Saunieren geht über Probieren: Warum wir öfter in die Sauna gehen sollten

Die Sauna hat echte Imageprobleme. Ein unterschätztes Hobby. Hinter dem warmen Lüftchen steckt viel mehr als einfach nur Entspannung. Unsere Autorin sagt: Schnappt euch eure Freund*innen und geht zusammen in die Sauna.

In Finnland gibt es ungefähr halb so viele Saunen wie Einwohner*innen. Die sind schon fast besessen vom Saunieren. Die Deutschen hingegen halten sich mit ihrer Begeisterung bisher ziemlich zurück. Auf 85 Millionen Einwohner*innen kommen in Deutschland nur knapp 2 Millionen Saunen. Da geht auf jeden Fall noch etwas. Die Sauna könnte unsere Gesellschaft auf mehreren Ebenen bereichern.

Sauna – das sind fünf Buchstaben, die meinen Mädels und mir einen ganzen Tag voller Entspannung versprechen. Per Aufguss. Raus aus dem Alltag. Rein in den Schwitzkasten. Wir sind für ein paar Stunden nicht erreichbar. Sauna ist gerade deswegen so entspannend für uns, weil es einer der wenigen ruhigen Orte in unserem Leben ist: kein Handy, keine Musik, keine Beschallung. Zeit zum Quatschen. Zeit, um uns über diesen einen Saunabesucher aufzuregen, der sich zu uns in die Rosen-Sauna gesellt. Obwohl wir uns doch gerade einfach nur ungestört auf den neuesten Stand bringen wollten. Und wir verfolgen jedes Mal die gleiche Mission: Als U20-Jährige wollen wir den Altersschnitt in der Saunalandschaft drastisch senken. Wir sind stolz auf uns. Das gelingt uns immer.

Finnischer Sauna-Enthusiasmus

Prof. Peter Willeit ist Professor für Epidemiologie und Public Health an der Medizinischen Universität Innsbruck. Foto: Birgit Pichler

Prof.  Peter Willeit ist durch Zufall dazu gekommen, sich wissenschaftlich mit der Sauna zu beschäftigen. Ohne die Zusammenarbeit mit seinem finnischen Kollegen hätte er sich bestimmt nicht ausgerechnet in dieses Forschungsfeld begeben. Der Sauna-Enthusiasmus der Finnen scheint anzustecken. Der Finne und der Österreicher erarbeiteten zusammen mehrere Studien.

Weil die Sauna in Finnland so beliebt ist, war es dort besonders leicht, Menschen für eine Studie zu gewinnen. Eine Vergleichsgruppe zu finden, die überhaupt nicht in die Sauna geht, war jedoch unmöglich. Deshalb gab es letztendlich keine. Die Teilnehmenden wurden in drei verschiedene Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe ging einmal pro Woche in die Sauna, die zweite Gruppe ging zwei- bis dreimal und die letzte Gruppe zwischen vier- und siebenmal. Prof. Willeit und seine Kolleg*innen haben die Teilnehmenden über 14 Jahre begleitet.

Je öfter, desto besser!

Das Ergebnis: Je öfter wir in die Sauna gehen, desto besser. Bei der dritten Gruppe war das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, um 60 Prozent geringer als bei der ersten Gruppe. „Auch das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, sinkt“, sagt Willeit. „Außerdem entwickeln die Menschen, die häufiger in die Sauna gehen, weniger häufig Bluthochdruck.“

Das passt zu den anderen Ergebnissen. Denn Bluthochdruck ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Laut Statistischem Bundesamt waren diese Erkrankungen 2021 die häufigste Todesursache in Deutschland. Wir Deutschen sollten uns also mit der Sauna anfreunden.

Sauna belastet unseren Körper

Die finnische Sauna ist immaterielles Weltkulturerbe der UNESCO. Foto: Revierpark Wischlingen GmbH

Wer nun denkt, das Allheilmittel gefunden zu haben, der liegt leider falsch: Der Gang in die Sauna ist nicht für alle empfehlenswert. Schwangere haben häufig einen zu niedrigen Blutdruck. Wird der Blutdruck durch den Saunagang weiter gesenkt, kann es gefährlich werden. Auch Patient*innen mit Herzerkrankungen sollten den Gang in die Sauna vorher mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin absprechen. Bei diesen Patient*innen kann das angeschlagene Herz zusätzlich belastet werden. Saunieren ist anstrengend für den Körper.

In einer Untersuchung hat das Saunieren nach dem Sport nicht so gut abgeschnitten. Die Forschenden wollten wissen, ob sie Spitzensportler*innen das finnische Kulturgut als Regenerationsmethode empfehlen können. An der Studie nahmen 20 Hochleistungsschwimmer*innen teil. Sie bestritten an zwei Tagen einen Belastungstest und ein intensives Training. Einmal kamen sie danach in den Genuss einer entspannenden Sauna, beim anderen Mal fiel das Saunabad aus. Am nächsten Vormittag wurde der Belastungstest jeweils wiederholt. Es zeigte sich, dass die Schwimmer*innen besonders auf den ersten Metern langsamer waren, wenn sie sich am Vortag in der Sauna erholt hatten.

Prof. Alexander Ferrauti ist Trainingswissenschaftler an der Ruhr-Universität in Bochum. Er war beteiligt an der Studie der Universität des Saarlands und hat untersucht, wie verschiedene Regenerationsmethoden im Spitzensport wirken. Das Ergebnis: „Intensive Saunagänge nach dem Training bewirken keine Leistungsverbesserung am Folgetag. Man kann sogar sagen, dass sich die Leistungsfähigkeit zu Beginn des nächsten Trainings leicht verringert.“

Eistonne statt Schwitzkasten
Sauna ist auf vielen Ebenen bereichernd. Ein unterschätztes Hobby. Gegen einen sich anbahnenden Muskelkater kann sie aber nichts ausrichten. Per Mertesacker hat bei der Fußball-WM 2014 gezeigt, wie es geht. „Ich lege mich jetzt erstmal drei Tage in die Eistonne“, sagte der Abwehrspieler. Alexander Ferrauti empfiehlt: „Bei Sportarten mit hohen muskulären Belastungen und kleinsten Muskelschädigungen helfen Kälteanwendungen, um Entzündungsprozessen entgegenzuwirken… – natürlich nicht drei Tage lang, sondern 10 bis 15 Minuten reichen aus.“

Kein Sauna-Verbot im Spitzensport

Die Gruppe der Studienteilnehmer*innen war relativ klein. Deshalb sollte die Studie nicht als Beweis, sondern als Hinweis aufgefasst werden. Ein Hinweis dafür, dass Sauna zur Regeneration nicht gut geeignet ist. Prof. Ferrauti räumt jedoch ein, dass der Großteil der Teilnehmer*innen bisher wenig Erfahrung mit der Sauna hatte.

Saunagewöhnung beeinflusse aber, wie gut Sauna tut. Mit anderen Worten: Wer Saunieren gewohnt ist und gute Erfahrungen damit gemacht hat, wird auch besser damit zurechtkommen. Deshalb will der Professor für Trainingswissenschaft kein Sauna-Verbot aussprechen. Er schließt nicht aus, dass es einzelnen, saunagewohnten Sportler*innen bei der Regeneration hilft. „Es kommt somit sehr auf den individuellen Einzelfall an. Die Sauna ist aber nicht das Mittel der Wahl, wenn die Leistungsfähigkeit bis zum Folgetag wiederhergestellt werden soll“, betont der Sportwissenschaftler.

Welche Faktoren beeinflussen, wie stark sich die Sauna auf die Leistung von Sportler*innen auswirkt?
In der Studie von Prof. Ferrauti hat Saunieren nach dem Sport nicht so gut abgeschnitten. Verschiedene Faktoren könnten Einfluss darauf nehmen, wie stark die Sauna sich auf die Leistung von Sportler*innen auswirkt. „Es wäre sicher ein Fehler, einen Tennisspieler nach einem fünf Stunden Match unter Hitze während der Australian Open in die Sauna zu schicken. Erst recht, wenn am übernächsten Tag bereits wieder ein wichtiges Turnierspiel ansteht. Die Besonderheiten der Sportarten und der Umgebungsbedingungen sind daher ebenfalls zu berücksichtigen“, sagt Ferrauti. Denkbar wäre auch, dass die Temperatur und die Dauer des Saunagangs beeinflusst, wie stark die Leistung einer Sportler*in beeinträchtigt wird. Je geringer die Temperatur und je kürzer der Aufenthalt, desto weniger leistungsvermindernd könnte ein Saunagang nach dem Training sein. Bisher wurde noch nicht erforscht, zu welchen Ergebnissen man bei einem größeren zeitlichen Abstand zwischen Sauna und anschließendem Wettkampf kommt. Dieser Zeitraum könnte aber auch wichtig sein.

Grünes Licht für Freizeitsportler*innen

Nicht jeder sollte sich direkt nach dem Saunagang ins eiskalte Wasser stürzen. Foto: Revierpark Wischlingen GmbH

Aber wer ist schon Spitzensportler*in? Bei gesunden Freizeitsportler*innen, die gute Erfahrungen mit dem Saunieren nach dem Sport gemacht haben, spricht für den Sportwissenschaftler nichts gegen diese Routine. „Im Freizeitsport sind die möglichen Einbußen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit nicht so relevant wie im Spitzensport.“ Er empfiehlt, sich schrittweise an die Sauna zu gewöhnen. Ihr könnt mit niedrigeren Temperaturen zwischen 60 und 80 Grad Celsius starten und zuerst nur fünf Minuten schwitzen.

Auch mit dem abschließenden Abkühlen solltet ihr vorsichtig beginnen. Erholt euch zunächst an der frischen Luft und stürzt euch erst nach dem nächsten Aufguss ins Eisbad oder ins Kneippbecken. Steigert den Heiß-Kalt-Kontrast nur langsam. Durch das Training kann der Körper sich immer besser an wechselnde Umweltbedingungen anpassen.

Sauna tut unserem Schlaf gut

Saunen laden zur Entspannung ein und fördern guten Schlaf. Foto: Revierpark Wischlingen GmbH

An Stresssituationen passt sich der Körper mithilfe von zwei Nervensystemen an: Sympathikus und Parasympathikus sind Gegenspieler. Ein aktivierter Sympathikus bereitet den Körper auf Flucht und Angriff vor. Die Darmtätigkeit wird gehemmt, das Herz schlägt schneller und die Atmung wird vertieft. Diesen Zustand benötigen Sportler*innen, um die maximale Leistung abzurufen.

Der Parasympathikus hingegen verkörpert die Ruhe nach dem Sturm. Er steht für Erholung und Regeneration. Das Herz schlägt langsamer, die Verdauung wird angeregt und die Atmung verlangsamt. Der Gang in die Sauna entspannt uns und aktiviert den Parasympathikus. Die Schlafqualität kann dadurch verbessert werden. „Schlaf ist nachweislich ein ganz wichtiger Aspekt für die Regeneration“, sagt Ferrauti.

Saunieren ist gesellig

Meine Freundinnen und ich fühlen uns noch zu jung, um selbst einen Bademantel besitzen zu müssen. Aber für die Generation unserer Mütter gehört ein guter Bademantel zum Inventar. Deshalb klauen wir uns immer die Bademäntel von ihnen. Die sind so flauschig. Geborgener könnten wir uns nicht fühlen. Genau wie wir gehen viele mit ihren Liebsten in die Schwitzbude.

Da wundert es nicht, dass in der Langzeitstudie von Prof. Willeit eine ganz bestimmte Korrelation auffiel: Wer häufiger in die Sauna geht, greift auch häufiger zum Alkohol. Sauna ist gesellig. Wer sich mit Freund*innen zum Schwitzen trifft, trinkt im Anschluss vielleicht auch noch ein kühles Getränk zusammen. Das ist schließlich sinnvoll. Wir müssen die Flüssigkeit, die der Körper verloren hat, wieder zu uns nehmen. In der Langzeitstudie verloren die Teilnehmenden im Schnitt einen halben Liter pro Saunagang. Und weil wir unserem Körper gerade etwas Gutes getan haben, scheint sich der ein oder andere nach der Sauna das ein oder andere Bier zu genehmigen.

Nackte Tatsachen

Gemeinsames Saunieren kann eine Freundschaft auf das nächste Level heben. Nackt gegenübertreten kann ich nur den Menschen, denen ich vertraue. Das sind Menschen, vor denen ich mich für nichts schäme. Ich fühle mich ihnen verbunden. In der Debatte um Body Positivity fällt nie das Wort Sauna. Warum nicht? Da sehen wir normale Körper. Wie sie wirklich sind. Ganz natürlich. Keine Filter. Keine schmeichelnden Posen. Kein Make-up.

Davon können wir lernen. Ich finde es total erfrischend, normale, schwitzende Körper zu sehen. Und nein, es geht mir nicht darum, die anderen Körper anzuglotzen. Um die Cellulite-Dellen der anderen Frauen zu sehen, brauche ich gar nicht so genau hinzugucken. Die fallen einfach auf, weil sie sonst nie das Licht der Welt erblicken.

 

Beitragsbild: Revierpark Wischlingen GmbH

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