Warum wir über Geld reden müssen

Die Generation Z ist offen, politisch und vernetzt. Kaum ein Thema ist für sie ein Tabu. Wenn es um Geld geht, wird es trotzdem schnell unangenehm. Genau das ist für unsere Zukunft fatal, denn immer weniger Menschen kümmern sich um ihre Finanzen. Warum Geld auf dem Sparbuch weniger wird und wie wichtig Altersvorsorge ist, erfahrt ihr hier. 

„Anastasia, du kennst dich doch mit Aktien aus, oder?“ Ich bin verwirrt. Es ist ein Abend im September – wir sitzen zu dritt im Wohnzimmer und trinken Bier. Gerade haben wir noch über das neue Semester spekuliert. Jetzt verlassen wir plötzlich den sicheren Boden der studentischen Themen. Über Finanzen reden? Das ist neu.

Es ist nicht so, als würden wir in der Gruppe keine ernsten Gespräche führen – nur dann geht es meistens um Politik. Über Geld reden wir nie. „Worum geht’s denn?“, frage ich zögernd, denn auch ich bin neu auf dem Gebiet. Der Freund druckst ein wenig herum und erzählt dann, dass seine Eltern ein Aktiendepot für ihn haben und er sich jetzt nach nachhaltigen Alternativen umschaut. Es folgt ein Gespräch voller Halbwissen und Spekulationen. Auch der andere Freund ist keine Hilfe – er starrt seit Beginn des Gesprächs aus dem Fenster.

Sicher ist: Unsicherheit, unangenehme Gesprächseinstiege und Ahnungslosigkeit gibt es nicht nur bei mir im Freundeskreis, wenn es um Geld und Finanzen geht.

Alles interessanter als die Finanzen

Die Hälfte aller jungen Menschen zwischen 16 und 25 Jahren redet ungern über Finanzen. Das ergab eine Studie im Auftrag der Bank Comdirect. Nummer eins der Gesprächsthemen bleibt der Urlaub, gefolgt von den Klassikern Schule und Beruf. Dieses Schweigen über Finanzthemen muss sich ändern. Wir alle müssen mehr über Geld reden.

Schließlich ist es jungen Menschen offenbar wichtig, zu sparen. Alle legen fleißig Geld zur Seite. Laut einer Studie der Deutschen Bank 2019 sparen 85 Prozent der 14- bis 25-Jährigen. Das Sparbedürfnis nimmt dabei zu – ein Jahr zuvor waren es noch 81 Prozent, die Teile ihres Einkommens sparten. Das Problem ist aber nicht, dass gespart wird, sondern wie: Schön konservativ, wie schon die Großeltern einst, nutzen 64 Prozent der 14- bis 25-Jährigen eine Spareinlage, also ein Sparplan oder ein Sparbuch für ihr Geld.

Auf dem Sparbuch ist das Geld sicher und jederzeit abrufbar. Schlau angelegt ist es so aber nicht. Durch die Inflation steigen die Preise für Waren und man kann sich über die Jahre für denselben Geldbetrag weniger leisten. Anders gesagt: Wer sein Geld auf einem Sparbuch liegen lässt, könnte genauso gut jeden Monat einen Teil davon in den Kamin werfen. Die verschwindend geringen Zinsen sind der Grund dafür. In den meisten Fällen liegen diese bei rund 0,01 Prozent und gleichen den Wertverlust durch die Inflation nicht aus.

Es ist Unwissenheit, die junge Menschen vollkommen aufs Sparbuch vertrauen lässt. Als sicherer Baustein hat das Sparbuch auch Vorteile – sofern nicht das ganze Vermögen dort liegen bleibt. Das ist jedoch zu oft der Fall. Nur 29 Prozent nutzen laut Deutscher Bank Alternativen wie ein Tagesgeldkonto. Auf einem Tagesgeldkonto erhalten Sparer*innen im Schnitt wenigstens etwas bessere Zinsen als auf dem Sparbuch. Außerdem können sie flexibler auf das angesparte Geld zugreifen.

In Aktien investiert nur ein Zehntel der 14- bis 25-Jährigen. Wer sein Geld schlau in Aktien anlegt, kann das Ersparte vermehren. Wichtig ist, sich der Risiken immer bewusst zu sein. Denn es geht nicht darum, junge Menschen zu animieren, blind in Anlagemöglichkeiten zu investieren, von denen sie keine Ahnung haben. Ein offener Umgang mit Finanzen und ein Austausch im eigenen Umfeld können aber ein Anreiz sein, sich mit dem eigenen Sparverhalten überhaupt erst einmal auseinander zu setzen.

Bei all den Forderungen nach offenen Gesprächen. 17 Prozent der Befragten der Comdirect-Studie können maximal zehn Euro im Monat zur Seite legen. Gespräche über Finanzen sollen stets respektvoll sein. Wer weniger hat, darf von niemandem ausgegrenzt werden.

Altersvorsorge erledigt sich nicht von allein

Wenn junge Leute übers Geld reden, sollten sie auch über ihren Ruhestand sprechen. Über die Rente denken die wenigsten mit Anfang 20 nach. Dabei ist es wichtig, früh genug die Altersvorsorge zu thematisieren. Denn so schön es auch mal war, viel bleibt von der gesetzlichen Rente bald nicht mehr übrig.

Das liegt an dem Konzept der Finanzierung. In Deutschland funktioniert die gesetzliche Rentenversicherung nach dem Umlageverfahren. Die jetzigen Erwerbstätigen zahlen für die Rentner*innen in die Rentenkassen ein und lassen sich später von der zukünftigen Generation finanzieren. Das Problem dabei: Die Älteren werden älter und die Geburten gehen zurück. Es gibt also weniger Leute, die länger mehr finanzieren müssen.

Das Rentensystem hat jetzt schon riesige Lücken. Pro Jahr fehlen um die 100 Milliarden Euro, die der Staat aus dem Bundeshaushalt dazugeben muss. Das sind um die 30 Prozent der gesamten Staatsausgaben in einem Jahr.

Von der Altersvorsorge wollen viele junge Menschen allerdings nichts wissen. Nur jede*r Zweite im Alter von 17 bis 27 Jahren kümmert sich überhaupt darum, Tendenz sinkend. Das attestiert die Studie des Versorgungswerks MetallRente. Besonders für Frauen kann die fehlende Vorsorge fatale Folgen haben. Sie übernehmen meist die Arbeit im Haushalt und die Pflege von Kindern und Alten.

Diese Care-Arbeit ist im doppelten Sinn unbezahlt. Die Menschen werden gegenwärtig nicht für ihre Arbeit entlohnt und zusätzlich sinken ihre Ansprüche auf höhere Rentenzahlungen. Frauen beziehen im Durchschnitt ein um 400 Euro geringeres Alterseinkommen, inklusive betrieblicher und privater Sicherung, als männliche Rentner. Dies bestätigte die Deutsche Rentenversicherung 2019.

Dass junge Menschen zu wenig Ahnung von Finanzen haben, wissen um die 20 Prozent selbst. Sie sehen ihr eigenes Finanzwissen mindestens als mangelhaft an, so die Comdirect-Studie. In Schulnoten geben sich die 16- bis 25-Jährigen durchschnittlich eine 3,3. Abgesehen davon, dass die Unwissenheit erhebliche Folgen für die Vorsorge hat, ist es auch schlicht und ergreifend sozial unverträglich, junge Menschen mit ihrer Finanzbildung allein zu lassen. Denn was passiert? Sich mit Finanzen auseinanderzusetzen erfordert Zeit. Und diese Zeit muss man sich leisten können.

Im besten Fall haben die Eltern auch schon vorgesorgt und einen passenden Finanzplan erarbeitet. Dass die Familie ein ausschlaggebender Faktor bei der Finanzbildung der Kinder ist, zeigt auch die Comdirect-Studie. Dort gaben die Befragten an, dass sie sich am meisten in der Familie über Geldanlagen informieren. Rund ein Drittel vertraut dem familiären Umfeld.

Am einfachsten und fairsten wäre es, wenn die Finanzbildung dort anfängt, wo grundlegende Bildung generell hingehört: in der Schule. Losgelöst von der sozialen Herkunft diskutieren dann Klassen während der Unterrichtszeit über Sparanlagen und Altersvorsorge.

Traumjob oder doch nur Lohnarbeit

Über Geld zu reden ermöglicht uns nicht nur, bewusster mit den eigenen Finanzen umzugehen. Es hilft auch bei der Frage: Wie viel werde ich in meinem Beruf mal verdienen? Wie schön die Vorstellung auch klingt, später mal einen Traumjob zu haben, in dem die Bezahlung keine Rolle spielt – am Ende geht es auch in diesem Bestfall darum, dass wir für die Arbeit einen fairen Lohn erwarten können.

Das Gehalt nicht als Priorität bei der Berufswahl anzusehen, ist ein Privileg. Viele können sich das nicht leisten. Sie müssen abwägen, ob es sich gehaltstechnisch lohnt, nach dem Bachelor noch den Master hinterherzuschieben. Das bedeutet nämlich für viele, sich weitere zwei Jahre mit schlecht bezahlten Nebenjobs zu begnügen. Beim späteren Hauptberuf unterscheiden sich Gehaltsvorstellungen und tatsächlicher Lohn oft stark. Dies bestätigt das Trendence Institut, ein unabhängiges Beratungs- und Marktforschungsunternehmen, das explizit Männer im Studium befragte.

So schätzten die befragten Studenten der Fächer Wirtschaftswissenschaften, Ingenieurswesen, Informatik und Naturwissenschaften ihr Einstiegsgehalt um zehn Prozent höher ein, als es am Ende war. Also, lasst uns kein Geheimnis daraus machen, was wir verdienen.

Ein offener Umgang ist dabei nur der erste Schritt. Wir müssen dafür nicht abends bei einem Feierabendbier die Login-Daten unserer Bankaccounts austauschen. Es geht mehr darum, ein Bewusstsein zu schaffen, dass durch das Tabuthema Geld viele wichtige Probleme in unserer Gesellschaft in den Hintergrund rücken. Sei es die ungleiche Bezahlung, die Unwissenheit beim eigenen Sparverhalten oder die fehlende Altersvorsorge. Nur wenn wir reden, können Taten und ein Umdenken in der Gesellschaft folgen.

 

Beitragsbild: unsplash/ Jonny Mckenna

Ein Beitrag von
Mehr von Anastasia Zejneli
Bund und Länder verschärfen Lockdown bis Mitte Februar
Die Kanzlerin und die Ministerpräsident*innen haben am Dienstagabend (19.01.) die bundesweiten Corona-Maßnahmen...
Mehr
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert