Der Bundestag ist zur konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Es versammelten sich also zum ersten Mal die Abgeordneten aller Parteien zu einer Sitzung im Reichstagsgebäude. Aber auch bei dem ersten Aufeinandertreffen gab es schon Knackpunkte zwischen den Parteien.
Die Abgeordneten aller sechs Parteien nahmen in der neuen Sitzordnung des Bundestages Platz. Da zeigte sich schon das erste Problem: Die FDP-Fraktion mit ihrem Vorsitzenden Christian Lindner hatten es abgelehnt neben der AfD-Fraktion im Bundestag zu sitzen. Für die erste Sitzung im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes führte jedoch kein Weg daran vorbei. Allerdings denken die Liberalen darüber nach, eine Debatte im Ältestenrat über die Sitzordnung anzuregen.
Der Bundestag dieser Legislaturperiode ist der Größte, den Deutschland jemals hatte. Seit 1957 sitzen erstmals wieder sechs unterschiedliche Fraktionen in dem Saal – das zeigt sich auch in den Zahlen der Abgeordneten: 709 Abgeordnete sind es für die nächsten vier Jahre. Das sind 78 Politiker mehr als in der letzten Wahlperiode. 262 Politiker sind neu dabei. Mehr Menschen kosten aber auch mehr Geld: laut Tagesschau rund 50 bis 75 Millionen Euro Steuergelder mehr im Jahr.
Wahl des Bundespräsidenten und seiner Vertreter
Eigentlich gebührt es dem ältesten Bundestagsabgeordneten die konstituierende Sitzung zu eröffnen. Das wäre eigentlich Wilhelm von Gottberg (AfD) mit 77 Jahren gewesen. Da die übrigen Parteien damit nicht einverstanden waren und AfD-Politikern keine große Bühne im Bundestag bieten wollen, wurden die Regeln geändert: vom Ältesten zum Dienstältesten. Somit eröffnete Hermann Otto Solms (FDP) die Sitzung und leitete die Wahlen zum Bundestagspräsidenten und dessen Stellvertretern. Solms bringt es mittlerweile auf 33 Dienstjahre im Bundestag.
Anschließend wurde der Bundestagspräsident gewählt. Die CDU/CSU nominierte den ehemaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der seit 1972 im Bundestag tätig ist. Traditionell hat die stärkste Kraft im Bundestag das Recht den Vorschlag einer Nominierung zu machen. Wolfgang Schäuble benötigte eine Mehrheit, um das Amt zu erhalten. Und wenig überraschend: Wolfgang Schäuble wurde zum neuen Bundestagspräsidenten gewählt – er erhielt 501 von 705 abgegeben Stimmen. Es wurden bei 30 Enthaltungen insgesamt 173 Gegenstimmen ausgezählt. Die AfD hatte schon im Vorfeld angekündigt gegen Wolfgang Schäuble als Bundestagspräsidenten bei der Wahl zu stimmen. Er habe sich oftmals fällig über die AfD geäußert.
Seit 2005 hatte das Amt des Bundestagspräsidenten Norbert Lambert (CDU) inne. Zum Ende der vergangenen Legislaturperiode gab der Bochumer sein Amt ab. Deshalb musste das Amt und die Vizeämter in der konstituierenden Sitzung vergeben werden. Gewählt wird der Präsident durch den Bundestag am Anfang einer Legislaturperiode. Dabei wird in alphabetischer Reihenfolge der Abgeordneten geheim gewählt. Der Bundestagspräsident hat die Aufgabe dem Bundestag vorzustehen und dessen Rechte zu wahren. Er leitet die Plenarsitzung im Bundestag und vertritt diesen nach außen. Sobald ein Abgeordneter die parlamentarische Ordnung verletzt, kann der Bundestagspräsident ihm eine Rüge erteilen, das Wort entziehen oder ihn bis zu 30 Sitzungstage von den Verhandlungen ausschließen.
Wolfgang Schäuble bei seiner Antrittsrede:
Bundestagspräsident Schäuble wirbt in seiner Antrittsrede für einen anständigen Umgang. Den Namen einer Partei nennt er nicht. #Bundestag pic.twitter.com/BGwB5yLlyJ
— tagesschau (@tagesschau) October 24, 2017
Ein weiterer Knackpunkt ist die besonders niedrige Frauenquote. Über das historische Tief wurde auch im Internet diskutiert.
30,7 %: Der Frauenanteil im neuen #Bundestag liegt auf dem Niveau einer Maschinenbau-Vorlesung.
— extra3 (@extra3) October 24, 2017
Seit 43 Min reden weiße Männer. Ist das live oder Historychannel? #Bundestag
— nils minkmar (@nminkmar) October 24, 2017
Der Anteil der Frauenquote schwankt vor allem innerhalb der verschiedenen Parteien. Vor 19 Jahren gab es zuletzt einen kleineren Frauenanteil im deutschen Bundestag.
AfD vorerst ohne Bundestagsvizepräsidenten
Außer dem Bundestagspräsidenten wurden auch seine Vertreter – die Bundestagsvizepräsidentinnen und Bundestagsvizepräsidenten gewählt. Es wurden im Vorfeld die Kandidaten Hans-Peter Friedrich (CSU), Thomas Oppermann (SPD), Claudia Roth (Grüne), Petra Pau (Linke), Wolfgang Kubicki (FDP) und Albrecht Glaser (AfD) aufgestellt. Die CDU/CSU antwortete auf die Ablehnung von Wolfgang Schäuble mit Stimmen gegen den Kandidaten Albrecht Glaser der AfD für die Vizepräsidentschaft des Bundestagspräsidenten. Es deutete sich schon in den vergangenen Tagen an, dass die übrigen Fraktionen mit der Aufstellung Glasers nicht zufrieden sind.
Der Bundestagspräsident und seine Vertreter bilden das Bundestagspräsidium. Dieses wird jeweils für eine Wahlperiode gewählt. Jede Fraktion hat den Anspruch einen Vizepräsident zu stellen. Die Vizepräsidenten benötigen eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten, um das Amt annehmen zu können. Das Präsidium tritt in jeder Sitzungswoche zusammen, um über Personalangelegenheiten und die Öffentlichkeitsarbeit zu beraten. Das Präsidium setzt außerdem die staatlichen Mittel zur Parteienfinanzierung fest. Falls der Bundestagspräsident bei einer Plenarsitzung nicht anwesend sein sollte, leitet einer seiner Stellvertreter die Sitzung.
Bei der Wahl der Vizepräsidenten kam es zum erwarteten Ergebnis: Friedrich, Oppermann, Roth, Pau und Kubicki werden alle zu Stellvertretern gewählt. Nur Glaser fiel im ersten Wahlgang durch. Die AfD reagierte – und stellte ihn erneut auf. Aber auch bei dem nächsten Versuch klappte es nicht. Also meldete die AfD Glaser zum dritten Wahlgang an. Es blieb allerdings bei dem Ergebnis. Nun muss die AfD mit dem Ältestenrat die nächsten Schritte besprechen.
Titelbild: flickr.com/Susanne Nilsson lizenziert nach CC BY-SA 2.0
Beitragsbild/Bild von Wolfgang Schäuble: flickr.com/Bankenverband-Bundesverband deutscher Banken lizenziert nach CC BY-ND 2.0