Vielfalt in der Kosmetik: So erleben drei PoC-Frauen das Angebot

Haare und Hauttypen sind vielfältig, doch Drogerien in Deutschland bieten oft nur eine einheitliche Produktpalette. Melissa, Ndedi und Aurélie berichten, wie sie als PoC-Frauen deutsche Drogerien und die Produktauswahl wahrnehmen.

Die Erfahrungen von Melissa Efua Yeddu

Melissa Efua Yeddu ist 23 Jahre alt. Melissa stammt aus Ghana und lebt seit zwei Jahren in Deutschland. Sie hat eine einjährige Tochter.

Melissa hat sich ihre Haare braiden lassen. In ihr Echthaar hat sie sich Kunsthaarsträhnen flechten lassen. Somit konnte sie blonde Strähnen haben. Foto: Melissa Efua Yeddu

Ich habe früher Makeup benutzt. Seitdem ich vor mehr als einem Jahr schwanger geworden bin, gönne ich meiner Haut aber eine Pause. Jedes Mal, wenn ich versucht habe, Makeup aus Drogerien zu nutzen, habe ich meinen Farbton nicht gefunden. Vielleicht haben die Unternehmen nicht genügend Farben für schwarze Menschen.

Ich weiß, dass viele Marken online mehr Produkte anbieten, aber ich mag es lieber, in den Laden zu gehen und das Produkt anzusehen, bevor ich es kaufe. Wenn ich es online kaufe, muss ich den Farbton erraten. Manchmal passt er, aber manchmal eben auch nicht. Vor kurzem habe ich von meinen Freund*innen in Ghana gehört, dass sie sich den richtigen Ton aus mehreren Produkten zusammenmischen. Aber das habe ich noch nicht ausprobiert.

Meine Haut hat sich mit der Schwangerschaft sehr verändert, deshalb versuche ich jetzt, mehr auf sie zu achten und benutze mehr Skincare-Produkte. Allerdings keine Produkte, die man hier in Deutschland kaufen kann, weil die bei meiner Haut nicht funktionieren. Ich bestelle online Produkte aus Amerika und Großbritannien. Dabei schaue ich nach offiziellen Marken, denen ich vertraue oder die ich von Freund*innen empfohlen bekommen habe.

Wie handhabt Melissa die Haarpflege?

Melissas Braids beginnen beim unteren Haar und arbeiten sich dann von da aus hoch. Foto: Melissa Efua Yeddu

Für Haarprodukte gehe ich ab und zu in Afro Shops und schaue dort für mich und für mein Baby. Für meine Haare bekomme ich aber auch Produkte in der Drogerie hier in Deutschland, zum Beispiel das Kokosöl, was ich zum Hydrieren brauche.

Momentan trage ich Braids. Das Flechten hat sehr lang gedauert. Das hat eine Freundin gemacht und da wir beide Kinder haben, mussten wir uns zwischendurch um die beiden kümmern. Wir waren gut sieben Stunden beschäftigt. Professionelle Hairstylist*innen können viel schneller flechten, aber wir haben uns Zeit gelassen und konnten uns um unsere Kinder kümmern.

Zunächst müssen die Haare gewaschen und geglättet werden. Das habe ich selbst gemacht. Ich finde den Geruch beim Haare glätten sehr anstrengend, weil es verbrannt riecht. Aber dafür mag ich die Shea Butter. Mit der habe ich mein Haar eingecremt, damit es weich wird. Das Haar wird direkt vom Ansatz und an der Kopfhaut geflochten. Mir tut das immer sehr weh, aber je mehr es in die Längen geht, desto entspannter wird es. Wir haben synthetische Haarteile benutzt, um meine Haare zu verlängern, weil mein Naturhaar sehr kurz ist.

Die Erfahrungen von Ndedi Charelle Achale

Ndedi Charelle Achale ist 19 Jahre alt. Sie studiert Soziale Arbeit und arbeitet in einer Flüchtlingsberatungsstelle. Ihre Eltern sind in Kamerun geboren.

Ndedi trägt ihre Lieblingsperücke: Die hat Braids. Foto: Sarah Balanca

Ich nutze nicht wirklich Make-Up. Alle Erfahrungen oder Impulse sind von meinen zwei älteren Schwestern. Von denen habe ich mir viel abgeschaut.

Beide haben unterschiedliche Hautfarben. Die eine ist ein wenig heller, aber beide haben sich immer dieselben Foundations aus Drogerien gekauft: Die dunkelste Farbe, die es im Sortiment gab. Sie haben sich auf YouTube Videos von Black Influencer*innen, angeschaut, um andere Marken kennenzulernen. Das waren Influencer*innen aus dem englischsprachigen Raum. Durch die Videos haben meine Schwestern gelernt, ihr Make-Up selbst zu mischen, um den perfekten Ton für sich zu finden.

Ein Grund dafür, dass ich nie wirklich Make-Up getragen habe, ist auf jeden Fall meine Angst davor, dass meine Haut dadurch schlechter werden könnte. Und es kostet auch viel Geld. Im Laufe der Zeit haben einige Marken ihre Produktpalette erweitert. Aber die dunklen Töne sind immer ein bisschen teurer als die hellen. Ich habe mich aber von meinen Schwestern für meinen Abiball schminken lassen.

Für gute Produkte reicht die Drogerie nicht

Eine andere Sache, die für viele schwierig sein könnte, ist zum Beispiel das Haare färben. Als ich jünger war, wollte ich mir meine Haare mit Drogerieprodukten färben. Auf der Packung konnte ich die Haarfarbe aber nie einschätzen, weil meistens eine weiße Frau abgebildet war.

Auch gute Skin Care Produkte zu finden, ist manchmal schwierig. Ich habe schon Vieles ausprobiert, von Peelings bis Naturheilungen. Meine Mama hat Naturprodukte wie Kokosöl, Amla Öl, aber auch Knoblauch und Nelken empfohlen. Es gab in Afro-Shops auch Knoblauch-Shampoos, die wir gern nutzen. Und Black-Soap. Die hatten wir auch immer zuhause. Im Schnitt kostet so eine Seife aber auch mal fünf bis zehn Euro.
Viele indische Geschäfte verkaufen zum Glück Produkte, die es auch in westafrikanischen Ländern gibt, wie in meiner Heimat Kamerun. Meiner Meinung nach ist da auch das Preis-Leistungs-Verhältnis fairer. Diese Shops gibt es leider nicht an jeder Ecke.

Heute bestellen wir schon mal online, aber vor Ort ist es einfach immer besser. Wir brauchen dann Produkte wie Seife, extra Shampoo für unsere Locken, Conditioner und wir nutzen viel Kokosnussöl, das einen pflegenden Effekt für unsere Haare hat. Ganz wichtig sind spezielle Kämme, die unsere Haarstruktur aushalten können. Auch extra Haar, das man sich in die eigenen Haare flechten kann, findet man dort.

Warum Ndedi heute Perücken trägt

Ich hatte eigentlich immer geflochtene Haare. Die habe ich mir aber nie in einem Haarsalon gemacht, sondern immer bei einer Tante. Nach meiner Alopecia Diagnose habe ich dann angefangen, Perücken zu tragen. Mittlerweile bestelle ich Perücken im Internet. Das kostet leider echt viel. Ich zahle im Schnitt 300 Euro für eine Perücke.

Ndedi zeigt zwei ihrer Lieblingsperücken: Eine mit glattem Haar und die andere mit Braids. Foto: Sarah Balanca

Zu Beginn fand ich es ein bisschen nervig, weil von der weißen Community den Vorwurf gespürt habe: Du trägst glatte Haare, weil du so sein möchtest wie wir. Parallel habe ich von einigen Menschen in meinem Umfeld die Kritik bekommen: Warum trägst du solche Haare? Warum möchtest du eher europäisch sein?

In der westafrikanischen Kultur ist Haar sehr signifikant. Und wenn dann in meinem Umkreis über Haare gesprochen wird, dann erinnere ich mich immer wieder aufs Neue, dass ich eine Perücke trage. Manchmal sehe ich ein kleines Mädchen und erinnere mich daran, wie wir früher zum Beispiel Perlen in unsere natürlichen Haare geflochten bekommen haben. Das kann ich nicht mehr machen. Ich mochte es, meine Haare geflochten zu tragen und mag auch meine geflochtenen Perücken am liebsten.

Mehr Repräsentation in Werbungen

Obwohl ich selbst kein Make-Up trage, ist mir positiv aufgefallen, dass es mehr Marken gibt, die verschiedene Töne anbieten. Manchmal gehe ich in eine Drogerie, um mir das Make-Up anzuschauen. Obwohl eine Marke viele dunklere Farbtöne anbietet, sehen sie, meiner Meinung nach, trotzdem alle gleich hell aus.

Aber in Werbungen gibt es mittlerweile unterschiedlichere Models. Als ich klein war, konnte ich mich mit keinem Model auf einer Werbepackung identifizieren, weder mit Haut noch Haar. Ich finde, es ist authentischer geworden.

Die Erfahrungen von Aurélie Simo

Aurélie Simo ist 26 Jahre alt. Ihre Eltern stammen aus Kamerun. Sie studiert Informatik/Softwaretechnik.

Ich schminke mich seit etwa zwei Jahren nicht mehr so oft. Wenn, dann nur für besondere Anlässe. Aber dann benutze ich das Make-Up, das ich schon seit fünf Jahren in meiner Kulturtasche habe.

Neulich habe ich auf TikTok gesehen, dass eine Drogerie jetzt Produkte von einer Marke anbietet, die extra für schwarze Menschen ist. Das war für mich unvorstellbar. Damals, als ich vor einem Jahrzehnt die Schule verlassen habe, konnte ich kein Make-Up für meine Hautfarbe finden. Meine Cousine hatte mir damals Make-Up aus Frankreich geschenkt, weil dort viel mehr schwarze Menschen leben und sie deshalb auch viel weiter mit ihrer Produktauswahl sind als wir hier in Deutschland.

Und wie sieht es mit Haarpflege aus?

Ich mache mir hauptsächlich Braids. In meinen Augen schützen die vor Staub, Dreck und Feuchtigkeit und ich muss meine Haare weniger pflegen. Braids wäscht man nicht jeden Tag. Und ich wasche mir meine Haare sehr intensiv, bevor ich sie braiden lasse.

Die Braids behalte ich meistens bis zu zwei Monate auf dem Kopf. Da mittlerweile das Flechten in einem Salon zu teuer geworden ist, lasse ich sie mir zu Hause von meiner Mutter flechten. Ich mag das persönlich sehr, weil es viel familiärer ist und ich mehr von dem Gemeinschaftsgefühl spüren kann.

Was kosten Braids?

Eine professionelle Person bräuchte für meine Braids bei einer Länge bis zum Po vier Stunden. Meine Mutter braucht das Doppelte. Sie nimmt sich die Zeit und wir quatschen zwischendurch. Wenn wir fertig sind, lege ich die Haare für maximal eine Minute in kochendes Wasser, damit die Extensions nicht strohig aussehen und glatt werden.

Wenn mir eine Privatperson die Haare braidet, muss ich vorher die Extensions besorgen. Bei der Länge, die ich gern trage, brauche ich vier Verpackungen Kunsthaar. Die kosten aktuell zwischen fünf und sechs Euro pro Packung. Das sind dann etwa 20 bis 25 Euro nur für das Haar. Eine Privatperson verlangt dann bestenfalls noch 70 oder 80 Euro für den Arbeitsaufwand. In Salons ist das noch teurer und wir sind bei etwa 200 Euro.

Professorin Sarah Köcher erklärt den Zusammenhang von Marketing und Produktpalette

Prof. Dr. Sarah Köcher ist Junior-Professorin für digitales Marketing an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Sie hat an der TU Dortmund promoviert und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Themen rund um Digitalisierung, Einsatz neuer Technologien im Marketing- und Dienstleistungskontext und nachhaltigem Konsumverhalten von Verbraucher*innen.

Wir sehen alle anders aus. Und das spiegelt sich auch seit ein paar Jahren in den Werbemaßnahmen der Unternehmen wider. Aber es gibt noch viel Luft nach oben.

Denn: Marketing und Produktauswahl hängen auch im Kontext von Drogerien sehr stark damit zusammen, wie hoch die Nachfrage ist. So wird in der Regel das Sortiment gestaltet. Wir haben eine Vielzahl von Influencerinnen und Influencern, die sich gerade auf die Kosmetikbranche spezialisieren. Gleichzeitig sind ihnen Nachhaltigkeit und Diversität wichtig. Das alles spielt natürlich in die Nachfrage mit rein. Wenn Unternehmen schlau sind, beobachten sie das und betreiben Online-Marktforschung.

Online-Shopping nimmt auch in Drogerien stark zu

Ausstellflächen, also die Fläche im Geschäft selbst und auch Lagerfläche sind natürlich begrenzt. Das heißt, im Geschäft werden die Artikel angeboten, die am stärksten verkauft werden. Was wir dann online sehen, sind zusätzliche Varianten zu dem, was wir auch im Geschäft haben. In letzter Zeit ist der Einkauf stark in den Online-Bereich verlagert worden, nicht nur durch Präferenzen der Verbraucher*innen, sondern auch durch externe Einflüsse, wie beispielsweise die Corona-Pandemie.

Wir sind es mittlerweile gewohnt, selbst bei Drogeriemärkten online einzukaufen. Das haben wir vorher in der Regel nicht gemacht. Eine Drogerie war etwas, wo wir wirklich ins Geschäft gegangen sind und die Sachen vor Ort gekauft haben.

Im Kosmetikbereich rückt Diversität in den Fokus

Aus dem Bauch heraus würde ich behaupten, dass wir schon eine relativ breite Produktpalette in Drogerien haben. Es liegt Unternehmen viel daran, eine diverse Auswahl zu haben, weil sich die Kundschaft sonst für die Konkurrenz entscheidet. Ich würde sagen, dass wir gerade im Kosmetikbereich in letzter Zeit verstärkt sehen, dass mehr Wert auf Diversität gelegt wird. Nicht nur in den Drogeriemärkten selbst, sondern auch in der Werbung.

Eine Auswahl des Farbspektrums von Make-Up. Foto: Canva

Wer sich das Sortiment anschaut, sieht zumindest bei Make-Up eine größere Produktvielfalt. Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, mit unterschiedlicher Hautfarbe können bedient werden. Das liegt vor allem auch daran, dass die Nachfrage immer höher wird. Das Thema Diversität wird von den Verbraucher*innen auch nicht mehr anders toleriert.

Aus persönlicher Sicht würde ich natürlich unterschreiben, dass wir hier in Deutschland die moralische Pflicht haben, dass für jedes Bedürfnis auch ein entsprechendes Produkt da sein müsste. Jetzt stellt sich aus Unternehmenssicht natürlich die Frage, welche Produkte denn am stärksten verkauft werden. Das ist leider ein Kriterium, warum Produkte platziert werden oder nicht.

 

Beitragsbild: Canva

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