Er ist möglicherweise der letzte Universalgelehrte der Menschheit: Leonardo Da Vinci. Am 2. Mai vor fünfhundert Jahren starb der gebürtige Italiener in einem französischen Schloss. In seinen Lebenstagen entwarf Da Vinci unzählige Werke. Unter all seinen hinterlassenen Manuskripten kann man die Orientierung leicht verlieren. Deshalb lohnt es sich, die von ihm am stärksten bearbeiteten Disziplinen einmal kompakt zu betrachten.
Doch eine gewisse Vorsicht ist geboten: Der immense Erfinderkult um Da Vinci entstand erst im 20. Jahrhundert, als Teil einer Propagandamaschinerie Mussolinis, der in der faschistischen Diktatur die Überlegenheit des italienischen Volkes darbieten wollte und Da Vinci für seine Zwecke unter anderem in Ausstellungen instrumentalisierte.
Kritik wird laut, unter anderem durch den Wissenschaftsautor Matthias Eckoldt, etwa an der Konstruktion Da Vincis Panzers, seines U-Boots oder seiner Flugschraube, die wohl vollkommen untauglich seien. Und vielleicht auch wohl nichts weiter waren als Leonardos Methode, etwas zu lernen, oder ihm gefiel die Idee an sich, da nichts davon in physischer Form von ihm umgesetzt worden ist. Allerdings gibt es auch Beispiele, in denen Leonardos Skizzen in der Praxis erprobt wurden. Der Brite Adrian Nicholas baute einen spitz zulaufenden Fallschirm im Jahr 2000 getreu der Originalzeichnungen nach und überstand den Absprung aus rund 3000 Metern.
Es liegt die Vermutung nahe, dass Da Vinci die Konzeptionen aus anderen Büchern, die in seiner Bibliothek standen, übernahm und durch sein malerisches Talent der Perspektive, als Skizze darstellte. Als Plagiat wäre es trotzdem nicht zu sehen, denn er beabsichtigte nicht deren Veröffentlichung. Es scheint so, als wären manche dieser Zeichnungen nichts anderes als Vokabeln, die er zu studieren versuchte.
Ein Grund, warum er vielleicht nicht ganz dem Bild des großen Erfinders gerecht wird, ist, dass er unheimlich chaotisch arbeitete, seine Notizen sporadisch in seine Büchlein schrieb und an so vielen Dingen interessiert war, dass er nur wenig des Erdachten zur Vollendung brachte. Unangefochten ist aber wohl unter anderem seine malerische Genialität. Der vielseitig interessierte Gelehrte war trotz einer fast schon nötigen Abmilderung seines Kultes ohne Zweifel ein Mann, bei dem es sich lohnt, ihn noch einmal in das kollektive Gedächtnis zu rufen.
Anatomie (Physiologie)
Da Vincis Interesse galt unter anderem der Funktionsweise des menschlichen Körpers. Er soll dutzende Leichen seziert haben, obwohl dies gegen damalige Gesetze verstieß. Seine Forschungen mündeten in berühmten Werken, die unter anderem die Muskelapparatur des Menschen behandeln.
Hydrologie (Hydrogeologie)
Da Vinci zeigte sich auch begeistert vom Wasser. Es faszinierte ihn als allgegenwärtigen Lebensspender. Er fragte sich, welche Wasserkreisläufe und welche Gezeiten es gibt. Er plante viele Dinge, die mit Wasser in Verbindung stehen: etwa Pumpen oder Versorgungssysteme.
Malerei
Leonardos Paradedisziplin war wohl die Malerei. Er wurde schließlich nicht grundlos einer der bekanntesten Künstler der Renaissance. Manche seiner Werke sind wohl fast jedem geläufig.
Mechanik/Ingenieurarbeiten
Vor allem im Bereich der Kriegsgeräte, der Flugapparatur und der Vogelforschung, lassen sich einige Manuskripte von Leonardo finden, auch wenn es eher fraglich ist, inwieweit sich die Erfindungen und Gedanken Leonardo zuschreiben lassen.
Philosophie
Bei seiner Leidenschaft für die Forschung rund um das Lebenselixier Wasser und wegen des Wissensdursts nach der Funktionsweise des Muskelapparats von Mensch und Tier und vielen anderen naturwissenschaftlichen Interessensfeldern, ist es nicht gerade überraschend, dass sich Da Vinci besonders der Naturphilosophie widmete.
Die Theorie ist der Feldherr – die Praxis sind die Soldaten.
– Leonardo Da Vinci
Auch wenn er möglicherweise nicht ganz das Universalgenie war, das er heute im Volksmund zu seien scheint, so war er doch ein hochinteressierter Universalgelehrter, der in allem Bewegung erkannte und die spätere Welt vielleicht doch ein wenig dynamischer machte. Die Wahrheit um Da Vincis wissenschaftliche Identität liegt wohl irgendwo zwischen einmaligem Universalgenie und einem einfachen Gelehrten.
Beitragsbild: Selbstporträt Da Vinci/ Royal Library of Turin/ wikimedia commons, Vitruvianischer Mensch: Luc Viatour/ wikimedia commons , Fötus-Studien: wikimedia commons, Wasser-Studien: wikimedia commons, Das letzte Abendmahl: wikimedia commons, Mona Lisa: Louvre/ wikimedia commons, Flugmaschine:wikimedia commons