Queerness und Sport: „Man kann Fußball und Politik nicht trennen“

Gehören Themen wie Gender und sexuelle Orientierung auf den Sportplatz? Die UEFA war mit dieser Frage in den vergangenen Tagen zwangsläufig konfrontiert. Eine europaweite Studie stellt fest, dass knapp 82 Prozent der befragten LGBTI*-Personen im Sportkontext schon einmal wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Genderidentität beleidigt wurden.

Bevor Qendresa aus Köln in einen Frauenfußballverein eingetreten ist, hatte sie eigentlich keine Berührungspunkte mit der queeren Community. Erst durch ihr sportliches Umfeld hat sie eine Anlaufstelle gefunden, an die sie sich mit ihren aufkommenden Gefühlen gegenüber Frauen wenden konnte. Sie sagt, in ihrer Familie habe sie das Thema gut zehn Jahre lang nicht ansprechen können.

Qendresa Ademaj ist durch ihren Sportverein das erste Mal mit der queeren Community in Kontakt gekommen. Foto: privat

Im Verein hat es Pärchen gegeben und das sei für alle cool und normal gewesen, erzählt sie. „Mit 15 habe ich mich selbst das erste Mal verliebt. Ohne diese Berührungspunkte zur Community hätte ich meine Gefühle vielleicht so nicht zuordnen können“, sagt die 27-Jährige, die sich selbst als queer bezeichnet.

Studie: Befragte beklagen Homo- und Transphobie

Qendresas Mannschaft hat ihr den Rücken gestärkt und sie unterstützt. Sie selbst hat bisher kaum Diskriminierung auf dem Sportplatz erlebt. So positive Erfahrungen machen aber nur die wenigsten queeren Menschen, wie die Outsport-Studie von 2018 ergeben hat. Dafür wurden europaweit über 5.500 LGBTI*-Personen befragt. Sie stellt fest, dass etwa 90 Prozent der Befragten Homo- und vor allem Transfeindlichkeit im Sport als Problem sehen.

81,9 Prozent der Befragten konnten in den zwölf Monaten vor der Befragung homo- oder transfeindliche Sprache bezeugen. Am häufigsten kam diese von Mitspieler*innen und anderen Teilnehmer*innen. Die Studie „Out on the fields“ hat 2015 Homophobie im Sport in sechs englischsprachigen Ländern untersucht und kommt dabei zu ähnlichen Ergebnissen. Hier hatten 80 Prozent der knapp 9.500 Befragten homophobe Beleidigungen miterlebt oder waren selbst davon betroffen.

„Man kann Fußball und Politik nicht trennen. Solange vor dem Gesetz nicht alle gleich sind, zum Beispiel bei der Adoption eines Kindes, muss es auch solche symbolischen Aktionen geben“ – Qendresa

Christian Rudolph ist Mitinitiator der Sportpride und Mitglied im LSVD-Bundesvorstand. Foto: Caro Kadatz

Um mehr Sichtbarkeit zu schaffen und Diskriminierung im Sport zu begegnen, haben verschiedene Verbände den Hashtag #Sportpride ins Leben gerufen. Initiiert haben die Aktion unter anderem der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) und die Fußballfans gegen Homophobie.

Prominente Unterstützer*innen der Aktion sind auch größere Sportverbände wie die Deutsche Eishockey-Liga, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und das 11Freunde-Magazin. „Mit der Aktion wollen wir den Sport dazu auffordern, das ganze Jahr aktiv zu sein und nicht nur im Pride Month“, erläutert LSVD-Bundesvorstand und Mitinitiator Christian Rudolph.

Ringen um Positionierung im Profifußball

In den kommenden Wochen plant die Sportpride daher weitere Events. Am Donnerstag Abend findet auf ihrer Facebook-Seite eine Online-Talkrunde mit Sportler*innen unter dem Titel „Football has no Gender“ statt. Für Samstag steht eine digitale Demonstration auf dem Plan und am 8. Juli gipfelt die Sportpride mit einer kritischen Auseinandersetzung zur Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar.

Die Reaktion der UEFA, das Münchner Stadion nicht in den Regenbogenfarben zu beleuchten, bezeichnet Christian Rudolph als „beschämend“. Dass die UEFA später ihr Logo in selbige Farben änderte, reicht für ihn nicht aus: „Es zeigt, das Branding der UEFA wichtiger ist als ein echtes Statement.“

Die UEFA erklärt die Entscheidung auf ihrer Website damit, dass bereits die Anfrage, das Stadion bunt zu beleuchten, politisch gewesen sei. Dass sie ihr Logo jetzt trotzdem in Regenbogenfarben präsentiert, erklärt sie folgendermaßen: „Für die UEFA ist der Regenbogen kein politisches Symbol, sondern ein Zeichen unseres starken Engagements für eine vielfältigere und inklusivere Gesellschaft.“

Sportwissenschaftlerin, Judith Frohn, von der Bergischen Universität Wuppertal widerspricht: “Sport ist ein gesellschaftlicher Teilbereich und damit auch Teil von gesellschaftlichen Diskursen.”

Konstante Haltung, statt Pinkwashing

Qendresa befürchtet, dass es sich bei der Aktion um „Pinkwashing“ handelt, also eine temporäre Identifikation mit der LGBTIQ*-Bewegung im Pride Monat Juni, um etwa Produkte oder Unternehmen zu bewerben. Sie kann aber nachvollziehen, dass die UEFA sich aus Imagegründen zur Färbung des Logos entschieden hat.

Für sie steht fest: „Man kann Fußball und Politik nicht trennen. Solange vor dem Gesetz nicht alle gleich sind, zum Beispiel bei der Adoption eines Kindes, muss es auch solche symbolischen Aktionen geben.“ Sie wünscht sich aber auf Dauer einen Dialog und eine konstante Haltung zum Thema. Es brauche im Sport eine sichere Atmosphäre, sich outen zu können, aber es gleichzeitig nicht zu müssen.

Beitragsbild: Bild von shauking auf Pixabay

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