Das Erwachen der Dinos: So entsteht ein Skelett

Ein Asteroidenschlag und alles war vorbei: Vor etwa 65 Millionen Jahren starben die Dinosaurier plötzlich aus. Trotzdem lassen sich auch heute immer noch Überreste von den großen Echsen finden. Forschende analysieren dann die gefundenen Knochen. Bis ein Skelett jedoch als Ausstellungsstück in einem Museum oder Dinosaurierpark steht, muss es einen weiten Weg auf sich nehmen . Und auch dann kann es noch vorkommen, dass Forschende das Skelett wegen neuer Erkenntnisse noch einmal neu aufbauen müssen.

Die Hinterbeine aufgestellt, der Schwanz als Stütze für den aufrechten Gang: Wie ein Känguru steht der ungefähr sieben Meter hohe Iguanodon im Naturmuseum Dortmund. Mittlerweile sind sich Forscher*innen sicher, dass sich die Art damals nicht so fortbewegt hat. Symbolisch zeigt das Museum anhand des Skeletts trotzdem, wie sich Annahmen über einen Dinosaurierfund im Laufe der Jahre verändern können.

“Es kommt häufiger vor, dass ein Skelett wieder ab- und neu aufgebaut wird”

Vor 200 Jahren gingen Dinosaurierforscher*innen, auch Paläontolog*innen genannt, davon aus, dass der Iguanodon wie ein Leguan aussehen müsste. “Es gab nur leider keine Bäume, die einen solchen Koloss in ihren Kronen hätten halten können und so änderte sich die Annahme schnell zu einem schwerfälligen Reptil, das auf allen Vieren durch die Gegend schlenderte – ein Schlurfi eben.”, sagt Jan Ilger, Kurator des Naturmuseum Dortmund. Die Ähnlichkeit zum Känguru stellten Forschende in den 1870er-Jahren her. Heutzutage wissen die Dinosaurier-Expert*innen, dass auch dies nur teilweise stimmt und sich ausschließlich Jungtiere auf zwei Beinen fortbewegt haben. Die Älteren liefen auf allen Vieren. “Es kommt häufiger vor, dass ein Skelett wieder ab- und neu aufgebaut wird, da es neue Annahmen zum Aussehen gibt”, erzählt Ilger.

So könnte ein fleischfressender Dinosaurier ausgesehen haben. Foto: Unsplash/Serafima Lazarenko

Wissenschaftler*innen kommen auf den unterschiedlichsten Wegen an die Dinosaurierknochen, sagt Geologe Benjamin Englich vom Dinosaurierpark Münchehagen. Häufig seien es Zufallsfunde, zum Beispiel bei Bauarbeiten oder im Bergbau. Wenn sie systematisch nach Skeletten suchen wollen, schauen sich Forschende gezielt Gesteinsschichten aus den entsprechenden Zeiten der Dinosaurier an. Hinweise dazu, wie alt eine Schicht ist, liefern zum Beispiel Vulkanaschen oder bestimmte Fossilien. Wenn Paläontolog*innen also an einem Ort graben und die Erdschichten untersuchen, können sie herausfinden, ob es sich um Erde aus der Zeit der Dinosaurier handelt. “Solch eine gezielte Suche ist jedoch selten. Häufig sind es Hobby-Paläontolog*innen, die Knochen oder Fossilien finden”, erklärt Englich.

Auf die Verpackung der Knochen kommt es an

Um Knochen zu entdecken, die aus Zeiten der Dinosaurier stammen, müsse oftmals gar nicht gegraben werden, sagt der Geologe. Wenn die Witterungsverhältnisse gut seien, tauchen beispielsweise Knochenteile nach einiger Zeit von selbst an der Oberfläche auf. “Am meisten werden Zähne, Panzer oder Muscheln gefunden”, sagt Englich. Finder*innen sollten so schnell wie möglich eine*n Expert*in zum Beispiel vom Landesmuseum verständigen, erklärt Englich. “Durch das Alter der Knochen sind diese häufig sehr empfindlich und können allein durch Luftkontakt schnell kaputt gehen.”

Vor Ort bereiten Wissenschaftler*innen den Fund für den Transport ins Labor vor. “Zuerst wickeln wir den Knochen in Aluminiumfolie ein. Anschließend wird dieser dann Stück für Stück behutsam in Mullbinden umwickelt”, sagt der Geologe des Dinosaurierparks. Größere Funde befreien Forschende zudem schon an der Fundstelle schrittweise von dem umliegenden Gestein und gipsen es danach ein. “Wir nennen diese Art der filigranen Verpackung ‚Jacket‘”, erklärt er. Wenn Wissenschaftler*innen beispielsweise statt eines großen Knochens fragilere Teile wie einen Schädel finden, befreien sie diese oftmals erst im Labor von dem umliegenden Gestein sorgfältig. Das geschehe mithilfe eines Stichels, einer Stahlnadel, die mittels Druckluft mehrere tausend Male vor- und zurückschlägt.

Zudem müssen nicht alle Knochen an einem Fundort nur zu einem Dinosaurier gehören. Wenn die Tiere beispielsweise in Herden gelebt haben, ließen sich unterschiedliche Knochen von alten und jungen Dinos an dieser Stelle finden. “Wissenschaftler*innen sind in solchen Fällen gezwungen zu unterscheiden, ob es sich nun um zwei oder doch nur eine Art handelt”, erklärt Englich. Häufig würden Dinosaurier auch erst Jahre nach ihrer Entdeckung umbenannt, weil Forschende zu neuen Erkenntnissen gekommen sind.

Dino- oder doch nur Hundeknochen?

Im Labor erleben die Forscher*innen regelmäßig Überraschungen. “Es kommt ziemlich häufig vor, dass Laien Skelette von einem anderen Tier mit dem eines Dinosauriers verwechseln”, sagt der Geologe des Dinosaurierparks. Da die Knochenform bei jedem Tier unterschiedlich sei, müssten Paläontolog*innen jeden Knochen einzeln untersuchen.

Generell spiele in der Paläontologie aber auch die Herleitung eine wichtige Rolle, da Wissenschaftler*innen nie ein komplett erhaltenes Skelett finden. Mithilfe der physikalischen Gesetze, des Wissens, wie Gelenke zusammengehören, damit sie funktionieren und weiterer Annahmen entstehen so die riesigen Echsen, die in den Museen stehen. Skelette zusammenbauen sei quasi wie ein großes Lego, nur ohne Anleitung.

Skelette zu untersuchen ist schwer

Ist das Skelett zusammengesetzt, hören die Untersuchungen aber nicht auf. “Die Forscher*innen untersuchen zudem das Alter der Knochen”, sagt Kurator Ilger vom Naturmuseum Dortmund. Wenn nicht zufälligerweise der Schädel des Skeletts erhalten ist, sei dieses allerdings schwer zu erkennen. Daher müssen die Forschenden entweder in Teile des Knochens bohren, um die Wachstumsstellen aus dem Bohrkern entnehmen zu können, oder den Knochen in dünne Scheiben schneiden und diese mikroskopisch untersuchen. “Sogenannte Wachstumslinien zeigen, wie alt beziehungsweise wie schnell ein Dinosaurier gewachsen ist”, sagt Ilger. Sauropoden, besser bekannt als Langhälse, seien beispielsweise am Anfang ihrer Lebzeit schneller gewachsen, um sich vor Beutegreifern besser schützen zu können. Nicht nur wie alt ein Dinosaurier war, sondern auch wie er sich ernährte, ließe sich durch Laboruntersuchungen herausfinden. Mit der sogenannten Isotopenanalyse können die Atomarten entziffert werden, die in den Knochen des jeweiligen Dinosauriers vorkamen. “Je nachdem, um welche Atomarten es sich handelt, kann das Skelett einem Pflanzen- oder Fleischfresser hinzugeordnet werden”, sagt er.

Dino-Puzzle wird zu fertigem Skelett

Bevor ein Skelett zum Ausstellungsstück wird, muss es händisch aufgearbeitet werden, erklärt Geologe Englich vom Dinosaurierpark Münchehagen. Dadurch, dass sich Böden verschieben, komme es nämlich vor, dass Dinosaurierknochen, die in der Erde vergraben sind, ihre Form verändern. Der Druck der Erde verforme diese mit der Zeit. “Alles ist bis zu einem gewissen Punkt elastisch”, sagt er. “Für die Skelettrekonstruktion ist dies aber eine Herausforderung.”

Manchmal brauche es Monate oder gar Jahre, bis ein Dinosaurierskelett fertiggestellt werden kann. Dafür müssen nämlich alle Knochen gefunden werden. Wenn doch noch ein paar wenige Knochen fehlen, gehen Wissenschaftler*innen unterschiedlich vor. “Manche lassen beabsichtigt eine Lücke im Skelett, um zu zeigen, dass dieses Knochenteil noch nicht gefunden wurde”, erklärt Englich. Andere wiederum rekonstruierten die fehlenden Knochen von bereits bekannten Arten.

Skelette manchmal nur aus Kunststoff

Sobald ein Skelett aufgearbeitet sei, können Wissenschaftler*innen dieses aber nicht weiter erforschen, erklärt Kurator Ilger vom Naturmuseum Dortmund. “Tatsächlich stehen in Museen oder Dinosaurierparks zum Teil nur Nachbildungen aus Gips oder Kunststoff, da viele Skelette zu schwer sind oder eine besondere Lagerung benötigen, damit diese nicht kaputt gehen”, sagt er.

Welche Farben Dinosaurier hatten, ist teilweise unklar. Foto: Unsplash/Stephen Leonardi

Forschende würden häufig die Frage gestellt bekommen, ob Dinosaurier damals ein Federkleid oder Haut hatten, sagt Geologe Englich. Durch Abdrücke in Gestein von einigen Dinosaurierarten fanden Wissenschaftler*innen heraus, dass es sowohl welche mit Federn als auch mit Haut gab. “Die Abdrücke zeigen bei einigen Arten an den Unterarmknochen kleine Aushöhlungen wie es bei Gänsen der Fall ist”, sagt er.

Vor allem bei mumifizierten Dinosauriern sei die Haut oft noch sehr gut erhalten. Ebenso finden Wissenschaftler*innen dort die Pigmente vor, die Rückschlüsse auf die Farbrichtung der jeweiligen Art ziehen lassen. “Zwar kann so nicht die genaue Farbe analysiert werden, jedoch können Farbmuster nachgewiesen werden”, erklärt Englich.

Dino-Farben oft interpretiert

Die Farben, die Dinosaurier in Lehrbüchern, Museen oder Dinosaurierparks bekommen, sind Interpretationen, die sich an heutigen Tieren orientieren. So gehen Forschende davon aus, dass Arten in Wüstengebieten eher sandfarben waren, um sich besser tarnen zu können. Aber auch knallige Farben dienten womöglich schon damals für die Paarungszeit oder zur Abschreckung, um größer und bedrohlicher zu wirken. Jäger, die ihre Beute hetzten, konnten sich wahrscheinlich eher ein buntes Aussehen leisten als Beutegreifer, die sich auf die Lauer legten.

Der Iguanodon, wie er im Naturmuseum Dortmund steht, ist dunkelgrün. Ob er aber in zwanzig Jahren wirklich noch grün ist, wird sich zeigen.

Beitragsbild: Unsplash/Jesper Aggergaard   

 

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