Digitales Lernen: Wie sich die fortschreitende Digitalisierung auf Student*innen auswirkt

Durch Onlineangebote von Veranstaltungen oder Lernmöglichkeiten verändert sich das Studium und damit auch der eigene Lernprozess. Inwiefern hilft die Digitalisierung den Studierenden wirklich?

Die Studierenden im Hörsaal sind mit ihren Laptops oder Tablets beschäftigt oder verschicken auf dem Handy noch die letzte wichtige Nachricht. Vom Tippen auf der Tastatur, über brummende Handys und leises Gemurmel, bis hin zur zischenden Flasche. Alles Geräusche, denen man in aktuellen Vorlesungen lauschen kann. Hin und wieder auch ein klickender Kugelschreiber oder das Rausreißen eines Blattes. Mittlerweile sind das aber seltene Geräusche.

Durch das sich verändernde Studium, stellen sich viele Studierenden vom herkömmlichen Stift und Papier auf digitale Gadgets wie Laptops oder Tablets um. Die Corona-Krise war dafür ein wichtiger Anstoß. Wie digital darf das Studium sein, damit es für den eigenen Lernprozess noch sinnvoll ist?

Wie digitale Gadgets beim Lernen helfen

Durch die voranschreitende Digitalisierung der Gesellschaft und damit auch des Studiums ergeben sich neue technische Möglichkeiten. Zum einen für Lehrende, zum anderen vor allem für Studierende. Sabine Römer ist Mitarbeiterin des Bereichs eLearning des Zentrums für Wissenschaftsdidaktik an der Ruhr-Universität Bochum. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem digitalen Lernen und dessen Entwicklungen. Durch verschiedene Lern-Apps oder Programme, die einem beim Auswendiglernen, beim Brainstormen oder bei Gruppenarbeiten helfen, entstehen neue Optionen des Aneignens, erklärt Römer.

Mithilfe der vielen digitalen Gadgets kann Nutzer*innen mittlerweile von überall und zu jeder Zeit lernen oder an Veranstaltungen teilnehmen. Sie haben alles immer auf dem Tablet oder Smartphone und müssen nicht jeden Tag zig Bücher oder Karteikarten mitschleppen. Römer erklärt außerdem, dass es immer mehr individualisierte Chancen gebe, den Lernprozess zu unterstützen. Durch virtuelle Belohnungen beim erfolgreichen Durcharbeiten eines Online-Karteikartenstapels, könne die eigene Motivation beispielsweise gesteigert werden. Auch bei Pinnwänden oder Mindmaps empfindet Sabine Römer die digitale Variante als praktischer. „Ich finde es bei Online-Mindmaps klasse, dass ich diese abspeichern, weiterentwickeln und mit Leuten teilen und dann weiter daran arbeiten kann.“

Zudem können Studierende neues Wissen durch Erklär- und Vorlesungsvideos erlernen.  Auch diverse Lernprogramme, Animationen oder Virtual Reality Erlebnisse können dabei helfen, die eigene Kreativität durch diese neuen digitalen Wege zu stärken, so Römer. Notizen könne man mit beispielsweise mit verschiedenen Bildern, Audios oder Links ausstatten. So könne der Übungsstoff besser visualisiert werden. Hierbei betont Römer aber: „Man darf sich nicht in dem Prozess des Erstellens verlieren. Man kann diese digitalen Notizen zwar viel cooler gestalten, man darf aber nicht zu viel Zeit darin investieren.“
Das wirklich Wichtige für die E-Learning Expertin sei vor allem, dass man sich überhaupt Lehrmaterialien erstellt. „Dadurch, dass man sich Notizen oder Kringel am Rand zu den Inhalten macht, lernt man schon enorm viel. Da ist es auch egal, ob das auf dem Tablet oder Stück Papier passiert.“ Durch das Anfertigen selbst würde der Wissensprozess schon gestartet werden. Man müsse aber hierbei beachten, dass die App, die man benutzt, einen auch wirklich unterstützt. Eine Karteikarten-App bringe also nichts, wenn eine andere App ständig die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Je weniger Ablenkung, desto besser. Das bezieht die Expertin auch auf die Lernatmosphäre. Ein angeschalteter Fernseher oder Freund*innen können die Konzentration negativ beeinflussen.

Digital oder analog: Welche Lernform ist effektiver?

In der Debatte um die fortschreitende Digitalisierung geht es vermehrt um den Unterschied zwischen dem analogen und digitalen Lernen. An der TU Dortmund ist das IT und Medienzentrum (ITMC) für die gesamte IT-Infrastruktur der Universität verantwortlich. Die Diplom-Pädagogin Martina Kunzendorf und Diplom-Informatikerin und Lehrende Andrea Martin beraten dort im Bereich der Mediendienstleistungen Lehrende zu digitalem Lehren, Lernen und Prüfen. Sie unterstützen diese dabei, geeignete digitale Werkzeuge für didaktische Szenarien auszuwählen bzw. einzusetzen. Sie finden: Die digitale Lehre ergänzt das analoge Lernen. Beide Bereiche voneinander zu trennen, sei nicht zielführend. Vor- und Nachbereitungen von Vorlesungen und Seminaren könnten etwa durch verschiedene virtuelle Mittel angereichert und interaktive Medien eingesetzt werden, was die eigene Motivation steigern könne. Man könne also beispielsweise wichtige Vorlesungsinhalte auf seinem Tablet markieren und diese dann zu einem späteren Zeitpunkt zum Erstellen von Karteikarten und Ähnlichem benutzen.

Sind handschriftliche Notizen besser als digitale? Andrea Martin sagt, der Vergleich vom analogen und digitalen Aneignen von Wissen hängt nicht nur vom Medium (analog/digital) ab. Ihrer Einschätzung lässt sich das nur vergleichen, wenn in beiden Fällen von Hand geschrieben, also die Notizen oder Karteikarten mit einem Stift auf einem Blatt Papier aufgeschrieben oder auf dem Tablet notiert werden. Und auch davon, welche Qualität das digitale Endgerät hat. Trotzdem betont Martina Kunzendorf: „Es gibt eine große Varianz an Grautönen. Es ist nicht entweder oder, sondern ein sowohl als auch beim digitalen und analogen Lernen. Es ist sehr individuell zu betrachten.“

Die Digitalisierung und Studenten*innen

Die Corona-Pandemie erwies sich als ein Anstoß für Digitalisierung und sorgte für viele Veränderungen. In kürzester Zeit mussten sich sowohl Lehrende als auch Studierende an die virtuelle Lehre gewöhnen und mit Elementen wie Vorlesungsaufzeichnungen und Videokonferenzen zurechtkommen. Dabei entstanden sowohl technische Probleme als auch soziale Herausforderungen. Studierende konnten bei den Sitznachbar*innen nicht einfach mal nachhaken oder bei der Lehrperson eine kurze Nachfrage stellen. Jetzt, knapp zweieinhalb Jahre nach dem Anfang der Pandemie, ist die digitale Lehre kaum noch wegzudenken. Laut den beiden ITMC-Mitarbeiterinnen, fühlten sich viele Studierende durch die abrupte Umstellung der Lehre hilflos und konnten sich zunächst nicht mit den digitalen Möglichkeiten anfreunden. „Wenn es gelingt digital gestützte Lehre vielfältig, abwechslungsreich und dem Lernthema angemessen zu gestalten, ist die Akzeptanz medialer Angebote durchaus hoch. Das haben die Erfahrungen gezeigt: Viele digitale Lehrangebote konnten im Laufe der letzten Semester entwickelt werden. Sie zeigen, wie gutes digitales Lehren und Lernen aussehen kann“,  betonen Andrea Martin und ihre Kollegin.

Peter Salden ist Wissenschaftsdidaktiker und beschäftigt sich mit dem Lehren und Lernen an Hochschulen. Er findet viele Möglichkeiten der digitalen Lehre sinnvoll. So sei es beispielsweise praktisch, im Selbststudium mal ein Video zurückspulen oder Aufgaben aus einem Lernmodul im eigenen Tempo erledigen zu können. Trotzdem solle man die Bedeutsamkeit der sozialen Interaktion und der informellen Momente zwischen den Studierenden nicht unterschätzen, ergänzt Salden. Auch das gegenseitige Feedback sei für viele Studierende im Lernprozess wichtig. Aus diesen Gründen bevorzuge er für die Lehre an Universitäten Lehrsituationen, in denen Online- und Präsenzelemente miteinander verbunden werden.

„Aus der Forschung wissen wir, dass Online-Lehre genauso gute Effekte für das Lernen haben kann wie Präsenzlehre – solange Lehrende klare Lernziele haben, Interaktion herstellen und Feedback ermöglichen“, betont Wissenschaftsdidaktiker Salden. Interaktive Seminare werden nach seiner Einschätzung dennoch weiterhin eher in Präsenz stattfinden, während vor allem vermittlungsorientierte Formate wie Vorlesungen in Zukunft wohl digitaler würden. Eine gute Balance zwischen präsenter und digitaler Lehre sei letztlich der beste Weg, so der Wissenschaftsdidaktiker.

 

Beitragsbild: Pixabay

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