Pressefreiheit in Pakistan – zwischen Zensur und Selbstzensur

 

Offen sagen, was man denkt, kritische Artikel lesen und darüber diskutieren – für uns in Deutschland ist das ganz normal. Zum internationalen Tag der Pressefreiheit guckt sich Kurt deshalb ein Land an, in dem Pressefreiheit alles andere als selbstverständlich und kritische Berichterstattung nur sehr schwer möglich ist.

“Als meine Internetseite blockiert wurde, war ich gerade in Bangkok. Ich bekam einen Anruf und habe gesehen, dass mein Blog aus dem Netz genommen wurde.” Farhan Janjua guckt leicht zur Seite und verschränkt die Arme vor seinem Oberkörper: “Ich wusste in dem Moment, dass ich nicht zurück gehen kann.”

Heute, am 3. Mai, ist internationaler Tag der Pressefreiheit, aber international ist die Pressefreiheit nicht. In vielen Ländern auf der ganzen Welt werden Journalisten unterdrückt, verhaftet und sogar getötet. Was in Deutschland selbstverständlich und sogar durch Artikel 5 des Grundgesetzes und viele weitere Gesetze festgelegt ist, gilt in vielen anderen Ländern nicht. Ein Beispiel dafür ist Pakistan. Farhan Janjua ist ein pakistanischer Journalist und der Digital Editor der Daily Times in Pakistan, einer Online-Nachrichten Plattform. Wirklich nachrichtlich ist seine Berichterstattung oftmals aber nicht. “In meinen Artikeln erzähle ich den Leuten, was sie auf Netflix gucken sollen, anstatt über die Situation in Pakistan zu berichten. Ich bin darin wirklich schlecht muss ich sagen, aber oft habe ich einfach keine Wahl”, sagt Farhan.

 


Farhan Janjua hat über zehn Jahre lang als Journalist in Pakistan gearbeitet.

Nachdem sein Blog, den er neben seiner Arbeit führt und der sich vor allem an homo- und bisexuelle Leser richtet, zwei mal von der pakistanischen Regierung blockiert wurde, kam Farhan nach Deutschland, denn er hatte Angst. Derzeit macht er ein Auszeit-Stipendium bei Reporter ohne Grenzen und berichtet dort über seine Erfahrungen.

Sein Heimatland Pakistan steht in diesem Jahr auf Platz 142 von 180 auf der Weltrangliste der Pressefreiheit. Diese Liste wird jedes Jahr von der NGO “Reporter ohne Grenzen” herausgegeben. Durch Fragebögen, die an Journalisten aus der ganzen Welt verteilt werden, ermittelt sie den Stand der Pressefreiheit in den einzelnen Ländern. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle.

http://twitter.com/ReporterOG/status/1118756090580295683

So funktioniert die Rangliste von Reporter ohne Grenzen
Reporter ohne Grenzen verschickt Fragebögen in die ganze Welt an Korrespondent*innen, Journalist*innen, Wissenschaftler*innen, Jurist*innen und Menschenrechtsaktivist*innen.

Mit insgesamt 117 Fragen wollen sie so die Situation der Pressefreiheit in den einzelnen Ländern abfragen. Die Fragen beziehen sich zum Beispiel auf die Medienvielfalt, die journalistischen Rahmenbedingungen und das Arbeitsumfeld, die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Staats- und Recherchefreiheit. Die einzlenen Länder werden dann miteinander verglichen und eine Rangliste erstellt.

Die Organisation ist aber auch nicht frei von Kritik: Zum Beispiel wird Reporter ohne Grenzen eine selektive Berichterstattung in Bezug auf die Pressefreiheit vorgeworfen. Sie würden sich bei westlicheren Ländern oder Ländern, die mit Deutschland oder der USA in Verbindung stehen, eher zurückhalten.

Neben der Rangliste von Reporter ohne Grenzen gibt es auch noch weitere Ranglisten, die die Pressefreiheit in verschiedenen Ländern darstellen. Ein Beispiel hierfür ist der Freedom of the Press Bericht von der amerikanischen NGO Freedom House. Hier ist Pakistan auf Platz 141 von 198.

Staatsfreiheit der Medien

Ein wichtiger Aspekt ist zum Beispiel, ob die Regierung in die nachrichtliche Berichterstattung eingreift. In Deutschland ist auch das verfassungsrechtlich geregelt. Der Grundsatz der Staatsferne besagt, dass den Medienanstalten in Deutschland eine unabhängige Berichterstattung ermöglicht werden muss. In Pakistan gibt es so ein Gesetz nicht, im Gegenteil: Vor allem die staatlichen Rundfunkanstalten “Pakistan Radio” und “Pakistan Television” werden streng von der Regierung überwacht. “Die Regierung sagt dem Chefredakteur jeden Tag, worüber berichtet werden darf und worüber nicht. Wenn wir uns nicht daran halten, werden die Nachrichten gelöscht oder zensiert”, erzählt Farhan. Während seiner Arbeit wurde er schon oft gezwungen Nachrichten, die er veröffentlicht hatte, wieder zu löschen: “Das, was ich da geschrieben habe, hat einfach nicht zu der Meinung der Regierung gepasst und dann wird es eben auch nicht veröffentlicht.” Nachrichten von außerhalb Pakistans würden zwar helfen, so Farhan, aber auch sie würden zensiert und geblockt.

Wirklichen Journalismus gibt es bei uns eigentlich nicht.

Farhan Janjua

 

Meinungsfreiheit

Um diesen “wirklichen Journalismus” zu gewährleisten, muss es zunächst einmal ein Recht auf freie Meinugsäußerung geben. In  Pakistan gibt es ein Gesetz, dass dem der Meinungsfreiheit in Deutschland durchaus ähnlich ist. Jedoch heißt es in Artikel 19 der pakistanischen Verfassung, dass eine freie Meinungsäußerung nur “unter dem Vorbehalt begründeter Einschränkungen durch Gesetze im Interesse der Wahrung der Ehre des Islam, … der öffentlichen Ordnung, des Anstands und der Moral” möglich  ist.  Äußern sich pakistanische Journalisten kritisch zur Regierung oder zur Religion oder sprechen andere Tabuthemen an, steht es der Regeirung frei, diese Meinungsäußerungen zu ahnden. Und das tut sie mit Verhaftungen, Verschleppungen und Folter. Seit dem Jahr 2000 wurden in Pakistan über 100 Journalisten getötet, derzeit sind laut Reporter ohne Grenzen zwei Journalisten inhaftiert. “Im Endeffekt versucht man nur, seinen Job zu machen und dann kommt die Regierung und sagt: ‘wie kannst du nur?'”, sagt Farhan.

Selbstzensur

Aus diesem Grund neigen viele Journalisten dazu, nur noch unverfängliche Themen zu veröffentlichen. “Sogar die Nachrichtensprecher im staatlichen Fernsehen singen und tanzen lieber in ihren Shows, als Nachrichten zu vermitteln”, erzählt Farhan. Mit seinem Blog wollte er etwas verändern. “Für sexuelle oder religiöse Minderheiten gibt es keine Öffentlichkeit in Pakistan. Die Leute leben versteckt, es gibt keine Möglichkeit der sexuellen Aufklärung oder des Austausches. Das wollte ich durch meinen Blog ändern.” Aber die Regierung wollte nicht. Sie blockierte Farhans Blog zwei mal hintereinander und er wurde überwacht. “Ich bekam Anrufe von verschiedenen Telefonnummern, aber es war immer die selbe Stimme, die nach Informationen von mir verlangte. Ab dem Zeitpunkt bekam ich wirklich Angst.” Kurze Zeit später hat er Pakistan verlassen.

Bis Ende Mai ist Farhan noch in Deutschland. Was er danach macht, weiß er noch nicht. “Ich wollte immer Journalist werden. Zuhause gab es deshalb auch oft Streit. Meine Eltern wollten eigentlich, dass ich auf eine business school gehe und trotzdem habe ich mich durchgesetzt. Aber wenn ich jetzt nach Pakistan zurückgehe, weiß ich nicht, ob ich dann noch als Journalist arbeiten kann oder werde.” Trotzdem gibt Farhan nicht auf. Auf seinem Blog “Voice of the Internet” veröffentlicht er weiterhin  auch kritische Nachrichten rund um und über Pakistan.

 

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