800 Mieter mussten Ende September ihre Wohnungen verlassen. Die Stadt hat das Hochhaus “Hannibal II” in Dortmund-Dorstfeld geräumt. Der Grund: erhebliche Mängel in Sachen Brandschutz. Knapp zwei Monate später wohnen viele Mieter noch immer in einer Übergangslösung. Und die Stadt muss rund drei Millionen Euro zahlen.
Alles ist trist und grau. Der Himmel hat sich der Fassade des leerstehenden Gebäudes angepasst. Als würde er Hannibal II und all seine Probleme der letzten Monate unsichtbar machen wollen. Nur die gelben Warnwesten des Sicherheitspersonals leuchten grell. Für die Anwohner ein Hoffnungsschimmer: die Möglichkeit für kurze Zeit begleitet von fremden Personen in ihre Wohnungen zu dürfen.
Zwei Männer sind gekommen, um die letzten Reste aus ihrer einstigen Heimat zu holen. Vater und Sohn. Mit Tisch und Stuhl. Immer noch gezeichnet von dem Donnerstagabend vor zwei Monaten. Dem Tag, an dem die Stadt Dortmund den riesigen Komplex auf Grund von Brandschutzmängeln räumen musste. „Es brennt, haben welche gerufen. Dann hat eine Nachbarin geklopft und stand mit der Polizei vor der Tür. Sie haben gesagt, wir sollen in eine Flüchtlingsunterkunft. Da bin ich ausgetickt und kurze Zeit später hatte ich Handschellen um“, sagt der Sohn. Wenn er sich an den Abend erinnert, wird seine Stimme lauter. Er will anonym bleiben. Die Familie zog zur Oma, er selbst verbrachte die ersten Nächte im Auto.
2,9 Millionen Euro Kosten für die Stadt
Der Umzug zu Verwandten und Bekannten war für viele der rund 800 Mieter die erste Option. Zwar harren noch immer über 40 der 391 erfassten Haushalte in den drei eingerichteten Notunterkünften aus, doch die Zahl sinkt stetig. Viele suchen sich neue Bleiben. 65 Haushalte sind in Belegwohnungen der Stadt gezogen. Hohe Kosten für die Stadt: Bis zu 2,9 Millionen Euro kalkuliert der Stadtrat (genaue Zahlen sollen bei der nächsten Sitzung am Donnerstag, dem 16.11., bekannt gegeben werden). Die Kosten will die Stadt größtenteils dem Vermieter “Intown” in Rechnung stellen. Der hat jedoch Klage eingereicht und bezweifelt die Notwendigkeit der Räumung.
Ein Großteil der laufenden Kosten gehen an einen Sicherheitsdienst, der das Gebäude bewacht. Außerdem zahlt die Stadt Dortmund den Mietern unter anderem entstehende Mehrkosten – zum Beispiel, falls der Weg zur Arbeit länger dauert oder die Miete der neuen Wohnung teurer ist. Auch die Belegwohnungen sollen nur für den „Übergang“ genutzt werden und könnten nicht zur dauerhaften Heimat werden. Es gebe auch immer noch eine große Dunkelziffer. Menschen, von denen niemand weiß, wo sie untergekommen sind, kritisiert Dr. Tobias Scholz vom Mieterverband Dortmund. „Wir stochern im Nebel. Wir wissen noch nicht einmal, wie viele Wohnungen vor der Räumung überhaupt belegt waren.“
Vermieter taucht ab
Das gesamte Verhalten von dem Vermieter Intown sei inakzeptabel. „Persönlich haben wir in den gesamten acht Wochen noch mit niemanden gesprochen.“ Auch die Zwei-Jahresfrist für Sanierungsarbeiten sei nur ein geschätzter Wert. Ein Konzept zur Lösung der komplexen Situation, ob kurzfristig oder langfristig, liege bis heute nicht vor. Der Mieterverband prüft zurzeit, inwiefern und ob er Intown gerichtlich zur Sanierung des Gebäudes zwingen kann. Dies würde jedoch Jahre dauern und deshalb, „wünschen wir uns eine zeitnahe, außergerichtliche Einigung“, sagt Scholz. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg. Auch wenn Vater und Sohn Tisch und Stuhl jetzt schon in einer neuen Wohnung stehen haben.