Nachhaltige Früchte: Wittener Start-up setzt bei Erdbeeren auf Wiederverwertung

Der Klimawandel bedroht die Landwirtschaft massiv. Zugleich gedeihen nachhaltige Agrarkonzepte wie Vertical Farming. Ein Start-up aus Witten setzt beim Anbau von Erdbeeren zukünftig auf „dicke Luft“ – ­für eine bessere CO2-Bilanz.

Stickige Büroluft soll den Früchteanbau nachhaltiger machen. Das zumindest ist die Idee von vGreens, einem Start-up aus Witten. Das junge Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, die vertikale Landwirtschaft im Früchtemarkt zu etablieren. Mithilfe von Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture) sollen die Früchte dabei nachhaltig mit Kohlendioxid (CO2) versorgt werden. Die Technologie ermöglicht es, bereits entstandenes CO2 aus der Luft zu filtern, zu verwerten und somit das Treibhausgas zu recyceln.

Vertical Farming im Früchtemarkt

Die vertikale Farm von innen: Auf mehreren Etagen wachsen die vGreens Premium-Erdbeeren in diesem Container. Foto: vGreens GbR

„Gestartet ist die Idee damit, dass wir Vertical Farming ein Stück besser machen wollten“, erzählt Claas Ahrens, CEO bei vGreens. Vertical Farming ist eine Form der urbanen Landwirtschaft, bei der Pflanzen in Innenräumen unter kontrollierten Bedingungen kultiviert werden. Dabei wird in die Höhe – eben vertikal – angebaut, um Platz und Ressourcen zu sparen.

Bei vGreens ist die vertikale Farm ein Container mit 60 Quadratmetern, in dem Erdbeeren übereinandergestapelt wachsen. Die Nährstoffe werden den Früchten kontrolliert zugeführt: LEDs ersetzen das Sonnenlicht, Nährstofflösungen und gesammeltes Regenwasser ersetzen Erdboden und natürlichen Niederschlag. Und CO2 für das Wachstum? Das erhalten die Erdbeeren derzeit von einem Gaslieferanten. Doch das soll sich ändern.

Eine Technologie in den Kinderschuhen?

„Ab 2024 wollen wir Carbon Capture standardmäßig in der Farm etablieren“, so Ahrens. Das Konzept hinter der Technologie ist schnell erklärt: Vorhandenes CO2 wird durch ein chemisches Verfahren direkt aus der Luft gefiltert, gespeichert und dosiert in die vertikale Farm geschleust. Der Vorteil: Es muss kein zusätzliches Gas eingekauft werden. Stattdessen wird das ohnehin vorhandene Kohlendioxid recycelt. Dabei setzt vGreens auf die Zusammenarbeit mit einem niederländischen Unternehmen, das sich auf das Carbon Capture-Verfahren im Bereich Vertical Farming spezialisiert hat.

Vollkommen ausgereift ist diese Technik bislang aber noch nicht. „Es ist eine Technologie, die noch weit in den Kinderschuhen steckt“, erklärt Dr. Andreas Menne, Abteilungsleiter für Low Carbon Technologies am Fraunhofer-Institut Umsicht in Oberhausen. Das größte Problem sieht der Forscher beim hohen Energiebedarf der Kohlendioxid-Anlagen und der verhältnismäßig geringen CO2-Konzentration in der Luft: „Man muss immer wieder sehr große Mengen Luft durch den Prozess führen, um sehr kleine Mengen CO2 herauszuholen. Das macht das Ganze sehr aufwendig.“

Carbon Capture
Carbon Capture ist ein Sammelbegriff für Technologien, die zur Abscheidung, Speicherung und Nutzung von Kohlenstoffverbindungen, meist in Form von CO2, verwendet werden. Je nach Herkunft und Verwendungszweck sind verschiedene Prozesse und Verfahren für die Umsetzung notwendig. Ein Teilbereich von Carbon Capture sind Direct Air Capture Verfahren, bei denen CO2 mithilfe chemischer Prozesse direkt aus der Luft gefiltert wird.

Die Erdbeere als Prototyp

Auf 60 Quadratmetern werden die Früchte 365 Tage im Jahr unter strengen Qualitätskontrollen angebaut. Foto: vGreens GbR

Bevor es mit Carbon Capture bei vGreens losgeht, testet das Start-up allerdings erst einmal, wie sich die Früchte am Markt etablieren. Im Erfolgsfall sind weitere Produkte geplant. Dabei setzt das Unternehmen auf Kooperation: „Nach der Marktvalidierung wollen wir unsere Anlagen in einem Franchise-Modell an Produzenten und Landwirte vertreiben.“ Aktuell stelle die neue Technologie allerdings noch eine Hürde für viele Landwirt*innen dar. Ein wesentlicher Faktor ist die Finanzierung, bestätigt Menne: „Es muss für die Betreiber von solchen Anlagen auch ein wirtschaftliches Geschäftsmodell dahinterstehen. Das gibt es aktuell noch nicht, dafür sind die erzielbaren Erlöse aus der CO2-Abscheidung zu gering.

Carbon Capture als Helfer für den Klimaschutz

Zurzeit gibt es die vGreens-Erdbeeren über die Internet-Plattform Marktschwärmer zu kaufen, allerdings zu einem beachtlichen Preis: 25 Euro kostet das Kilo. Ab Dezember sollen die Erdbeeren dann auch in zwei Essener Frischemärkten erhältlich sein. Mit dem geplanten Einsatz von Carbon Capture könnten die Früchte auch etwas für den Klimaschutz tun. In diesem Bereich hält Menne das Verfahren langfristig für sinnvoll: „Eigentlich können wir unsere Klimaziele und insbesondere das Zwei-Grad-Ziel nur erreichen, wenn wir auch solche Technologien einsetzen, um CO2 wieder aus der Atmosphäre zu entfernen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.“

 

Beitragsbild: pixabay.com/couleur

Ein Beitrag von
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert