Astrologie: Kann sie die Sterne vom Himmel holen?

Sternzeichen und Astrologie trenden im Internet. Es gibt TikToks mit Klischees über bestimmte Sternzeichen, aber auch Apps zur Berechnung komplexer Sternenkonstellationen. Zum Angebot gehört auch eine Nachfrage: Immer mehr junge Menschen glauben an Horoskope.  Zwei Sternzeichenfans und ein Experte erzählen über das Phänomen.

Mit Freund*innen in der Bravo blättern und sich gegenseitig das Horoskop vorlesen. So sind wahrscheinlich bei vielen die ersten Erinnerungen an Sternzeichen. Mittlerweile gibt es zu Sternzeichen mehr Infos im Internet, als damals auf zwei Seiten einer Klatschzeitung.

Besonders Instagram und TikTok bieten eine Plattform für Sternzeichen. Beliebt sind kurze Videos, in denen die Charaktereigenschaften den Sternzeichen zugeordnet werden: Zwillinge haben angeblich zwei Gesichter, Widder sind besonders dickköpfig und Löwen selbstbewusster als andere.

Sternzeichen werden immer beliebter

Manch einer mag das für ziemlich weit hergeholt halten. Eine aktuelle Studie von YouGov zeigt aber: 61 Prozent der 18- bis 24-Jährigen glauben an Horoskope. In allen Altersgruppen sehen insgesamt 24 Prozent einen starken Zusammenhang zwischen den Sternzeichen und der Persönlichkeit. Das war 2017 noch anders: In einer damaligen Umfrage hatte die Mehrheit Zweifel an Horoskopen. Aber woran liegt diese Entwicklung?

Selin ist 21 und interessiert sich schon seit ihrer Kindheit für Sternzeichen: „Ich habe ganz früher schon Horoskope gelesen. Die Charaktereigenschaften dann mit den Sternzeichen meiner Eltern verglichen.“ Dann hat sie das Thema eine Zeit lang aus den Augen verloren. Vor ein paar Jahren war das Thema dann wieder da:

“Wenn ich früher jemanden gefragt habe, welches Sternzeichen er ist, mussten die meisten erst mal nachgucken. Mittlerweile kennt jeder sein Sternzeichen.“

Social Media, besonders TikTok, spiele da eine große Rolle, so Selin.

Auch für die 40-Jährige Yvonne waren Sternzeichen in ihrem Leben allgegenwärtig. Intensiv setzt sie sich aber erst seit ein paar Jahren mit dem Thema auseinander. Sie hat eine eigene Instagram-Seite, auf der sie Horoskope und Tarotkarten für Sternzeichen legt. Außerdem hat sie Psychologie studiert. Sie sagt:

„Astrologie oder Sternzeichen sind für mich ein Zugang zur Psyche.“

Astrologie mehr als Sternzeichen

Yvonne ist es wichtig, Sternzeichen und Astrologie in ihrer Gänze zu betrachten. Das passiert auf Instagram-Seiten und auf TikTok meistens nicht: „Das Sternzeichen, das eigentlich Sonnenzeichen heißt, sagt erstmal nicht viel über die Persönlichkeit eines Menschen aus.“ Es sei eine Vielzahl an Sternenkonstellation, die jeden Menschen einzigartig mache. Auch aus psychologischer Sicht sei das wichtig, da die Menschen nach Individualismus strebten.

Selin sieht das ähnlich: „Wir können uns gerne mal deinen Chart zusammen angucken.“ In einem Chart sieht man die Sternenkonstellation, die genau zur eigenen Geburt am Geburtsort herrschte. Den Charakter nur am Sternzeichen festzumachen sei nicht richtig: „Da gibt es aktuell sogar einen Begriff für, das ‚Sternzeichen-Judging‘ – so eine Art Diskriminierung wegen des Sternzeichens“

Sternzeichen also keine Klischees und Vorurteile?

Prof. Andreas Hergovich, Autor des Buches „Psychologie der Astrologie“, kann die Gefahr der Diskriminierung bestätigen:

„Kategorisierung oder Stereotype anhand der Eigenschaften der Sternzeichen verhindert natürlich eine offene Auseinandersetzung mit dem betreffenden Menschen.“

Auf das Sternzeichen zu schauen und zu urteilen, wie ein Mensch ist, berge Gefahren. Das gelte auch für komplexere Betrachtungen mit weiteren Aszendenten oder einem Chart.

Aszendent
Der Aszendent ist ein weiteres Sternzeichen, das zum Zeitpunkt der Geburt am östlichen Teil des Himmels erscheint. Kurz erklärt: Man kann beispielsweise Sternzeichen Widder haben und gleichzeitig im Aszendenten das Zeichen Löwe.

Dennoch hat der Glaube an Sternzeichen auch positive Seiten: „In unsicheren Zeiten bieten Sternzeichen einen Halt. Sie geben einem die Illusion von Kontrolle über unkontrollierbare Ereignisse“ so Hergovich. Das sei natürlich auch auf die Corona-Pandemie zu übertragen,

Gleichzeitig hat die Astrologie für viele schon seit langem die Funktion einer Ersatzreligion, da andere reliogiöse Angebote heute seltener wahrgenommen werden. Yvonne kennt das von ihren Follower*innen: „Während Corona fehlen soziale Kontakte, durch die man Stress abbaut. Gleichzeitig nehmen Stressfaktoren wie Jobmangel oder die Angst, krank zu werden, zu – Religionen oder Spiritualität geben da Halt.“

Für sie hat die Astrologie einen religiösen Charakter und sie verweist auf Traditionen: „Schon die Babyloner, Maya, alten Griechen und Ägypter setzten sich mit Sternenkunde auseinander.“ Auch die Sternzeichen, wie wir sie heute kennen, sind durch antike Religionen geprägt.

Astrologie bietet einen großen Markt: Apps, Programme, Influencer!

Trotz der historischen Herkunft der Sternzeichen, kann keine Studie die Astrologie wissenschaftlich belegen, so Andreas Hergovich: “Die Astrologie tritt pseudowissenschaftlich auf, es gibt ein komplexes Regelwerk. Es wird viel gerechnet, heute übernehmen das die Computer.“ Astrologie verbreitet sich also nicht nur auf Plattformen wie Instagram. Es gibt auch Apps und Server auf denen man ganz individuelle Horoskope bekommt.

Auch Selin nutz so eine App. Dort bekommt sie „ein hyper-personalisiertes Horoskop auf Basis von NASA-Daten“ – so verspricht es zumindest die App.

„Besonders astrologische Computerprogramme und Apps bieten unendlich viele Deutungsmöglichkeiten. Da kann jeder etwas Interessantes für sich herauslesen.“, erklärt Hergovich.

Die psychologischen Tricks hinter Horoskopen

Der Barnum-Effekt
Diesen psychologischen Mechanismus nennt man Barnum-Effekt. Dabei werden allgemeingültige Formulierungen oder Vorhersagen, als zutreffende Beschreibung wahrgenommen.

Das gilt für komplexer angelegt Horoskope auf Basis einer Chart, genau wie für Horoskope die nur auf einem Sternzeichen basieren. Die Formulierungen bleiben in beiden Fällen ähnlich vage und ungenau. Lediglich der Datensatz, der eingespeist wird, ist komplexer.

Das ist vielleicht der Grund warum Selin sagt: „Ich bin Widder, Widder sind loyal, aber dafür auch sehr stur.“ – obwohl sie vorher erklärt hat, dass Horoskope komplexer zu betrachten sind. Professor Hergovich sieht darin einen negativen Zusammenhang:

“Man schränkt sich selbst in seiner Entwicklung und Entfaltungsmöglichkeiten ein, weil man denkt, ich als „Widder“ muss eben so sein.“

Außerdem laufe man Gefahr, das eigene Verhalten vom Horoskop anhängig zu machen. Oft werden vor allem positive Dinge in Horoskopen vorhergesagt, denn hinter Horoskopen steckt oft einen wirtschaftlicher Zweck. Eine Website, App oder Astrolog*innen leben davon und positive Aussagen werden von den Leser*innen besser angenommen.

Das Polyanna-Prinzip
Das Polyanna-Prinzip, ist ein mit dem Barnum-Effekt verwandter psychologischer Mechanismus, es besagt, dass positive Informationen von der Leserschaft lieber angenommen und auch sich selbst bezogen werden.

Positive Posts sind auf Instagram beliebter

Auch Yvonne kann aus Erfahrungen ihrer eigenen Instagramseite sagen, dass positive Postings mehr Likes und Kommentare bekommen. „Ich habe mal gepostet, dass der Steinbock besonders weise ist, dieser Post wurde dann von einem Steinbock sofort geliked und auf der eigenen Seite gerepostet.“

Sie möchte, aber nicht nur positive Sachen schreiben. Aus ihrer Arbeit als psychologische Betreuung weiß sie, dass das Schaden anrichten könnte.

„Ich möchte, dass die Astrologie einen Anstoß gibt, an sich zu arbeiten.“

Obwohl sie Astrologie für einen guten Zugang zur Psyche hält, trennt sie ihre Arbeit und die Astrologie aber streng. „Astrologie ist kein anerkanntes diagnostisches oder psychologisches Verfahren.“

Sternzeichen sind keine Universallösung

Horoskope und Astrologie sind also für einige eine Ersatzreligion und haben einen sozialen Charakter, man kann sich mit anderen besser identifizieren. Sie sind aber mit Vorsicht zu genießen, denn die App-Hersteller und Webseitenbetreiber haben ihre Tricks uns so einiges glauben zu machen. Das kann Folgen haben, wie der Psychologe erklärt. Denn wer sich zu sehr an seinem Horoskop orientiert, verliert den Bezug zu sich selbst.

Außerdem können Horoskope Vorurteile verfestigen: In der aktuelle Studie glauben zwar viele an einen Zusammenhang zwischen Sternzeichen und Charakter, das Löwen stolz und Widder stur sind, konnte bis jetzt aber keine Studie wissenschaftlich belegen.

Trotz alle dem sind Horoskope und Sternzeichen sicher ab und zu ein lustiger Zeitvertreib, sie können uns scheinbar Dinge erklären, die sonst nicht zu erklären wären. Man sollte sie aber nicht zu ernst nehmen.

Beitragsbild: Jalica Engelbarts

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