Kommentar: Darum sollten wir wissen, wie Wissenschaft Wissen schafft

Sondersendungen zu Covid-19, Push-Nachrichten zu Infektionen, Kommentare zu Antikörper-Tests – alle reden über das Virus. Gerade jetzt ist es deshalb wichtig zu vermitteln, wie Wissenschaft funktioniert und wie Forscher*innen arbeiten.

Nicht nur das Interesse an Wissenschaft ist im Moment riesig. Viele Menschen vertrauen der Wissenschaft auch aktuell: Im Mai waren es laut Wissenschaftsbarometer 66 Prozent der Befragten, im April waren es sogar 73 Prozent.

Wissenschaft besteht nicht nur aus gesammeltem Wissen. Sie ist auch der Prozess, wie Wissen gewonnen wird. Es zählt nicht nur „Forscher*innen haben herausgefunden“, sondern auch wie Forscher*innen etwas herausgefunden haben.

Beispiel Bild vs. Drosten

Warum das so wichtig ist? Ein Beispiel: Am 25. Mai bezeichnete die Bild eine Studie des Virologen Christian Drosten als „grob falsch“. Dabei zitiert die Bild einige Forscher, die die Studie kommentiert hatten und schreibt, die Studie gerate „immer stärker in die Kritik“.

Rainer Bromme, Professor für Pädagogische Psychologie an der Universität Münster, sagte dazu im Tagesspiegel: „Bei manchen der Beteiligten gibt es ein Missverständnis, was Kritik in der Wissenschaft überhaupt bedeutet.“ In dem Fall wohl bei der Bild-Zeitung. Die von ihr zitierten Kritiker haben sich sehr schnell von der Berichterstattung distanziert.

Denn im Wissenschaftsbetrieb ist es normal, dass über Forschungsergebnisse diskutiert wird. Davon bekommt die Öffentlichkeit nur normalerweise nicht so viel mit. Wollen Wissenschaftler*innen einen Fachartikel veröffentlichen, durchläuft dieser zunächst ein sogenanntes Peer-Review-Verfahren. Dabei lesen andere Wissenschaftler*innen den Artikel und geben den Autor*innen Feedback.

Während der Pandemie muss es schnell gehen

Der Artikel kann angenommen oder abgelehnt werden oder die Peer-Reviewer können verlangen, dass die Autor*innen den Artikel überarbeiten. So können im besten Fall Fehler und Probleme entdeckt werden. Diese Diskussion ist also eine wichtige Qualitätskontrolle.

Da es angesichts der Corona-Pandemie im Moment schnell gehen muss, werden viele Studien als sogenannte Preprints veröffentlicht. Preprints sind Vorveröffentlichungen, die das Peer-Review noch nicht durchlaufen haben. Andere Forschende können diese Preprints dann kommentieren, kritisieren und Verbesserungsvorschläge machen. Auch die besagte Studie von Drosten war ein Preprint.

Es ist also legitim, dass andere Wissenschaftler*innen die Studie kommentiert haben. Sie deswegen als „grob falsch“ zu bezeichnen, kann ein grob falsches Bild von Wissenschaft erzeugen. Das Drosten-Bild-Beispiel zeigt also, wie wichtig es ist, dass wir die Prozesse in der Wissenschaft verstehen.

Es ist immer wichtig, Wissenschaft zu verstehen

Im Moment ist es notwendig, zu verstehen, wie Wissenschaftler*innen arbeiten. Aber das ist nicht nur in Pandemiezeiten wichtig. Klimaerwärmung, genetisch veränderte Organismen, Impfen – Diskussionen über Wissenschaft und ihre Konsequenzen sind essentiell. Um einen sinnvollen Diskurs zu führen, muss man deswegen nicht nur die Ergebnisse von wissenschaftlichen Untersuchungen kennen, sondern auch wissen, wie Forscher diese Ergebnisse gewonnen haben. Das ist notwendig, um einschätzen zu können, wie belastbar diese Ergebnisse sind und welche Aussagekraft sie haben.

Nur so kann unsere Gesellschaft Fakten-basierte Entscheidungen treffen. Wissenschaftler*innen müssen ihre Erkenntnisse transparent vermitteln, Journalist*innen müssen das Wissenschaftssystem selbst verstehen und darüber informiert und wir müssen alle lernen, wie Wissenschaft funktioniert.

Beitragsbild: Unsplash/National Cancer Institute

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