Doomscrolling: Was negative Nachrichten mit uns machen

Vor allem in den vergangenen Monaten kursieren vermeintlich immer mehr negative Nachrichten im Netz. Angefangen mit der Corona-Pandemie, über die Klimakrise, bis hin zum aktuellen Ukraine-Krieg. Überall hört und liest man von schlechten Ereignissen. Die ständige Beschäftigung mit fast ausschließlich negativen Nachrichten nennt man “Doomscrolling”. Aber was macht dieses Phänomen mit uns und wie können wir es verhindern?

Das Wort Doomscrolling kommt aus dem Englischen und wird zusammengesetzt aus den Wörtern “Doom”, was so viel heißt wie Untergang oder Verderben, und dem eingedeutschten Wort “Scrolling”. Das Phänomen beschreibt den endlosen Konsum schlechter Nachrichten. Obwohl man weiß, dass das Scrollen zu keinem guten oder positiven Ergebnis führt, scrollt man immer weiter und verliert sich dadurch in einer Negativspirale. Der Begriff Doomscrolling kam erstmals 2018 auf, etablierte sich aber dann vor allem durch die Corona-Pandemie. Dort hat sich das Informationsbedürfnis der Menschen exponentiell verstärkt.

Das Phänomen des Doomscrolling ist nicht neu, sondern schon lange bekannt. Wir Menschen interessieren uns von Natur aus eher für das Negative, als für das Positive und das hat vor allem evolutionäre Gründe. In der Steinzeit war es wesentlich wichtiger zu wissen, ob man angegriffen wird, als zu erfahren, dass der Nachbar ein neues Paar Schuhe bekommen hat.

Wie erleben junge Menschen das Doomscrolling?

Kurt hat bei Studierenden aus dem Ruhrgebiet nachgefragt und es wurde deutlich, dass sich viele Studentinnen und Studenten von negativen Nachrichten schneller anziehen lassen und diese auch intensiver verfolgen, als positive. Der Konsum negativer Nachrichten sei außerdem wesentlich höher, als von guten Nachrichten. Wirtschaftswissenschafts-Student Joel sagte dazu: “Schlechte Nachrichten entsprechen nicht der Norm. Sie schockieren und überraschen mich dadurch mehr, als gute Nachrichten es tun.”

Auch die 24-jährige Studentin Leonie liest viel über schlechte Nachrichten, fand aber einen möglichen Grund für den vermehrten Konsum: “Grundsätzlich würde ich behaupten, dass ich bei schlechten Nachrichten eher dazu neige, mich länger mit diesem Thema zu befassen. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass die Aufmachung schlechter Nachrichten oft spannender gestaltet ist”. Generell wurde bei der Umfrage deutlich, dass sich die Studierende zwar mehr negative Nachrichten beschäftigen, sich aber mehr positive Berichterstattungen wünschen würden.

Warum konsumieren wir eher schlechte Nachrichten als gute?

Auch Medienpädagogin Barbara Unterholzner kennt das Doomscrolling Phänomen. “Da die Menschen andauernd die Möglichkeit haben, Nachrichten zu konsumieren, stehen sie unter einem ständigen Druck Up To Date bleiben zu müssen” erklärte Unterholzner. Neben dem endlosen Konsum von meist schlechten Nachrichten, führe auch eine negative Erwartungshaltung gegenüber den Medien dazu, die Welt schlechter zu sehen, als sie in Wirklichkeit ist. Man konzentriere sich schneller und einfacher auf die negativen Ereignisse und gelange dadurch wieder in eine Endlosschleife.

“Es ist gar nicht alles schlechter geworden. Es kommt nur drauf an, wie viel berichtet und gesendet wird und da stehen die negativen Nachrichten im Vorteil” – Barbara Unterholzner, Medienpädagogin

Da schlechte Nachrichten oft als relevanter bzw. interessanter empfunden werden, bekommen diese vor allem medial mehr Aufmerksamkeit als gute. Das sieht auch Studentin May-Britt (20) so: „Negative Nachrichten sind wesentlich plakativer, als positive. Sie werden viel schneller auf Social Media verbreitet und ich habe irgendwie immer das Gefühl, dass schlechte Nachrichten viel schneller ihren Weg finden, als gute.“ Aber nicht nur die 20-jährige Studentin erkennt dieses Phänomen. Pädagogin Unterholzner erklärt, dass Medien von schlechten Nachrichten profitieren. Das habe den Grund, dass Bilder oder Videos von Krisen, verletzten Menschen und zerstörten Gebäuden, bei uns eher Emotionen auslösen, als beispielhaft eine Senkung der Steuer.

Was macht das Doomscrolling mit uns? 

Die Medienpädagogin erklärte die Folgen des Doomscrolling.: “Durch die permanente Beschäftigung mit schlechten Nachrichten, ist unser Gehirn im Dauerstress und es kommt zu einem Dopaminausstoß”. Der Botenstoff schütte nämlich nicht nur Glückshormone aus, sondern wird auch bei negativen Informationen ausgestoßen, so Unterholzner. Je mehr schlechte Nachrichten also konsumiert werden, desto mehr ängstliche oder negative Gefühle werden freigesetzt. Das kann dazu führen, dass man sich erschöpft, gereizt, beängstigt oder angespannt fühlt. Es kann sogar zu Schlafstörungen kommen.

Durch eine anhaltende und globalisierende Nachrichtenflut, beispielsweise durch die Bilder vom Ukraine-Krieg, könne man sich nicht mehr abkapseln und fühle sich als Teil des Elends der Welt, so Medienpädagogin Unterholzner. “Gerade dadurch, dass die Menschen gegen Ende der Corona-Pandemie in eine Resignation gefallen sind und dann direkt in die Kriegs-Thematik übergegangen sind, leiden viele Menschen unter Zukunftsängsten oder einer Perspektivlosigkeit”, erklärte Unterholzner. Wenn man sich da nicht aktiv von schlechten Nachrichten distanzieren oder sich selbst kontrollieren würde, könne es womöglich für die mentale Gesundheit schwierig werden.

Was kann man gegen das Doomscrolling machen?

Das Doomscrolling ist für viele ein alltäglicher Begleiter. KURT hat für euch ein paar Tipps und Tricks für einen bewussten und gesunden Medienkonsum:

  1. Kein Smartphone im Schlafzimmer: Das Schlafzimmer sollte ein Ort sein, wo man sich entspannt und einfach mal abschaltet. Lass dein Handy im Wohnzimmer und vermeide dadurch, schlechte Nachrichten vor dem Einschlafen zu lesen. Das kann deinen Schlaf verbessern.
  2. Aktive Mediennutzungspausen: Nimm dir bewusst Zeit für Nachrichten, aber auch für dich und dein Umfeld. Genieße die kleinen Momente, sprich mehr mit deinen Mitmenschen und nimm dir mal eine kurze Auszeit von der digitalen Welt.
  3. Habe keine Angst, etwas zu verpassen: In der heutigen Gesellschaft steht man unter dem ständigen Druck, Up To Date sein zu müssen. Aber niemand kann immer alles wissen oder mitbekommen. Lass dein Handy einfach mal eine Weile liegen und check nicht ständig die Nachrichten. Und vielleicht entsteht genau aus dieser Unwissenheit zu einem Thema bei der nächsten Studentenparty ein interessantes Gespräch.
  4. Suche nach Positive Nachrichten: Man muss sich nicht immer nur mit schlechten Nachrichten beschäftigen. Wenn in deinem News-Feed nur negative Nachrichten auftauchen, suche aktiv nach schönen oder lustigen Posts. Das kann eine süße Katze oder auch der neuste Klatsch über einen Prominenten sein. Hauptsache nichts Negatives.

Zum Schluss gibt es noch einen Tipp von der Medienpädagogin Barbara Unterholzner. Wenn euch alles mal zu viel sein sollte, oder ihr einfach mal abschalten wollt von den vielen negativen Nachrichten: “Da hilft ein Oasen-Erlebnis. Resonanz- oder Oasenerlebnisse (nach Hartmut Rosa) sind Erlebnisse, in denen man sich mit Körper und Geist in der Welt ganz wahrnimmt. Das kann ein Spaziergang, ein Stadionbesuch oder der letzte Urlaub sein. Diese Erlebnisse tanken auf und stärken auch in schwierigen Lebenslagen, wenn man an sie denkt”.

Beitragsbild: Pexels/Pixabay

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2 Kommentare

  1. says: Tatjana Wolf

    Hallo, ich schreibe meine Bachelorarbeit zu diesem Thema und wollte fragen, wo ich denn genauere Infos zur Befragung von den jungen Student*innen finden könnte. Super Artikel und vielen Dank im Voraus!

  2. says: Menno Schmidt

    Moin,

    ich interpretiere es mal so: Viel Elend dieser Welt wird mit Hilfe aus Deutschland gemildert oder sogar beseitigt. Für diese Hilfe braucht es das Geld von gesunden Arbeitnehmern, die in Deutschland ihre Steuern oder vielleicht auch ihre Spenden einzahlen. Wenn ich mir also viele schlechte Nachrichten einfach auf Distanz halte oder mir sie aus den täglichen Nachrichten herausfiltere, um gesund und leistungsfähig zu bleiben und nicht irgendwann selbst zum “Elendsfall” zu werden, leiste ich einen wertvollen – wenn auch indirekten – Beitrag, um diese Welt ein bisschen besser zu machen. Man sollte also kein schlechtes Gewissen haben, wenn man einfach sagt: “Ich will mich nicht damit beschäftigen oder darüber informiert werden, wenn ich direkt sowieso nichts daran kann!” Ist der Nachbar in Not hilft man einfach und unkompliziert und geht danach einfach seiner Wege. Das ist völlig ausreichend und auf Dauer auch gesünder. Die, die diese Haltung kritisieren, stehen nicht an meiner Seite, wenn meine Substanz nicht mehr mitmacht. Sie kritisieren dann das nächste “Opfer”. 😉

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