen entgegen. Die S1 fällt wieder einmal aus. So erzählt Lea es bei einer Straßenumfrage.

Obwohl Lea die öffentlichen Verkehrsmittel bevorzugt, ist sie mit dem Auto schneller an der Universität. Deshalb fährt sie nun öfter mit dem Auto, sagt sie. Wie Lea ergeht es auch anderen Studierenden, das zeigt ein Blick auf die Parkplätze der TU Dortmund. Hier sind tagsüber innerhalb der Woche kaum freie Plätze zu finden. Nicht einmal in den Semesterferien.

Der stagnierende Verkehrssektor

„Der Verkehrssektor ist und bleibt unser Sorgenkind Nummer eins,“ sagt Seniorprofessor Johannes Weyer. Er leitete zwanzig Jahre den Lehrstuhl für Techniksoziologie an der TU Dortmund. Seit 2022 ist er Seniorprofessor für nachhaltige Mobilität. Dabei beschäftigt er sich mit der Frage, wie der Verkehr im Ruhrgebiet nachhaltiger gestaltet werden kann. In Hinblick auf das Pariser Klimaschutzabkommen und das Bundes-Klimaschutzgesetz sei es wichtig, den Verkehrssektor umzustrukturieren. Ziel des Gesetzes ist, die Treibhausgasemissionen bis 2030 stark zu senken. Anschließend soll Deutschland die Treibhausgas-Neutralität erreichen. Laut des Statistischen Bundesamtes betrugen die Treibhausgasemissionen in Deutschland 2022 148 Millionen Tonnen. Während der CO2-Ausstoß in anderen Sektoren wie Industrie und Energie gesunken ist, ist er im Verkehrssektor gestiegen. Um das Ziel des Klimaschutzgesetztes zu erreichen, müssen die Emissionen des Verkehrssektors jedoch deutlich sinken. Die vielen Autos stehen dem entgegen.

Eine hohe PKW-Nutzung zeigt sich auch an der TU Dortmund. Rund ein Drittel und somit 10.000 Studierende fahren mit dem Auto zur Uni, berichtet Henning Moldenhauer, der Leiter des Nachhaltigkeitsbüros. Prof. Johannes Weyer hat eine Erklärung dafür: „Schuld ist die katastrophale Anbindung der Universität an den öffentlichen Verkehr. Vor allem die S1 mit ihrem 15-Minuten-Takt und ihren häufigen Ausfällen ist ein Schwachpunkt.“

Was wünschen sich die Studierenden?

Viele Studierende wünschen sich mehr Nachhaltigkeit in ihrem Alltag. Das verdeutlichen die Referent*innen für Nachhaltigkeit und Mobilität des AStA Melissa Baran und Maxim Motragh. Melissa Baran sagt aber: „Ich denke, dass die Menschen, die in Dortmund wohnen und die Möglichkeit hätten, mit dem Fahrrad zur Uni zu fahren, aus Bequemlichkeit das Auto nehmen. Wenn die Studierenden nachhaltiger sein möchten, müssen sie bereit sein, ihre Routinen zu verändern.“

Anreize wie sichere Fahrradstellplätze könnten die Studierende motivieren, ihre Fahrgewohnheiten zu verändern. Zudem sei es teurer, mit dem Auto an die Universität zu fahren. Das Semesterticket ermöglicht schließlich die kostengünstige Nutzung des ÖPNV.

Nachhaltige Mobilität am Campus der TU Dortmund

Die Next-Bike-Station vor dem EF50-Gebäude der TU Dortmund. Foto: Vincent Klapfenberger

Bereits in den vergangenen Jahren setzte sich der AStA für nachhaltige Mobilität ein. Mit „Next-Bikes“ können Studierende täglich eine Stunde kostenlos fahren. Künftig möchte der AStA ein Lastenrad zur Verfügung stellen, das als Transportmittel für studentische Organisationen dienen soll. Mit der Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt stellt der AStA zudem Werkzeug zur Verfügung, damit die Studierenden ihre Räder selbst reparieren können. Die Werkstatt befindet sich im Haus Dörstelmann am Campus Süd. „Die meisten Studierenden nehmen dieses Angebot jedoch nicht wahr“, beklagt Maxim Motragh. Der AStA möchte dem Thema daher künftig mehr Aufmerksamkeit schenken, etwa auf dem Sommerfest.

In ihrer Nachhaltigkeitsstrategie hat die TU Dortmund festgelegt: Sie will bis 2025 500 überdachte und gesicherte Fahrrad-Abstellplätze schaffen. Bisher wurden 120 angelegt. Die 500 Stellplätze bis 2025 sind unrealistisch, sagt Henning Moldenhauer, der Leiter des Nachhaltigkeitsbüros. Er schätzt, dass die angestrebte Zahl erst 2027/2028 erreicht wird. Schließlich sei dies abhängig von der Fertigstellung der Universitätsbibliothek, denn dort werden mit den Bauarbeiten weitere Abstellplätze für Fahrräder geschaffen.

Wo befinden sich die 120 neuen Stellplätze?
Eine der Fahrrad-Abstellanlagen befindet sich unterhalb der Mensabrücke. Hier wurden im April 2023 84 Stellplätze geschaffen. Zudem wurden zwei neue Anlagen errichtet. Eine am Campus Nord auf dem Parkplatz der Chemietechnik, die andere am Campus Süd zwischen der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen und der Fakultät Raumplanung, mit jeweils 20 neuen Stellplätzen. Die drei Anlagen sind für alle Mitarbeitenden und Studierenden der TU Dortmund mit einem Transponder kostenlos zugänglich. Den Transponder bekommen alle in der Emil-Figge-Straße 71 über das Dezernat Bau und Facilitymanagement.

Ruhrgebiets-Universitäten im Wandel

Johannes Weyer ist seit 2022 Seniorprofessor für nachhaltige Mobilität an der TU Dortmund. Foto: Johannes Weyer

In dem Projekt InnaMoRuhr erforschte der Soziologe Johannes Weyer, wie die Mobilität im Ruhrgebiet nachhaltiger gestaltet werden kann. Seine Forschung konzentrierte sich auf die Umstellung der Fahrgewohnheiten. Denn nur mit der Bereitschaft, etwas verändern zu wollen, könne eine Mobilitätswende gelingen. Das 2020 gestartete Projekt wurde mit 1,9 Millionen Euro vom NRW-Ministerium für Verkehr für die Dauer des Projektes bis 2023 gefördert. InnaMoRuhr zielte darauf ab, das Pendeln zwischen den Standorten der Universitätsallianz-Ruhr zu erleichtern.

Um herauszufinden, mit welchen Verkehrsmitteln die Studierenden und Mitarbeitenden an die Universitäten kommen, führten die Forschenden eine Befragung durch. Rund 10.000 Studierende und Beschäftigte der Universitäten in Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen nahmen teil. Mit 11,8 Prozent nutzten sie das Fahrrad am wenigsten. Überraschend war für den Soziologen die Resonanz auf die Anschlussfrage, wie sich die Teilnehmenden ihre zukünftige Mobilität vorstellen. Denn die Bereitschaft, das Fahrrad künftig zu nutzen, war hoch.

Ein Blick in die Zukunft der Mobilität

Der Seniorprofessor für nachhaltige Mobilität Johannes Weyer skizziert mit dem Projekt NeMo.bil das Konzept eines öffentlichen Individualverkehrs: „Ein kleines Roboter-Taxi holt Sie zu Hause ab, fährt aber nicht selbstständig bis zum Ziel. Es koppelt sich mit anderen Roboter-Taxis, die das gleiche Ziel haben.“ Die Shuttles sind mit vier Sitzen ausgestattet und laufen automatisch. Sie sollen das Problem der ersten und letzten Meile lösen, indem sie den Weg von der Wohnung zum Bahnhof schneller passierbar machen.

Diese NeMo.Cabs holen die Passagier*innen von zu Hause ab. Anschließend fahren sie eine automatisierte Route. Inmitten der Strecke koppeln sie sich an andere Roboter-Taxis, woraus sich eine Zugmaschine bildet, die an einen Konvoi erinnert. Dieser Konvoi wird von einem größeren, automatisierten Wagen gezogen, wodurch sie enorme Ressourcen einsparen. Ab der Zielstrecke trennen sich die NeMo.Cabs und bringen die Passagier*innen individuell zum Ziel. Es ist also eine Mischform aus Individual- und öffentlichem Verkehr und dient dazu, das ländliche Umland von Städten besser anzubinden. Das Projekt bietet eine Chance für die TU. Die Shuttles könnten es den Studierenden ermöglichen, zwischen dem Dortmunder Hauptbahnhof und der Universität zu pendeln, erklärt Weyer. Er nennt weitere Vorteile: „Nicht jeder kann sich ein Auto leisten und es macht auch wenig Sinn, dass Busse mit achtzig Sitzen durch die Gegend fahren, die unterbesetzt sind.“ Das Projekt soll die Mobilität revolutionieren, indem es die Bequemlichkeit eines privaten PKWs mit der Energieeffizienz des ÖPNV verbindet. Die ersten NeMo.Cabs kommen in Paderborn zum Einsatz. Johannes Weyer hofft, dass diese kleinen Roboter-Taxis ihren Weg auch an die TU Dortmund finden.

Visualisierung der ersten NeMo.Cabs. Foto: INYO Mobility GmbH

Die Dominanz des Individualverkehrs an der TU Dortmund

Nicht nur unsere Bequemlichkeit spielt in die Entscheidung ein, ob wir das Auto nutzen oder nicht, sagt Joachim Scheiner. Er ist Professor für das Fachgebiet Stadtentwicklung der Fakultät Raumplanung an der TU Dortmund. Sein Schwerpunkt liegt auf dem Verkehrswesen. Er erklärt, dass es eine Wechselwirkung zwischen Mobilität und Raum gibt. „Das heißt, Menschen, die im Kreuzviertel wohnen, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie sich im Alltag zu Fuß oder mit dem Fahrrad fortbewegen als mit dem Auto.“ Grund dafür ist, dass alltägliche Orte wie der Supermarkt näher gelegen sind. Der Raum begünstigt somit die Mobilität. Für Menschen, die im ländlichen Raum wohnen, ist ein Leben ohne Auto wohl kaum vorstellbar.

Eine weitere Idee, um die Fahrt mit dem Auto unattraktiv zu machen, sind kostenpflichtige Parkplätze. „Wir hatten mal einen Gastwissenschaftler der ETH Zürich zu Besuch, der hat sich totgelacht, als er erfahren hat, dass man hier den ganzen Tag kostenlos parken kann“, berichtet Professor Joachim Scheiner. Das Nachhaltigkeitsbüro spielte mit dem Gedanken, Gebühren für Parkplätze einzuführen. An anderen Universitäten wie der Uni Witten/Herdecke habe sich dieses Prinzip bereits bewährt. Die Referent*innen des AStA überzeugt diese Strategie jedoch nicht. Sie sind der Meinung, kostenpflichtige Parkplätze würden die Studierenden langfristig nicht davon abhalten, mit dem Auto zur Universität zu fahren. Sinnvoller wäre es, die Anzahl an Parkplätzen zu reduzieren und gegen Fahrradstellplätze zu tauschen. Ebenso könnten Parkplätze für Fahrgemeinschaften geschaffen werden, die den nachhaltigen Verkehr begünstigen.

Tipps, um im Alltag nachhaltig mobil zu sein
Laut des Statistischen Bundesamtes nutzten Berufspendler*innen 2020 für eine fünf Kilometer lange Strecke am häufigsten das Auto. Und das, obwohl eine solche Strecke mit dem Rad nur etwa 15 Minuten dauern würde. Die Umweltstiftung WWF empfiehlt: Für kurze Strecken das Rad nutzen, für längere öffentliche Verkehrsmittel. Auch Carsharing-Angebote können dabei eine Rolle spielen. Die Stadt Dortmund hat für diese Angebote an zwölf Standorten gesonderte Parkplätze angelegt. E-Roller wirken hingegen nur auf den ersten Blick umweltschonend, warnt das Umweltbundesamt. Indem sie den umweltfreundlichen Fuß- und Radverkehr ersetzen, schaden die Roller sogar der Mobilitätswende. Grund sei vor allem ihre geringe elektronische Kapazität und kurze Lebensdauer.

Luft nach oben

Sichere Stellplätze an der TU Dortmund sind wichtig, schließlich ist der Nordcampus für Raddiebstähle berüchtigt, mahnt Joachim Scheiner. Eine sichere Alternative sind die Fahrrad-Abstellanlagen. Initiativen wie Next-Bike bezeichnet der Professor als Nischenprodukte. Sie seien nur für einen geringen Bruchteil an Menschen relevant: „Wenn ein Student an der Uni ankommt und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren ist, dann gibt es erstmal keine Motivation, auf ein Leihfahrrad umzusteigen.“ Ausschlaggebend sei jedoch die Weganbindung für Fahrräder an den Campus. Dabei spiele die Sicherheit der Wege eine große Rolle. „Die Weganbindung in die Innenstadt halte ich für relativ sicher, wenn man vom Campus Nord über die Schnettkerbrücke in die Innenstadt fährt. Wenn man aber bedenkt, dass die Studis weit verstreut wohnen, dann gibt es im Umfeld noch einiges zu tun.“ Neben dem Faktor der Sicherheit spiele die Schönheit der Radwege bei der Nutzung eine ebenso entscheidende Rolle.

Joachim Scheiner verdeutlicht, dass es für einen Großbetrieb wie die TU Dortmund wichtig sei, das Thema nachhaltige Mobilität in der Organisation zu priorisieren. „Insgesamt habe ich nicht das Gefühl, dass das Thema so richtig Schlagkraft entwickelt. Ich glaube, dass da vom Rektorat etwas mehr Initiative gezeigt werden müsste.“ Die gleiche Meinung teilen die Referent*innen des AStA. Dortmund eigne sich im Vergleich zu Städten wie Münster weniger für das Fahrrad. Deshalb sei es um so wichtiger, dass an der TU Dortmund Anreize geschaffen werden und das Thema nachhaltige Mobilität nicht aus den Augen gelassen wird.

 

Beitragsbild: Pexels/Samson Katt

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