Kommentar: Instagram ohne Likes, aber mit mehr Persönlichkeit

 

Auf Instagram wird alles verglichen: Restaurant-Besuche, Urlaube und Wohnungen. Nicht selten zieht man dabei den Kürzeren. Während Bilder aus New York und Hashtags wie #newyorkcity und #skyline natürlich viele Gefällt-Mir-Angaben generieren, kann das Urlaubsfoto aus dem #schwarzwald doch nicht so viele Nutzer erreichen.

Aufgrund der Likes verschiebt sich auch oft die Sicht auf das eigene Leben. Der erholsame Urlaub? Der ist auf einmal langweilig. Und genau das ändert Instagram jetzt. Das Unternehmen möchte zukünftig nicht mehr die Anzahl von Gefällt-Mir-Angaben zeigen. Die Nutzer sollen sich weniger über Likes definieren — und das ist eine Chance!

In Kanada, Australien, Irland, Italien, Japan und Neuseeland hat Instagram den Versuch zuerst durchgeführt. Nach eigenen Angaben habe das Unternehmen dabei eine positive Entwicklung feststellen können, deswegen weitet Instagram das Projekt jetzt weltweit aus.

Das Experiment betrifft aber noch nicht alle Nutzer in Deutschland. Nur ausgewählte Profile können die Anzahl der Gefällt-Mir-Angaben unter Beiträgen nicht mehr sehen. Nach welchen Kriterien Instagram die Nutzer auswählt, ist bisher unklar. Klar hingegen ist das Ziel von dem Projekt: Im Vordergrund sollen die Bedürfnisse von jungen Nutzern stehen. Adam Mosseri, Instagram-Chef, möchte, dass sich die Nutzer weniger Gedanken über Likes machen.

Mehr Mut durch neuen Schutz der Privatsphäre

Dadurch könnte die Persönlichkeit der Nutzer in den einzelnen Beiträgen wieder wichtiger werden. Die Sorge vor wenigen Likes kann dazu führen, dass nur noch „massenkompatible“ Fotos gepostet werden. Ohne die Anzahlangaben von Likes würden Beiträge mehr sein als die Suche nach Anerkennung. Durch das Verbergen der Gefällt-Mir-Angaben entsteht eine neue Privatsphäre. Diese macht Mut, persönliche und originelle Inhalte zu erstellen. Der Instagram-Feed würde wieder bunter und abwechslungsreicher werden. Es könnte mehr zu sehen sein als Backrezepte und Cappuccinos. Die Bilder von morgen könnten wieder überraschend sein, Spannung wäre der Grund für Instagram, nicht mehr das Streben nach Anerkennung.

Es gibt sicherlich aber auch Nutzer, den die Rückmeldung durch die Angabe von Likes fehlen wird. Manche messen sich gerne an der Konkurrenz und haben Spaß daran. Für diejenigen wird Instagram ohne die Angabe von Likes erstmal langweiliger. Aber es gibt gleichzeitig die Chance, dass das Kräftemessen auf Instagram weiter besteht – nur eben fairer! So können sich Nutzer durch die Qualität ihrer Fotos oder deren Aussagen vergleichen. Kurzum: Wer sich weiterhin messen möchte, der wird einen Weg finden. Man muss nur in Zukunft über das Vergleichen von Likes hinausgehen.

Inhalte könnten wieder überraschend sein

Gleichzeitig kann der Druck, möglichst beliebt zu wirken, für Nutzer abnehmen. Eine Studie beweist, dass Nutzer nach einem Posting mit wenig Gefällt-Mir-Angaben, beim nächsten Foto versuchen, mehr Likes zu generieren. Das heißt: Zufriedenheit hängt nicht mit dem eigenen Bild zusammen, sondern mit den Reaktionen darauf. Das kann durch den aktuellen Versuch abgeschwächt werden. Der ständige und konstante Vergleich mit anderen fällt weg, die eigene Person und Zufriedenheit stehen wieder im Fokus und nicht die Meinung unbekannter Follower.

Für die „Normalos“ auf Instagram könnte also der Druck wegfallen. Positiv für uns, aber schwierig für Influencer. Für die sind Interaktionen, also auch Gefällt-Mir-Angaben, schließlich Arbeitsmaterial. Ohne die Angabe von Likes können Unternehmen schlechter erkennen, wie die Werbung für ein Produkt bei den Nutzern ankommt. Außerdem geben Gefällt-Mir-Angaben auch darüber Auskunft, inwiefern Follower-Anzahl und Interaktionen übereinstimmen. Manche Influencer kaufen sich Follower, um beliebter zu wirken. So etwas aufzudecken, kann durch den Wegfall der Gefällt-Mir-Anzahl schwieriger werden. Allerdings soll Instagram laut TechCrunch auch an einer Lösung für Influencer arbeiten.

Die meisten Nutzer sind keine Influencer

Aber die meisten Nutzer auf Instagram sind eben keine Influencer, sondern Studierende, Auszubildende, Schüler und Arbeitnehmer. Rund 36 Prozent aller Nutzer von Instagram sind zwischen 13 und 24 Jahre alt. Und auf die kann sich das Ausblenden der Gefällt-Mir-Angaben eben positiv auswirken. In der Studie der britischen Royal Society For Public Health haben Jugendliche verschiedene soziale Medien nach deren Einflüssen auf ihr Wohlbefinden eingeordnet. Instagram machte dabei den letzten Platz.

Zum Beispiel gaben die Befragten an, dass Instagram ihre Einstellung zu Schönheit und ihrem eigenen Körper negativ verändere. Durch den Versuch, die Anzahl von Likes nicht mehr anzuzeigen, wird das Problem natürlich nicht sofort verschwinden. Aber Schönheit wäre nicht mehr so simpel und offensichtlich messbar. Eigene Schönheit zu definieren und gängige Schönheitsideale zu hinterfragen, das könnte für die Nutzer einfacher werden.

Schönheit ist nicht messbar

Der Konkurrenzkampf auf Instagram könnte zugunsten der Bestärkung in eigene Ideale und Persönlichkeit abgeschwächt werden, wenn Instagram zukünftig nicht mehr die Anzahl von Gefällt-Mir-Angaben anzeigt. Das ist zu befürworten. Und es zeigt vor allem jungen Nutzern: Das größte Gut bleibt die eigene Persönlichkeit und nicht die Gefällt-Mir-Angaben.

Damit sich dieser Gedanke festig, muss natürlich noch mehr geschehen. So könnte auch auf die Angabe der Follower-Anzahl verzichtet werden. Wer sich aber schon jetzt ohne Druck auf sozialen Medien bewegen möchte, der kann auch auf den Browser vom Software-Experten Ben Grosser zurückgreifen. Der zeigt nämlich automatisch keine Gefällt-Mir-Angaben, Kommentare und Follower-Zahlen an. Ein Versuch ist es wert.

Beitragsbild: Prateek Katyal via unsplash

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