Tausende bewerben sich jedes Jahr für die diplomatische Ausbildung, doch nur wenige werden genommen. Nina Horré hat es geschafft. Von ihrem Traumberuf, dem Diplomatenalltag und von Simon, dem Akademie-Kater, erzählt sie uns in einem Interview.
Bei Diplomatinnen und Diplomaten denken viele an Menschen, die ständig durch die Welt reisen, den halben Tag im Flieger verbringen und sich mit anderen Diplomatinnen und Diplomaten zum Abendessen treffen. Wie viel Wahrheit steckt in diesem Bild?
Wir sind schon regelmäßig im Ausland. Zumindest am Anfang des Berufslebens ist man abwechselnd drei Jahre im Ausland und dann drei Jahre in Deutschland. Auch wenn man hier ist, hat man regelmäßig Dienstreisen, um sich mit anderen europäischen Partnern abzustimmen. Aber wir sind auch ganz normale Bundesbeamte und müssen den bürokratischen Alltag bewältigen. Das eine geht nicht ohne das andere.
Wie verläuft die Ausbildung zur Attachée?
Ich bin jetzt ungefähr in der Hälfte der Attachée-Ausbildung angekommen. Auf der einen Seite haben wir Fremdsprachenunterricht in Englisch, Französisch und wenn wir wollen einer Drittsprache, das ist bei mir Arabisch. Andererseits haben wir inhaltliche Module. Das hat angefangen mit Politikwissenschaften im Sommer, dann kam Völkerrecht. Gerade habe ich die Klausur in Rechts- und Konsularwesen geschrieben. Da lernt man zum Beispiel das Verfahren, wie Visa vergeben werden. Und bald fängt Volkswirtschaftslehre an.
Das hört sich nach trockener Theorie an.
Überhaupt nicht. Ich bin Politikwissenschaftlerin und finde das sehr spannend. Wir haben viel mit Case Studies gemacht oder Verhandlungen simuliert. Es ist nicht nur einfach Theorie lernen und dazu abgefragt werden, sondern sehr praxisnah. Je nach Thema kommen die entsprechenden Referenten aus der Zentrale. Sie erzählen, wie das, was wir theoretisch lernen, ganz konkret mit ihrem Arbeitsalltag zu tun hat.
Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag als Diplomatin oder Diplomat aus?
Einiges ähnelt sicherlich dem Arbeitsalltag, den jede und jeder aus dem Büro kennt: Morgendliche Teambesprechungen, Telefonkonferenzen, Schreibtischarbeit. Mit dem Unterschied, dass der Kontext bei uns sehr international ist. Wir stimmen uns zum Beispiel eng mit unseren französischen und britischen Kolleginnen und Kollegen ab. Das passiert oftmals auf Konferenzen oder am Rande von Veranstaltungen. Nichts ist besser als ein persönliches Gespräch. Aber dann gibt es auch Tage, an denen die Routine aufhört und man in den Krisenmodus geht. Das haben wir auch gerade in der Ausbildung geübt und dann ist Improvisationstalent gefragt.
Wie kam es dazu, dass Sie sich für den höheren Dienst beim Auswärtigen Amt beworben haben?
Das war eine relativ langsame Entwicklung. Während meines Bachelors war ich für ein Semester in Jerusalem und habe dort auch meinen Master gemacht und drei Jahre lang gelebt. Außerdem habe ich dort Praktika gemacht und in kleineren zivilgesellschaftlichen Projekten gearbeitet. Ich habe gemerkt, dass diese Projekte alle zwar sehr sinnvoll sind, dass es aber letztendlich den Menschen am meisten helfen würde, wenn man eine politische Lösung für den Konflikt vor Ort findet. Und weil das nur die Diplomatie leisten kann, habe ich angefangen, mich für das Berufsfeld des höheren Dienstes im Auswärtigen Amt zu interessieren.
Die Anforderungen für die Attachée-Ausbildung sind sehr hoch. Wie zuversichtlich waren Sie, aufgenommen zu werden?
Ich glaube, das Allerwichtigste ist, dass man sich einfach traut sich zu bewerben. Und sich auch nochmal bewirbt, wenn man weiß, dass man das später auf jeden Fall machen möchte. Man kann sich schon ein Stück weit auf die Aufnahmeprüfung vorbereiten, indem man Zeitung liest, sich über die aktuelle politische Lage informiert oder dem Auswärtigen Amt in den sozialen Medien folgt.
Mussten Sie sich mehrfach bewerben?
Ja, genau. Ich habe mich beworben, habe das mündliche Verfahren mitgemacht und bin dann auf der Warteliste gelandet. Und wenn man nicht über die Warteliste in die jeweilige neue Crew reinkommt, dann landet man im Personalpool. Es kann sein, dass man dann einen Anruf bekommt von unserer Personalabteilung, wenn die eine Stelle frei haben, die auf das jeweilige Profil passen könnte. Und bei mir war das so eben der Fall. Und ich bin dann erst durch die zweite Bewerbung zwei Jahre später in die Crew gekommen.
Was für eine Stelle wurde Ihnen denn angeboten?
Es gibt mittlerweile relativ viele Möglichkeiten, bevor man die Attachée Ausbildung macht, ins Auswärtige Amt reinzuschnuppern, zum Beispiel während eines Pflichtpraktikums. Bei mir war es so, dass ich einen auf zwei Jahre befristeten Vertrag als syrische Länderreferentin hatte. Das war sehr spannend. Ich war zuständig für syrische Innenpolitik, die syrische Opposition, syrische Kurden und die Friedensverhandlungen in Genf.
Nachdem es dann beim zweiten Mal geklappt hat: Was war bisher Ihr Höhepunkt der Ausbildung?
Das Spannendste ist der Austausch, den wir hier haben. Zum einen mit den Kolleginnen und Kollegen aus meiner Crew, die ganz unterschiedliche Dinge schon erlebt haben. Und gleichzeitig der Austausch mit anderen jungen Diplomatinnen und Diplomaten aus anderen Ländern. Wir haben zum Beispiel mehrere Besichtigungsfahrten gemacht nach Frankreich, nach Den Haag, nach Brüssel. In den nächsten zwei Wochen steht außerdem eine weitere Besichtigungsfahrt an, die eine Hälfte von uns fährt nach Wien und die andere Hälfte nach Genf und Bern. Dieser Austausch mit unseren europäischen Kolleginnen und Kollegen ist etwas, bei dem man sehr viel mitnehmen kann, wie zum Beispiel deren Perspektiven auf unterschiedliche Themen.
Freuen Sie sich auf die Zeit nach der Ausbildung, wenn es richtig los geht?
Ich hab da ein lachendes und ein weinendes Auge, weil das auch bedeutet, dass dieser Abschnitt in Tegel dann vorbei ist. Das ist eine sehr intensive Zeit, in der man die Kolleginnen und Kollegen sehr gut kennengelernt hat und das bedeutet eben auch, dass wir uns bald in alle Welt verstreuen. Das ist sehr schade. Andererseits habe ich vor kurzem den Anruf bekommen, wohin es geht. Das kann ich jetzt hier noch nicht verraten, nur so viel: Es wird spannend und ich freu mich drauf.
Können Sie noch etwas über die Crew, also Ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Ausbildung, erzählen?
Wir haben ganz unterschiedliche Hintergründe: Die Altersspanne ist sehr groß und dementsprechend unterscheiden sich auch die Erfahrungen, die wir gemacht haben. Manche waren jahrelang als Entwicklungshelfer im Ausland, andere haben in Anwaltskanzleien gearbeitet und wieder andere kommen frisch von der Uni.
Ich habe gelesen, dass sie während der Ausbildung alle zusammen wohnen?
Wir haben hier einen wunderschönen Campus am Rande von Berlin, direkt am Tegeler See. Im Sommer gehen wir gemeinsam schwimmen, grillen oder machen Sport. Im Winter kann es aber ehrlich gesagt auch etwas einsam sein, so weit außerhalb im Wald. Für große Abwechslung sorgen Simon, unser Akademie-Kater, eine kleine Fuchsfamilie und zahlreiche Wildschweine.
Wie schauen Sie auf die Zeit nach der Ausbildung? Besonders mit Blick auf Ihr Privatleben und Partnerschaften. Sie müssen ja alle drei Jahre Ihre Stelle und das Land wechseln.
Also ich glaube das ist etwas, bei dem jeder für sich selber gucken muss, ob man sich das vorstellen kann, bevor man sich beim Auswärtigen Amt bewirbt. Das ist auf jeden Fall eine Lebensentscheidung. Ich habe für mich entschieden, dass ich mir das sehr gut vorstellen kann. Es ist auf jeden Fall sinnvoll, wenn man vorher schon eine längere Zeit im Ausland war, über Erasmus oder was anderes, um das besser einschätzen zu können.
Unsere Personalabteilung nimmt aber auch Rücksicht auf die Berufstätigkeit der Partnerinnen und Partner. Oder wenn zum Beispiel ein Kind gerade im Alter ist, in dem es das Abitur macht. Dann wird schon berücksichtigt, dass das Kind eine deutsche Schule besuchen kann.
Haben Sie schon langfristige Ziele? Möchten Sie später Konsulin oder Botschafterin werden?
Im Moment möchte ich erst mal den ganzen Instrumentenkasten kennenlernen, den das Auswärtige Amt zur Verfügung stellt und auf den man als Diplomatin zurückgreifen kann. Mit Syrien habe ich ja einen konstanten Krisen- und Konfliktzustand kennengelernt. Ich fände es spannend mich mit Mitteln der Stabilisierung, mit Konfliktnachsorge und -prävention auseinanderzusetzen. Eine andere Weltregion, wie Lateinamerika oder den Balkan kennenzulernen, fände ich auch sehr spannend. Die Menschen sind dort ja bereits in einer Phase der Krisennachsorge. Auch möchte ich die ganzen multilateralen Formate kennenlernen. Wie funktioniert die EU? Wie funktioniert die Nato?
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