Blauer Himmel, Sonne, 35 Grad: Es riecht nach vertrockneter Wiese und Grill. Urlaubsfeeling pur – und das in Dortmund. Auf dem einzigen Campingplatz der Stadt, dem Campingplatz Hohensyburg. KURT-Reporter Till Krause war dort zu Besuch.
Marion Bernoth tropft eine Schweißperle von der Stirn, heute hält sie es in der kleinen Rezeption nur mit Ventilator aus. Gerade nimmt sie neue Gäste aus den Niederlanden auf. Sie möchten Urlaub machen – in Dortmund. Was ungewöhnlich klingt, ist auf dem Campingplatz Hohensyburg ganz normal: „Viele wissen nicht, wie schön das hier ist. Das ist ‘ne Oase“, sagt Marion Bernoth und strahlt.
Der Platz befindet sich im Dortmunder Stadtteil Syburg, mitten im Ardeygebirge. Am Fuße des Platzes fließt die Lenne in die Ruhr und diese wiederum in den Hengsteysee. Wandern, Kanu fahren oder eine Radtour – all das ist hier möglich. Und dann ist da noch die Ruine Hohensyburg: eine alte Burg aus dem Jahr 1150. Vom Campingplatz ist die Burg zu sehen, sie liegt etwa 1 Kilometer Fußweg entfernt auf dem ca. 250 Meter hohen Syberg. Der Aufstieg wird belohnt, mit einem Panoramablick über das Ardeygebirge, die Ruhr und den Hengsteysee.
Besucher könnten glatt vergessen, dass sie in Dortmund sind, wären nicht entsprechende Hinweise auf dem ganzen Campingplatz versteckt: Im Toilettenhaus hängt das Bild einer Zeche und in der Rezeption eines vom Phoenix-See. An einer anderen Wand hängt eine Nachbildung der Dortmunder Skyline, ein Wohnwagen hat eine BVB-Satellitenschüssel auf dem Dach. Auf dem Platz eines besonders mutigen Gastes flattert sogar eine Schalke-Fahne im Wind.
Marion Bernoth arbeitet seit 4 Jahren auf dem Campingplatz. Angefangen hat sie als 450 Euro Kraft, mittlerweile ist es eine halbe Stelle. Bald wird sie Vollzeit auf dem Platz arbeiten. Sie liebt ihren Job: die Freiheit, den Kontakt zu den Leuten, das Leben in der Natur.
Urlauber aus Dortmund und Neuseeland
Viele der Urlauber auf dem Campingplatz kommen aus der direkten Umgebung. So auch Familie Rosenbaum. Ina Rosenbaum macht hier mit Mann, Hund und Zelt für ein paar Tage Urlaub. Weit weg ist ihr Zuhause nicht: Die Dortmunderin lebt mit ihrer Familie im Stadtteil Hörde. „Meine Mama wohnt im Heim in Dortmund, deshalb muss ich immer erreichbar und schnell verfügbar sein“, erklärt sie. „Wir haben den Platz im Internet gefunden. Die Idee war: In der Nähe bleiben und trotzdem ausspannen.“ Da sei dieser Campingplatz perfekt.
Und obwohl die Rosenbaums nicht weit weg sind von zu Hause, seien sie in einer ganz anderen Welt: „In Dortmund Hörde stellst du dein Fahrrad ab und vergisst abzuschließen, zack weg. Hier kannst du deine Wertsachen offen liegen lassen und nichts passiert.“ Der Erholungsfaktor sei hier genauso groß, wie in jedem anderen Urlaub auch, vielleicht sogar größer, weil man unnötigen Reisestress vermeide und es nicht so voll sei, wie in den Touristenhochburgen, findet Ina Rosenbaum.
Aber auch Besucher aus der Ferne haben Interesse am Campingplatz Hohensyburg. Die Rosenbaums haben schon Polen und Besucher aus der Mongolei kennengelernt. „Vor ein paar Wochen waren sogar Urlauber aus Neuseeland bei uns auf dem Platz“, erklärt Marion Bernoth. Letztes Jahr seien Besucher aus Brasilien da gewesen. Und Europäer seien sowieso immer unter den Gästen: Dänen und Schweden kämen oft auf der Durchreise in den Süden auf den Platz. „Niederländer und Schweizer machen oft auch richtig Urlaub hier bei uns“, erzählt sie. Neu sei in diesem Jahr, dass viele Franzosen auf den Platz kämen.
Besonders beliebt: Campingfässer
Das Telefon klingelt. Ein Mann möchte eines der Schlaffässer für das nächste Wochenende buchen. Das sind riesige Fässer, umgebaut zu Unterkünften. Zwei Stück gibt es davon auf dem Platz. Sie liegen auf einer Wiese direkt hinter der Rezeption. Marion Bernoth muss den Mann am Telefon enttäuschen: Die Fässer sind ausgebucht. Das passiert immer wieder, erklärt sie, denn die Fässer seien sehr beliebt: „Die Leute müssen nur einen Schlafsack mitbringen und dann kann man hier schöne Tage verbringen.“ Es gibt einen ausziehbaren Tisch, ein Bett und zwei Bänke. Und natürlich das besondere Ambiente.
Wieder klingelt das Telefon. Ein Mann möchte nächste Woche während einer Radtour für eine Nacht auf dem Campingplatz schlafen. Solche Anfragen seien keine Seltenheit, erklärt Bernoth: Der Ruhrtalradweg führt direkt am Campingplatz vorbei. Deshalb zieht es viele Fahrradfahrer, aber auch Kanufahrer während ihrer mehrtägigen Touren für eine Nacht auf den Platz.
In den vergangenen Wochen hatte Bernoth viel zu tun: „Letzte Woche“, schätzt sie, „ging bestimmt 100 Mal das Telefon an einem Tag. Das ist kein Zuckerschlecken.“ Aber sie behält den Spaß bei der Arbeit: „Die Umgebung ist wunderschön, von 100 Menschen sind 99 gut drauf. Das ist der beste Job, den ich je hatte und ich habe schon einiges gemacht.“
Hunderte Dauercamper
Die meisten Gäste des Campingplatzes sind Dauercamper: 240 der 350 Parzellen sind von ihnen belegt: Einige sind schon seit Jahrzenten hier, so auch Gerd und Elke Hencke. Sie kennen den Campingplatz so gut wie kaum jemand, seit 1975 steht ihr Wohnwagen hier. Eigentlich wohnen die beiden in Wuppertal, aber jedes Jahr um die Osterzeit zieht es sie für den Frühling und den Sommer auf den Campingplatz.
Für die Henckes ist Dortmund der ideale Standort zum Dauercampen: Am Rhein zum Beispiel gebe es ein großes Problem: „Da muss man zu oft abbauen, wegen Hochwasser. Normalerweise ist mindestens zweimal im Jahr Abbauen angesagt. Bis die Ruhr hier oben bei uns ist, das dauert“, erklärt Gerd Hencke. Und auch die Anfahrt von Wuppertal sei einfach und in 30 Minuten geschafft. Manchmal, wenn es auf dem Platz zu laut ist, setzten sich die beiden einfach ins Auto und fahren für eine Nacht nach Hause.
Seit ihrem „Einzug“ vor über 40 Jahren hat sich viel verändert: „Wir haben jetzt dieses nette Mädchen hier“, sagt Gerd Hencke und zeigt auf Marion Bernoth. Alle lachen. Aber das sei nicht die einzige Änderung: „Am Anfang da gab es noch Hoesch und wenn die nachts den Ofen aufmachten, da war hier alles rot. Die Luft war wesentlich schlechter.“ Hoesch war ein großes Stahlunternehmen mit Sitz in Dortmund. Bei der Herstellung von einer Tonne Stahl entstanden über 8 Kilo Staub und viele andere Abgase, die in der Luft landeten und sie zum Leuchten brachten. Mittlerweile ist Hoesch Geschichte, deshalb habe der Campingplatz sehr viel Aufenthaltsqualität dazugewonnen.
Anfänge durch Wildcamper
Angefangen hat alles in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals sind viele Leute aus der Stadt zur Erholung an die Ruhr gefahren und haben auf den Ackerflächen wild gezeltet. Nach und nach wurde deshalb die Ackerfläche zum Campingplatz umgebaut. Heute ist der Campingplatz 10 Hektar groß, eine Fläche so groß wie 14 Fußballfelder.
Herr Rosenbaum kommt bei den Henckes vorbei. „Guten Tag“, grüßt er die beiden. Die Henckes und die Rosenbaums haben sich bereits kennengelernt: Die Rosenbaums lagern ihre Kühlakkus für die Kühlbox bei den Henckes im Kühlschrank. Solche Situationen würden das Leben auf dem Campingplatz ausmachen, findet Gerd Hencke: „Im Hotel laufen immer alle mit erhobener Nase rum“, sagt er und drückt seine Nase mit dem Finger hoch. „Auf dem Campingplatz gibt’s das nicht. Hier ist es kameradschaftlich.“ Elke Hencke ergänzt: „Man hat immer direkt Kontakt zu anderen Leuten, manchmal sitzt man auch abends zusammen, grillt und trinkt einen“, sie lacht.
BVB-Spiele sorgen für vollen Campingplatz
Während der Zeit auf dem Campingplatz haben die beiden schon sehr viel erlebt, vor allem, weil der Platz im Ruhrgebiet liegt. So wird er häufig bei Veranstaltungen als günstige Hotelalternative genutzt. „Wenn in Dortmund was los ist, dann ist auch hier viel zu tun“, erzählt Bernoth. „Vor ein paar Wochen bei diesem Pokémon-Event war der Campingplatz komplett voll. Lauter junge Menschen aus ganz Europa waren hier. Für den Kirchentag im nächsten Jahr haben wir jetzt schon reichlich Anmeldungen.“ Auch Messen und Events in den Westfalenhallen oder das Juicy Beats-Festival sorgen stets für viele Gäste auf dem Campingplatz.
Ein großer Besuchermagnet seien auch die Fußballspiele: „Die Atmosphäre während der Weltmeisterschaft 2006 war fantastisch“, sagt Elke Hencke. Auf dem Campingplatz seien Gäste aus aller Welt gewesen. „Alle haben sich gut verstanden und zusammen gefeiert, das war richtig schön“. Einmal sei ein junger Mann zu den beiden gekommen und habe gefragt, ob er mit frühstücken könne, das WM-Motto sei doch schließlich „Die Welt zu Gast bei Freunden“. „Und dann hat er Frühstück von uns bekommen“, erzählt Gerd Hencke.
Auch die BVB-Spiele sorgen regelmäßig für einen vollen Campingplatz: Besonders voll war es im Mai 2011, als der BVB nach vielen Jahren wieder Deutscher Meister wurde: „Die Dortmunder haben Fans aus ganz Deutschland und die waren alle hier, der ganze Campingplatz war schwarzgelb“, erklärt Gerd Hencke. Auch zu normalen Heimspielen kämen viele auf den Platz, so Marion Bernoth. Viele würden den Stadionbesuch direkt mit einem kleinen Camping-Urlaub verbinden.
Platz für Berufstätige
Der Platz wird auch von Berufstätigen genutzt: Aktuell wohnen drei Monteure auf dem Platz. Ein Monteur kommt zum Beispiel aus Viersen. Er wohnt schon 3 Jahre auf dem Platz. Für ihn ist es günstiger, unter der Woche auf dem Platz zu schlafen und nur am Wochenende nach Hause zu fahren. Einmal habe sogar jemand aus beruflichen Gründen im Winter auf dem Platz gezeltet, erzählt Marion Bernoth.
Wie kalt es im Winter auf dem Platz werden kann, weiß sie aus eigener Erfahrung: Drei Monate hat sie einmal auf dem Platz gelebt, in einer kleinen Hütte, 18,5 qm groß, von Oktober bis Januar. „Ich war froh, als ich wieder eine Wohnung hatte, das ist nämlich zu kalt.“ Bernoth bewundert all die Dauercamper, die es auch im Winter auf dem Platz aushalten: „Einige kommen über Weihnachten zu uns, die gehen dann auf den Weihnachtsmarkt und verbringen hier die Feiertage.“
Aber bis die Temperaturen wieder im Minusbereich sind, auf dem Platz Schnee liegt und der große Dortmunder Weihnachtsbaum leuchtet, wird es noch einige Zeit dauern. Jetzt genießen Marion Bernoth und all die Urlauber erst einmal den warmen Sommer – in Dortmund.
Teaser- und Beitragsbild: Dieter Menne, weitere Fotos: Till Krause