Digitale Klausuren: Wie geht es den Studierenden in Dortmund?

Die Vorlesungszeit ist zu Ende, die Klausurphase hat begonnen. Wieder einmal zwang die Corona-Pandemie die Studierenden zum Lernen über Zoom, Webex und Co. Doch nicht nur die Vorlesungen und Seminare fanden online statt – zum ersten Mal setzen die Technische Universität und Fachhochschule Dortmund in diesem Semester auch auf Online-Klausuren. Für manche Studierende ist das eine große Belastung.

Der Weg ist morgens aus dem Schlafzimmer, hier an den Schreibtisch. Ein Abstecher in die Küche. Und das wars“, sagt Maurice. Der BWL-Student der Fachhochschule Dortmund hat bereits eine Klausur geschrieben, sieben weitere Prüfungen stehen in den kommenden Wochen noch an: „Wenn du sonst zur Klausur gefahren bist, hast du dich innerlich darauf vorbereitet. Du bist zur Uni gefahren, hast dich dahin gesetzt und hast dich innerlich darauf eingestellt. Zuhause setzt du dich zwei Minuten vorher hin, loggst dich ein und lädst dir die Aufgaben herunter. Dann machst du die eine Stunde und dann war es das wieder.“

„Du hast absolut nicht mehr dieses Klausurfeeling.“ 

Auch für Tobias stellen die digitalen Klausuren eine Herausforderung dar. „Nach ewigem Hin und Her, Umstellungen und Vereinbarungen entschied sich meine Fakultät für Prüfungen mit minimalen technischen Anforderungen. Man musste sich in einem Zoom-Meeting einloggen und dann die bereitgestellten Aufgaben bearbeiten. Danach Einscannen, abfotografieren und in das Moodle hochladen.“ Er studiert Elektrotechnik und Informationstechnik an der TU Dortmund. Online-Klausuren fühlen sich für ihn nicht wie richtige Klausuren an. „Auch die vermehrte Organisation, die dazu kommt wie zum Beispiel Drucken und Scannen, ist schlicht und ergreifend nervig.“

Hochschulverordnung erlaubt Online-Prüfungen

Die Corona-Epidemie-Hochschulverordnung erlaubt es den Universitäten, Online-Prüfungen durchzuführen. Die Technische Universität und die Hochschule Dortmund nutzen dafür Plattformen wie Moodle, EvaExam Online, Zoom und Webex. Prüfungsaufgaben können dabei sowohl digital als auch auf Papier bearbeitet und anschließend hochgeladen werden. Außerhalb von mündlichen Prüfungen finden vor allem “Open-Book-Klausuren” statt. Dabei ist die Aufgabenstellung so gestaltet, dass kein nachschlagbares Wissen abgefragt wird. Klausuraufsichten und Identifikationsprüfungen sind dabei zulässig. Eine Aufzeichnung ist rechtlich allerdings nicht gestattet. Sollte eine Prüfung gar nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen stattfinden können, kann der Prüfungsausschuss einen Wechsel der Prüfungsform beschließen, so die Verordnung. Alternativen sind dabei zum Beispiel mündliche Prüfungen, Hausaufgaben oder Hausarbeiten.
Das Wintersemester 2020/21 ist bereits das zweite Semester unter Corona-Bedingungen. „Dieses Semester war schon etwas besser”, sagt Maurice. Die Dozenten hätten in seinem Studiengang mehr Live-Vorlesungen angeboten. „Das war im letzten Sommersemester noch nicht so. Es ist aber leider nicht ganz so wie in Präsenz. Und wenn man wie ich jeden Tag von morgens bis Abends vorm Laptop sitzt, dann ist irgendwann auch der Reiz weg“, meint Maurice. 
Dariush studiert Energiewirtschaft an der Fachhochschule Dortmund. Ihm hingegen gefällt die digitale Lehre besser als die Präsenzvorlesungen: „Die Online-Veranstaltungen waren für mich in diesem Semester mega gut. Ich muss meistens immer Vormittags oder Nachmittags arbeiten. Diesmal habe ich mir dadurch aber keine Sorgen gemacht, weil die Videos hochgeladen wurden und ich die danach zuhause anschauen kann.” Wenn man irgendetwas nicht versteht, könne man sich die Videos mehrfach anschauen. Dariush: „Ich kann so viel, viel besser lernen.“ 

Zusätzlicher Stress für Studierende

Dipl.-Psychologe Michael Semeraro. Foto: privat.

Das ist aber nicht bei allen Studierenden so. Vor allem Erstsemester leiden nach ihren Umzug in eine fremde Stadt unter den aktuellen Bedingungen. Soziale Kontakte, die das Studium und die Vorbereitung auf Klausuren mit begleiten, seien deutlich eingeschränkt, sagt Diplom-Psychologe Michael Semeraro. Die digitale Lehre birgt nämlich auch Gefahren: „Durchaus kann das Online-Lernen und Online-Klausuren bei Studierenden vermehrt zu Unsicherheitsgefühlen bis hin zu Ängsten führen. Es kann ein zusätzlicher Stressfaktor für die Studierenden sein und zu einem Überforderungserleben führen. Zum Beispiel, wenn die IT-Technik nicht einwandfrei funktioniert.

Um die stundenlange Belastung am Schreibtisch auszugleichen, versuchen manche Studierende einen passenden Ersatz zu finden. „Ich muss immer noch irgendwas zum Ausgleich machen. Du bist vom Vorlesungstag im Kopf total kaputt. An sich hat man aber eigentlich nicht viel gemacht. Und der Körper ist wie ein aufgedrehtes kleines Kind und sagt: ‘Lass uns was machen’“, meint Maurice. Er geht mehrmals in der Woche joggen.

Die Online-Vorlesungen zerren auch an Tobias Nerven: „Das größte Problem der Online-Lehre ist für mich der Trott, in dem man verfällt. Neben Aufstehen, vor dem Computer setzen und Lernen ist natürlich nicht viel möglich. Das stört mich immens in meiner Konzentration aber auch in meiner Motivation zu lernen.” Dieser Trott würde durch Präsenzveranstaltungen immerhin durchbrochen. 

TU Dortmund plant hybrides Sommersemester

Wann Präsenzveranstaltungen wieder möglich sind, hängt im wesentlichen von den Maßnahmen der Regierung ab. Zudem spielt insbesondere der örtliche Inzidenzwert eine Rolle, der in Dortmund zurzeit unter 50 liegt. „Wir gehen im Moment davon aus, dass man auch im April immer noch Abstand halten muss. Bis durchgeimpft ist, wird man Abstand halten müssen. Und solange das eine Bedingung ist, können wir Hörsäle nicht voll besetzen und auch nicht im vollen Präsenzbetrieb arbeiten“, sagt TU-Pressesprecherin Eva Prost. Die Universität rechne in jedem Falle damit, dass das Sommersemester ein hybrides wird – eine Mischung aus Präsenz und Online. „Wir haben die Lehrenden schon darauf eingestimmt, dass wir davon ausgehen, dass der Präsenzanteil am Anfang deutlich geringer sein wird, als er gegen Ende des Semesters sein könnte“, so Prost.

„Lehre nach Corona wird nicht exakt die gleiche wie vor Corona“

Dass die Online-Lehre auch Vorteile wie Flexibilität bietet, das weiß auch TU-Pressesprecherin Eva Prost: „Wir sind eine Präsenzuniversität. Wir möchten keine Fernuniversität werden. Nichtsdestotrotz zeigt sich aber gerade, dass in bestimmten Situationen die Online-Lehre auch von Vorteil sein kann.“ Aktuell geht die TU davon aus, dass die Lehre nach Corona nicht exakt die Lehre wie vor Corona sein wird. „Da kann man tatsächlich auch die Digitalisierung nicht zurückdrehen.“

Maurice hofft dennoch, dass der Unialltag bald wieder wie früher wird: „Ich wünsche mir Präsenzunterricht, aber ich gehe davon aus, dass es nicht funktioniert.“ Inwieweit es auf dem Dortmunder Campus im Sommersemester ein Stück weit Normalität gibt, bleibt erstmal ungewiss.
Beitragsbild: Pixabay
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