Glosse: Was lange währt, soll endlich rollen!

Tretroller sind wieder voll im Trend. Das Upgrade zur Kiddie-Version kommt sogar ganz ohne eigene Anstrengungen aus!

Am Samstag ist es endlich so weit: Millionen Autofahrer lassen ihre Blechkisten stehen und steigen auf den E-Scooter um. In anderen Ländern sind die Roller schon seit einer Weile auf den Straßen unterwegs. Ohne entsprechende Regelungen war das in Deutschland nicht möglich natürlich nicht. Doch nun kann das große Rollen losgehen.

Wenn die E-Scooter an den Start gehen, ändert das alles. Der neue BMW in der Garage? Egal. Sünde von gestern. Zur Arbeit nur noch mit dem E-Scooter. Verkehrsminister Andi Scheuer macht’s in guter alter Sportlehrer-Manier vor.

Wie ein Yogi-Meister folgt er damit dem Mantra “erlauben, erleichtern und ermöglichen”, das übrigens von ihm selbst stammt. Auf seinem fahrbaren Untersatz fühlt er sich ganz im Zen. Weil der Andi ein netter Kerl ist, will er eines nicht: Autos “verbieten, verteufeln und verteuern” (ebenfalls von ihm selbst). Denn das “habe noch jeder Wirtschaft geschadet”. Ob er, der Verkehrsminister auf Gnaden der Autoindustrie, da etwa von seiner eigenen Karriere spricht?

Zwischen 2000er-Kindheit und Zukunft

Ach Quatsch! Der Andi hat sich sicher einfach die Zukunft der Mobilität auf die Fahnen geschrieben. Steigen alle auf die Tretroller um, sind wir mit einem Schlag all unsere Probleme los. Verkehrslärm? Schnee von gestern. Die ganze Abgas-Debatte? Schon vergessen. Messstellen für den NO2-Gehalt der Luft? Können wieder abgebaut werden.

Lautlos erobern die Elektro-Tretroller unsere Städte, wie einst die Cityroller unsere Kinderherzen. Fahrgefühl war kacke, aber das klapprige Metallding war damals ein richtiger Boost für den Coolness-Faktor. Der CO2-neutrale Silberpfeil versprach vor allem eines: Freiheit. Die versuchen uns die Autohersteller in ihren teuer produzierten und cinematografisch wertvollen Werbespots auch zu verkaufen. Aber in Zeiten von Grünen-Hype und Klimawandel ist klar: Verbrennungsmotor ist sowas von gestern!

Auch in Sachen Kompatibilität schlägt der Tretroller das Auto eindeutig: Die meisten Modelle lassen sich Origami-gleich zusammenfalten und ganz einfach in Bus und Bahn transportieren. Habt ihr das schon mal mit einem SUV probiert?

Stehst du noch oder rollst du schon?

Kein Wunder, dass bald keiner mehr mit Allrad-Antrieb durch die Stadt kurven will. Voran kommt man auf den Straßen sowieso nicht. Die Beraterfirma McKinsey hat errechnet, dass man sich in deutschen Städten mit durchschnittlich nur 15 Stundenkilometern fortbewegt. Sozusagen ein natürliches Tempolimit. Stattdessen auf dem Tretroller: endlich wieder Fahrtwind! Mit 20 Stundenkilometern darf man unterwegs sein – zieht also mit Leichtigkeit an jedem Stau vorbei.

Nur das mit dem Wetter, das muss Scheuer noch lösen. Bei Regen nimmt die schönste Pomade Schaden. Aber wenn der Klimawandel so richtig Fahrt aufnimmt, scheint ja sowieso nur noch die Sonne. Und wenn dann alle auf E-Scooter umgestiegen sind, sind die Straßen endlich wieder frei für die, denen sie wirklich gehört: den Lieferfahrzeugen von Amazon.

Beitragsbild von Kelly Sikkema auf Unsplash
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