Missbrauch von Marktmacht? Kartellamt geht gegen Facebook vor

Das Bundeskartellamt hat seit Jahresbeginn bereits viermal so hohe Strafen verhängt wie im gesamten vergangenen Jahr 2017. Besonders im Visier haben die Wettbewerbshüter die Digitalwirtschaft. Nun wollen sie weitere Schritte gegen Facebook und Amazon wegen Missbrauchs ihrer Marktmacht einleiten, kündigte Behördenchef Andreas Mundt am Montag in Bonn an. 

Schon vor zweieinhalb Jahren hat das Kartellamt ein Verfahren gegen das vermeintliche Monopol Facebook gestartet. 2018 möchten die Kartellwächter Konsequenzen ziehen. Auch wenn in diesem Fall keine Bußgelder verhängt werden dürfen – Folgen für das größte Soziale Netzwerk der Welt könnte es trotzdem geben: Die Bonner Behörde kann das Unternehmen zwingen, einige Dinge in ihrer Strategie zu unterlassen, beispielsweise das Sammeln von Nutzerdaten über WhatsApp oder Instagram.

Bundeskartellamt

Das 1999 in Bonn gegründete Bundeskartellamt um den Präsidenten Andreas Mundt gehört zum Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministers und hat mehrere Aufgaben:

  • Überwachung des Kartellverbots (ein Kartell ist ein abgestimmtes Verhalten zwischen Unternehmen zum Zwecke der Wettbewerbsbeschränkung, wie Absprachen über Preise, Mengen oder Zielgruppen)
  • Vergabe und Prüfung von öffentlichen Aufträgen an Unternehmen
  • Fusionskontrolle (eine Fusion ist der Kauf einer Firma durch ein anderes Unternehmen)
  • Missbrauchsaufsicht marktbeherrschender Unternehmen

Das Kartellamt darf Bußgelder aussprechen, bei Missbrauch von Marktmacht allerdings nur Unterlassungen oder Schadensersatz.

Missbrauch von Marktmacht?

Facebook wird vorgeworfen, seine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen. Alleine in Deutschland sind nach Angaben des Unternehmens jeden Monat 30 Millionen Menschen auf der Kommunikationsplattform aktiv, rund 23 Millionen dabei täglich. Der Marktanteil beträgt damit etwa 65 Prozent. Nach deutschem Recht ist ein Unternehmen marktbeherrschend – ist also ein Monopol – wenn es eine überragende Marktstellung hat. Diese wird laut des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bereits ab einem Marktanteil von 40 Prozent vermutet.

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Für andere Anbieter ist es beinahe unmöglich, mit Facebook zu konkurrieren. Fast alle Freunde und Bekannte sind auf Facebook, warum sollten Nutzer also zu einem anderen Sozialen Netzwerk wechseln? Insbesondere, da die Seite auch noch erfolgreiche Tools anderer Firmen kopiert, beispielsweise die Foto-Storys von Snapchat.

Mitgliederdaten bringen Geld

Facebook verdient an der hohen Mitgliederzahl viel Geld, denn für die Daten der User, die Facebook zu Werbezwecken weitergibt, wird einiges bezahlt. Genau an der Stelle liegt das große Problem: In erster Linie geht es den Wettbewerbshütern im Verfahren um das Sammeln von Nutzerdaten aus Drittseiten wie den eigenen Tochterunternehmen WhatsApp oder Instagram. Die User dürfen nur beitreten, wenn sie die Datensammlung akzeptieren.

Das Missbrauchspotenzial der marktbeherrschenden Stellung in den Sozialen Netzwerken ist hoch: Durch Behinderungsmissbrauch wie Nachahmung oder Übernahme von anderen Firmen (Instagram, WhatsApp) wird verhindert, dass andere Marktteilnehmer größer werden. Die Weitergabe von Daten zu Werbezwecken bezeichnen Experten als Ausbeutungsmissbrauch. Auf Facebook könnte beides zutreffen. “Wir sind dabei, uns mit den Antworten von Facebook intensiv zu beschäftigen”, sagte Mundt. Das Onlinenetzwerk bestreitet bisher, ein Monopol in Deutschland errichtet zu haben und verweist lediglich auf Popularität. Das sei etwas anderes als eine dominante Marktstellung. Nach eigenen Aussagen kooperiert das Unternehmen mit der Behörde.

Warum darf das Kartellamt überhaupt amerikanische Unternehmen prüfen?
Das Bundeskartellamt darf gegen US-Unternehmen ermitteln, wenn die Entscheidungen und Aktionen der Firmen Auswirkungen auf Deutschland haben oder es Tochterunternehmen hierzulande hat. Das trifft sowohl bei Facebook als auch bei Amazon zu. Beide Online-Konzerne sind bei deutschen Internet-Usern sehr verbreitet.

Beschwerden gegen Amazon

Auch auf den Online-Versandhändler Amazon hat es das Kartellamt abgesehen. Es soll geprüft werden, ob das Unternehmen auf seiner Plattform den Wettbewerb anderer Händler behindert. Dabei geht es um die Frage, welche Beziehung zwischen dem eigenen Verkaufshändler Amazon und den Händlern, die die Plattform für ihre Produkte nutzen, besteht. Laut Mundt würden der Behörde einige Beschwerden vorliegen.

Der Fall Birkenstock
Der deutsche Schuhhersteller Birkenstock hatte bereits Anfang dieses Jahres die Zusammenarbeit mit Amazon eingestellt. Das Unternehmen hatte demnach Anzeigen geschaltet, die bei der Google-Suche mit Begriffen wie “Brikenstock”, “Birkenstok” oder “Bierkenstock” ausgespielt wurden und auf Amazon-Angebote mit teils offenbar gefälschten Birkenstock-Schuhen verlinkten. Das Landgericht Düsseldorf entschied, dass der Verbraucher nicht ahnen könne, dass er nicht bei der Originalmarke landen würde. Amazon darf Kunden nun nicht länger mit Tippfehler-Werbung auf seine Angebote lenken.

Digitale Wirtschaft immer mehr im Fokus

Digitale Prozesse finden beinahe in jedem Unternehmen statt. Sie treten immer häufiger in digitale Märkte ein und vergrößern ihr Angebot. Beispielsweise Google, anfangs lediglich eine Suchmaschine, arbeitet mittlerweile auch in Feldern wie Betriebssystemen, Hardware oder auch Haustechnik. Jüngst wurde das Unternehmen von der Europäischen Kommission zu einer Rekord-Kartellstrafe von 4,3 Milliarden Euro verdonnert.

Es ist unsere Aufgabe, Märkte offen zu halten, damit (…) Unternehmen auch künftig die Chance haben, mit neuen Ideen erfolgreich zu sein.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes

Sorgen macht den Behörden vor allem der Missbrauch von marktmächtigen Stellungen. Deshalb wurden 2017 viele Veränderungen im Kartellrecht umgesetzt.

Gesetzesänderungen
Seit Sommer 2017 findet auch Wettbewerb zwischen Marktteilnehmern statt, wenn kein Geld fließt – Stichwort Nutzerdaten. Außerdem werden mittlerweile auch Firmenübernahmen in der digitalen Welt, wie der Kauf von WhatsApp durch Facebook, geprüft. Bisher untersuchten die Kartellwächter nur ab einem gewissen Umsatz der gekauften Firma. Erfolgreiche Startups konnten so von größeren Unternehmen leicht gekauft werden. Da viele Plattformen aber kostenlose Angebote sind und ihr Geld durch Daten machen, gilt jetzt eine Kaufpreis-Schwelle von 400 Millionen Euro.

Rekordverdächtige Bußgelder 2018

Das Bundeskartellamt hat in den vergangenen acht Monaten bereits Bußgelder in Höhe von 272 Millionen Euro gegen 17 Unternehmen und 13 Privatpersonen verhängt. Das geht aus der am Montag veröffentlichten Pressemitteilung zum Jahresbericht 2017 der Behörde hervor. Die Höhe der verhängten Strafen ist schon jetzt vier Mal so hoch wie die Gesamtsumme 2017.

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Besonders das Ende der sogenannten “Wurstlücke” habe die Arbeit der Wettbewerbshüter erleichtert, so Mundt. Unternehmen hatten bis Mitte 2017 durch Umstrukturierung die Möglichkeit, sich Strafen zu entziehen. Einzelne betroffene Tochterunternehmen konnten einfach vom Markt verschwinden. Bekanntester Fall war das “Wurstkartell”. Mittlerweile haften Konzerne jedoch als Ganzes. Das Kartellamt hatte daher einige Verfahren zurückgestellt, die nun wieder ans Licht kamen.

Der Fall Wurstkartell
Das “Wurstkartell” war ein Fall, bei dem 22 Wursthersteller um den deutschen Unternehmer und Aufsichtsratsvorsitzender von Schalke 04 Clemes Tönnies verbotene Preisabsprachen zu Ungunsten der Verbraucher trafen. 2014 verhängte das Kartellamt ein Bußgeld von insgesamt 338 Millionen Euro.

Die hohe Summe im Jahr 2014 hat neben dem “Wurstkartell” weitere Gründe: Zum einen wurde 2011 eine weitere speziell auf die Kartellverfolgung spezialisierte Beschlussabteilung ins Leben gerufen. Zum anderen wurde 2012 ein neues System erstellt, nach dem Insider anonym Hinweise auf mögliche Absprachen geben können. Falls sie zusätzlich namentlich auftreten, erhalten sie die Chance, straffrei aus der Sache herauszukommen.

Es bleibt abzuwarten, wie hoch die Summe am Ende des Jahres ausfällt. Bußgelder für Facebook werden zwar nicht hinzukommen, allerdings wird das Soziale Netzwerk möglicherweise seine Strategie in Bezug auf Nutzerdaten ändern müssen. Auch das kann schmerzhaft sein – weniger Daten bedeuten womöglich weniger Werbeeinnahmen.

Stellungnahme des Bundestages zum Facebook-Verfahren des Bundeskartellamts
“Zum Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung”, vom 19. April 2018

Beitrags- und Teaserbild: pixabay / CCO

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1 Kommentare

  1. says: Helena

    Ich wundere mich, was das Bundeskartellamt an Bußgelder verdient. Trotz solcher Statistiken kommt es bei großen Unternehmen und digitalen Angeboten zu Absprachen und Machtmissbrauch auf dem Markt. Danke für die interessante Info über die Arbeit des Kartellamtes!

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