Selbstversuch: Ich lebe einen Monat ohne Zucker

Von morgens bis abends nur Gemüse. Den ganzen Tag eintönige Gerichte und so langsam verliert man den Spaß am Essen. So stellen sich viele eine zuckerfrei Ernährung vor. Am Anfang konnte ich mir auch noch nicht vorstellen, zuckerfrei zu leben. Doch der Monat hat mich umgestimmt.

25 bis 50 g Zucker. So viel sollte ein Erwachsener laut WHO höchstens am Tag zu sich nehmen. Der Durchschnittsdeutsche kommt jedoch beim täglichen Verzehr auf die doppelte Menge, und immer mehr Menschen leider unter diesem enormen Zuckerkonsum.

In einem Selbstexperiment möchte ich ausprobieren was passiert, wenn ich einen Monat auf Zucker verzichte. Begleitend zu meinem Versuch habe ich mit Ernährungsberaterin Dr. Brigitte Bäuerlein gesprochen. Als Ernährungsexpertin hat sie mir vorab meine Fragen beantwortet.

Direkt zu Beginn sagt sie: “Ein junger, gesunder Mensch, der sich bewegt und Sport macht, darf auch Zucker essen. Zucker ist kein Gift, sonst wären wir alle tot”. Aber zu großer Zuckerkonsum hat vor allem bei Vorerkrankungen, wie Übergewicht oder einer Vorstufe von Diabetes, viele Folgen.

Wenn man zu viel Zucker isst, führt das in den meisten Fällen zu Übergewicht und überschüssiger Energie, die in Fettzellen eingeschleust und gebunkert wird. Vor allem das Bauchfett sendet durch Interleukine die Nachricht, dass etwas entzündet ist. Diese hormonellen Meldungen führen dazu, dass Insulin nicht mehr gut im Gewebe funktioniert, da sich die Zellen wehren, das Insulin mit dem Zucker reinzulassen.

Das führt dazu, dass das Insulin mit dem Zucker im Blut zirkuliert und es dann zu einem erhöhten Blutzuckerwert kommen kann. Die Bauchspeicheldrüse versucht in diesem Fall mehr Insulin zu produzieren, weil es nicht für den Zuckerabbau reicht. Das führt in der Folge dazu, dass die Bauchspeicheldrüse erkrankt.

“Das sind natürlich dramatische Folgen und da gehört auch noch mehr dazu, wie etwa die Vererbung von Diabetes oder ein schlechter Lebensstil”, so Dr. Bäuerlein. Bei dem oben beschriebenen Ablauf handelt es sich um eine Stoffwechselentgleisung, die metabolisches Syndrom genannt wird.

Fertigprodukte sind verboten

Wenn man komplett auf Zucker verzichtet, bedeutet es wiederum, dass man gleichzeitig auf Lebensmittel verzichtet, die generell nicht so gut sind. Fertigprodukte sollten in meinem Versuch komplett vermieden werden, Zucker hat jedoch viele Gesichter und Namen. Es ist auch Zucker in Lebensmitteln, der nicht deklarationspflichtig ist, dieser muss also nicht als Zucker aufgezählt werden.

Solche Zucker sind zum Beispiel Zuckeralkohole, also Sachen die auf –it enden, wie etwa Xylit. Das ist Birkenzucker, der momentan sehr beliebt ist. So gesund ist er aber nicht, sagt Bäuerlein “ Xylit wird aus Hefen gezüchtet also auch industriell hergestellt. Der einzige Vorteil ist, dass er die Zähne nicht kaputt macht”. Energie bringt er aber trotzdem mit.

Ohne Bedenken essen kann ich alle frischen Lebensmittel wie Obst und Gemüse. Jedoch sollte ich auf den Fruchtzucker achten und nicht zu viel süßes Obst wie Ananas oder Weintrauben essen. Frau Dr. Bäuerlein sagt: “Wenn man morgens zum Müsli eine Banane isst, reicht das eigentlich schon für den ganzen Tag”.

Einschätzend sagt Frau Dr. Bäuerlein, dass ich nach dem Monat einen bewussteren Umgang mit Lebensmitteln haben werde und Lebensmittel vorsichtiger bewerte. Sie kann sich ebenfalls vorstellen, dass ich neue Lebensmittel ausprobieren werde, ich mich fitter fühle und nicht mehr so müde. Das hat mich sehr neugierig gemacht.

Außerdem hat Frau Dr. Bäuerlein gesagt, dass man nicht generell auf Zucker verzichten muss. Wenn man bei den 25 bis 50 g Zucker am Tag bleibt, wäre sogar eine Tafel Schokolade oder eine Packung Kekse drin. “Es ist wie mit allem, wenn man in der Balance bleibt und Zucker in vernünftigen Mengen konsumiert, dann ist das in Ordnung.”

Was mich erwarten wird, ist erstmal die eigene Hemmschwelle zu überwinden. “Wir sind Süßes gewohnt. Man tut sich schwer, das zu verändern”. Das hat auch damit zu tun, wie es in der Familie war, “das prägt”.

Vor dem Versuch habe ich eine Woche lang mein Essen getrackt um zu sehen, was ich normalerweise an Zucker zu mir nehme. Ich esse mittags normalerweise ziemlich zuckerfrei, da wir immer selber kochen. Jedoch kann ich zwischendurch nicht auf Süßigkeiten verzichten. Auch Obst esse ich in der Regel viel.

Wo ist denn der Zucker

Am ersten Tag meines Experiments habe ich noch nicht wirklich etwas gemerkt. Komplett auf Zucker zu verzichten, war zu beginn erstmal hart. Am Anfang war es schwer für mich zu erkennen, in welchen Lebensmitteln Zucker enthalten ist. Deswegen habe ich bei Laura Leser nachgefragt. Sie lebt seit über einem Jahr zuckerfrei und hat die Entscheidung seitdem nicht bereut.

“Es gibt viele Produkte, bei denen einem direkt klar ist, dass sie hinzugefügten Zucker enthalten: Süßigkeiten, Soßen und Marmelade. Aber auch in Wurst, Joghurt und Brot ist leider Industriezucker”, sagt Laura. Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen. Vor jedem Einkauf habe ich mich auf die Suche nach Rezepten gemacht, die zuckerfrei waren.

Der zweite Tag sah schon anders aus: Ich bin mit Kopfschmerzen aufgewacht, die auch nachdem ich viel getrunken habe, nicht besser geworden sind. Die Kopfschmerzen haben sich wie ein roter Faden durch meine Woche gezogen. Am vierten Tag wurde meine Stimmung aber wieder besser: Die Kopfschmerzen waren weg und ich konnte mich wieder voll und ganz auf meinen Alltag konzentrieren.

Etwas, was gerade am Anfang noch immer präsent war, war die Lust auf etwas Süßes. Da kamen meine zuckerfreien Zimtschnecken zum Einsatz. Wie durch Zufall habe ich das Rezept für die Zimtschnecken gefunden und immer, wenn ich doch mal Lust auf etwas Süßes hatte, habe ich diese dann gebacken. Super einfach und schnell gemacht und dazu noch richtig lecker.

Ich habe Laura gefragt, was sie bei Heißhunger gemacht hat und sie meinte, dass sie ein Stück hundertprozentige Schokolade gegessen hat oder Fruchtmus aus der Babyabteilung.

Etwas, das ich in der dritten Woche gemerkt habe, war Energie. Ich habe mich nicht mehr so schlapp und müde gefühlt, wie die Wochen zuvor. Auf einmal wurde ich viel wacher und ich hatte nicht mehr so viel Mühe morgens aus dem Bett zu kommen. Zu Beginn meines Experiments hätte ich damit nicht gerechnet.

Minipizza aus Auberginen

In den vier Wochen habe ich nicht nur viele neue Rezepte kennen gelernt, sondern auch den Spaß am Kochen. Wenn man sich vielfältige Rezepte raussucht, kann man jeden Tag etwas Neues ausprobieren. So habe ich zum Beispiel kleine Minipizzen gebacken, deren “Teig” aus Auberginenscheiben bestand, die ich vorher noch nie gegessen hatte.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass die Einschätzung von Frau Dr. Bäuerlein stimmte. Wenn ich jetzt nach diesem Monat einkaufen gehe, achte ich viel mehr darauf, was ich eigentlich einkaufe. Mein Blick fällt viel öfter auf die Nährstofftabelle und ich achte bewusster darauf, wie viel Zucker in den Lebensmitteln steckt, die ich gerade einkaufe.

Der Zuckerverzicht ist gerade am Anfang eine Umstellung, aber wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, fehlt der Zucker nicht mehr. Mein Fazit zu meinem Selbstexperiment ist also wirklich positiv und ich kann es nur jedem empfehlen, auch mal auf Zucker zu verzichten.

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