Alle Jahre wieder kommt der Sommer – und damit hoffentlich auch immer ein Urlaub. Eine der wichtigsten Fragen: Wie kommen wir ans Urlaubsziel? Am besten dann auch noch nachhaltig, für das gute Umwelt-Gewissen. Das Flugzeug fliegt da schonmal aus der engeren Auswahl, auch das Auto ist bei Fernreisen eine ziemliche Dreckschleuder. Also bleibt bei langen Reisen nur noch der Zug. KURT erklärt, wohin er fährt, wie lange die Reise dauert, was für Zugarten möglich sind und wie sich so eine Zugreise überhaupt anfühlt.
Bjarne (19) und Matthias (23) wissen darüber gut Bescheid. Die beiden Informatikstudenten haben letztes Jahr die ganz große Runde gemacht: Von Deutschland ging es über Dänemark und Schweden nach Norwegen, zu den Lofoten. Von dort aus nach Schottland und schließlich nach Amsterdam in den Niederlanden.
Warum eigentlich mit dem Zug in den Urlaub?
Ein anderes Verkehrsmittel als der Zug kam für die beiden nicht in Frage. „Wenn ich ins Flugzeug steige, sehe ich den Flughafen in Frankfurt und den in Antalya, aber was dazwischen ist, bekomme ich nicht mit. Beim Zug sammele ich unterwegs schon ganz viele Eindrücke und bekomme erst einmal eine Vorstellung davon, welche Strecken ich zurücklege“, sagt Bjarne. Auch die Aussicht sei gerade in Norwegen schön gewesen. Das hätten sie im Flugzeug nicht sehen können, sagen sie.
Besonders abenteuerlich: Als der Zug eine Dreiviertelstunde hinter ein paar Kühen herfahren musste. „Wir sind dann ganz langsam gefahren und der Zug hat die ganze Zeit gehupt wie verrückt. Wir können kein Schwedisch und wussten gar nicht, was los war“, sagt Bjarne.
Zugfahren ist gut für die CO2-Bilanz
Ihnen sei aber auch wichtig gewesen, möglichst umweltfreundlich zu reisen, sagen sie. Auch sonst würden sie sehr viel Zug fahren. Aber wie sieht die Ökobilanz einer Bahnreise im Vergleich zum Auto aus?
Das hat das Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) in Heidelberg für das Umweltbundesamt errechnet. Während ein mittelaltes Benzinauto auf 100 km etwa 20 kg CO2 ausstößt, sind es beim Flugzeug etwa 21 kg pro Person auf 100 km. Im Fernverkehr der Deutschen Bahn werden auf der gleichen Strecke etwa 3,6 kg CO2 freigesetzt, ein Fernbus kommt auf 2,3 kg.
Vorsicht bei Werbeversprechen
Zwar werben sowohl der Fernverkehr der DB als auch Flixtrain damit, dass sie Ökostrom verwenden. Das ist aber ein rechnerischer Wert. Auch die DB und Flixtrain haben natürlich den gleichen Strom wie die S-Bahn oder der Regionalexpress, also auch zu einem gewissen Anteil zum Beispiel mit Kohlestrom. Sie kaufen nur Ökostrom in der Menge zu, die ihre Züge verbrauchen, und speisen ihn ins Netz ein. Würden diese Züge also nicht fahren, könnte der Ökostrom an anderer Stelle Kohlestrom ersetzen. Knapper wird es, wenn der Zug mit Diesel statt Strom fährt, wie zum Beispiel der Zug von Hamburg nach Sylt oder in Richtung Dänemark. Dann wird der Unterschied zwischen Zug und Auto kleiner. Aber: Während dein Auto nur für dich fährt, würde der Zug sowieso fahren. Je mehr Menschen also den Zug nutzen, desto geringer wird der CO2-Ausstoß pro Kopf.
Lohnt sich Interrail?
Bjarne war zur Zeit der Reise 18 und hatte ein Interrail-Ticket gewonnen. Die EU verlost in ihrem Programm #DiscoverEU jährlich mehrere Tausend Fahrkarten. Sein Freund Matthias war mit 22 schon zu alt und kaufte sich selbst einen Pass.
Interrail kennen viele vermutlich noch aus den Erzählungen ihrer Eltern. Das Ticket hat Kultstatus. Wer sich eins der Tickets gekauft oder es gewonnen hat, darf damit bis zu 33 europäische Länder bereisen. Aber Vorsicht: Es gibt Regeln: Je nach Ticketart dürfen Reisende nur eine bestimmte Anzahl von Tagen Zug fahren, in einem bestimmten Zeitraum. Beim laut Betreiber meistgekauften Ticket sind es so beispielsweise sieben Tage innerhalb eines Monats. Die jeweiligen Fahrtage müssen dann vor der Fahrt auf dem Ticket eingetragen werden. Mit einem stolzen Preis von 251 Euro (ca. 36 Euro pro Tag) ist es auch nicht immer die günstigste Reisemöglichkeit.
Mit den Interrail-Tagen haushalten
Dieses Ticket hatten auch Bjarne und Matthias. Die beiden erzählen, dass sie deshalb mit den Tagen gehaushaltet haben. Sie haben also jedes Mal geschaut, was weniger kostet: Ein normales Ticket kaufen oder einen Interrail-Tag verwenden. Bei der Fahrt von Amsterdam zurück nach Deutschland kostete so ein günstiges normales Ticket weniger als ein Interrail-Tag. Also hätten sich die beiden den Tag aufgespart und ein paar Tage nach der Reise nochmal einen Ausflug in einen Freizeitpark damit gemacht, erzählen sie.
Einen weiteren Haken hatte das Ticket: Im eigenen Land dürfen nur zwei Tage gefahren werden, also quasi raus und wieder rein. Deshalb haben Bjarne und Matthias einmal das Flugzeug nehmen müssen, sagen sie. Der Weg von Norwegen nach Schottland wäre mit der Bahn nur durch Deutschland durch gegangen, südlich vorbei hätte zu lange gedauert. „Den CO2-Ausstoß haben wir natürlich kompensiert“, rechtfertigen sie sich sofort. Trotz der Umstände sagen die beiden, dass sie nochmal mit einem Interrail-Ticket verreisen möchten.
Wie gut sind Nachtzüge?
Eine andere Art zu reisen, die gerade ein Comeback erlebt, sind Nachtzüge. Sie fahren über Nacht und sollen so Reisen fast ohne Zeitverlust ermöglichen: Statt im Hotel zu schlafen und tagsüber zu fahren, können Reisende während der Fahrt schlafen. Oft fahren sie besonders langsam und halten unterwegs mehrmals lange, um möglichst erst am nächsten Morgen anzukommen. Von der Deutschen Bahn Ende 2016 eingestellt, sichert sich jetzt vor allem die Österreichische Bundesbahn den deutschen Nachtzugmarkt. Sie bietet beispielsweise Verbindungen von Düsseldorf nach Wien und Innsbruck an. Ab München geht es nach Rom, Venedig, Zagreb, Budapest und Rijeka an der Kroatischen Mittelmeerküste.
Die Züge sind meist in Schlaf-, Liege- und Sitzwagen unterteilt. In den Schlaf- und Liegewagen der ÖBB gibt es Betten bzw. Liegen und Waschbecken in jedem Abteil und im Waggon Duschen und Toiletten, morgens dann auch ein Frühstück. Beim Schlafwagen sind Frühstück und Abteil größer und es gibt zusätzlich einen Weckservice. Alleinreisende oder kleinere Gruppen können sich die Abteile entweder mit anderen teilen oder sie gegen einen Aufpreis alleine nutzen. Die beiden Abteilarten eint aber, dass sie einen Aufschlag auf den Ticketpreis kosten. Die gesamte Reise kann da schnell über 100 Euro pro Person kosten.
Bald auch per Nachtzug nach Schweden?
Während die Verbindungen in den Süden also relativ üppig sind, sieht es in Richtung Norden noch mau aus. Das könnte sich bald ändern: Die Schwedische Verkehrsbehörde empfiehlt in einer Studie einen Nachtzug von Brüssel über Köln nach Malmö und zurück. Unterwegs könnte es unter anderem über Kopenhagen gehen. 2022 könnten hier die ersten Züge rollen.
Wer günstiger davonkommen möchte, kann sich mit einem Sitzwagen zufriedengeben. Das sind ganz normale Zugabteile mit Sitzplätzen. Auch die Deutsche Bahn lässt einige ICEs über Nacht fahren, allerdings ohne Betten. Der ICE 619 fährt beispielsweise gegen 21 Uhr in Dortmund los und kommt um etwa 6 Uhr in München an. Er ist etwa drei Stunden länger unterwegs als der normale ICE, der die Strecke tagsüber befährt. Auch für die Rückfahrt aus München gibt es so eine Verbindung, sie fährt um Mitternacht in München los und kommt gegen 8 Uhr in Essen an. Ähnliche Verbindungen gibt es ab Dortmund auch nach Basel und Berlin. Eine Übersicht über die anderen Nachtfahrten der DB gibt es hier.
Wer im Sitzwagen über Nacht reist, sollte einen festen Schlaf haben, sagt Bjarne: „Ich habe da kaum geschlafen. Weil ich am Gang saß, sind mir da ständig irgendwelche Koffer gegen die Beine gefahren.“ Im Schlaf- oder Liegewagen würden die beiden aber wieder fahren. Das haben sie auf der Fahrt von Stockholm, Schweden, nach Narvik im Norden von Norwegen gemacht. „Ich habe da meine eigene Kabine, kann mich da ausruhen, hinlegen, über Nacht an meine Destination kommen“, sagt Matthias. Bjarne ergänzt: „Ich finde das Schlafen im Zug auch angenehmer, das Rattern ist ganz nett. Mit dem Flugzeug hätten wir einen Tag mit Reisen verbracht und so haben wir uns quasi einen Hotelaufenthalt gespart.“ Das ist der Vorteil am Nachtzug: Die Reisezeit geht quasi nicht verloren.
Mehr Züge diesen Sommer
Aber es muss gar nicht über Nacht in alle Welt gehen: Auch Deutschland ist schön. Gerade jetzt zu Corona-Zeiten wollen viele auch Urlaub im eigenen Land machen. Darauf hat die Bahn reagiert und schnell neue ICE-Linien für den Urlaub eingeführt. Eine davon fährt über Hamm: Von dort aus bringt euch ein ICE freitags bis sonntags nach Emden und Norddeich, auch zu den Fähren nach Borkum, Juist und Norderney. Die Rückfahrten starten in Ostfriesland samstags bis montags jeweils am späten Vormittag. Außerdem gibt es zusätzliche Züge nach Tirol und Rügen, die aber nicht im Ruhrgebiet halten.
Nachteil: Der Preis
Einen klaren Nachteil hat der Zug gegenüber dem Flugzeug: Der Preis. Während sogar Flüge nach Malle oft ab 10 Euro beworben werden, startet das günstigste Ticket der Bahn im ICE bei knapp 18 Euro (ohne BahnCard). Aber auch hier gibt es ein paar Tricks, wie ihr günstiger davonkommt.
Je früher ihr bucht, desto günstiger ist es
Aber auch ohne Gutscheinaktion gibt es einige Dinge, auf die ihr achten solltet. Grundsätzlich gilt: Je früher, desto günstiger. Die Spar- und Supersparpreise der DB zum Beispiel werden je nach Nachfrage immer weiter teurer. Auch bei Flixbus und Flixtrain werden die Preise nach dem guten alten Prinzip Angebot und Nachfrage festgelegt. Wenn ihr also wisst, wann Ihr fahren wollt, solltet ihr so schnell wie möglich buchen. Dabei kann es sich lohnen, auch morgens oder abends zu fahren, da die Züge dann eher nicht so voll und die Fahrkarten günstiger sind.
Wer also beim Buchen etwas aufpasst, kommt mit dem Zug nicht nur günstig weg, sondern erlebt unterwegs auch spannende Geschichten und ist umweltfreundlich unterwegs. Bjarne und Matthias waren vom Interrail-Trip so begeistert, dass diesen Sommer direkt die nächste Zugreise ansteht: In die Slowakei, nach Tschechien und Kroatien. Hoffentlich dieses Mal ohne Kühe im Gleis.
Fotos: Bjarne Rest und Matthias Werning