Ich sage voraus, dass ich in diesem Jahr einen Harvard-Abschluss machen werde

Wenn man ganz ehrlich ist träumt jeder davon – klug genug sein, um an einer Elite-Universität angenommen zu werden. Oxford, Cambridge, Harvard, Yale, das hätte jeder gerne im Lebenslauf stehen. Deshalb war ich sofort begeistert, als ich gehört habe, dass das jetzt Wirklichkeit werden kann. Die amerikanische Harvard University stellt im Internet über 60 Online-Kurse bereit. Kostenlos!

Über die Plattform edX kann man viele verschiedene Kurse von größtenteils amerikanischen, aber auch australischen Universitäten besuchen. Das Ganze war mir vor einiger Zeit über den Weg gelaufen und ich dachte, es wäre eine gute Idee, um sich die Corona-Zeit zu vertreiben. Also habe ich mich Anfang des Semesters angemeldet. Zunächst kostenlos.

Die Auswahl in Harvard war groß

Harvard bot eine große Auswahl an Kursen an, die gestaffelt online gingen. Einige hatten bereits im Januar begonnen, auf andere konnte man erst ab Juni zugreifen. Die Kurse hatten auch alle einen unterschiedlichen Zeitaufwand – von einer Woche bis 15 Wochen war alles dabei.

Für mich als Kulturwissenschaftsstudentin hat sich vieles gut angehört. Es gab einige Kurse zu Shakespeare, Musikgeschichte oder auch die Vorlesung „Justice“.  Das ist eine Einführung in Politische Theorie und Philosophie, eine der berühmtesten Vorlesungen der Universität. Schon interessant, aber mit der Einführung von Prof. Schuck in Dortmund war ich eigentlich auch ziemlich zufrieden.

Es ist doch nicht ganz kostenlos

Wichtig bei der Auswahl der Kurse ist nicht nur, wie viel Zeit man hat, sondern auch, wie viel Geld man bereit ist, zu zahlen. Es ist nämlich so: Man kann die Kurse zunächst belegen, ohne einen Cent dafür zu bezahlen. Doch dann bekommt man am Ende kein Zertifikat dafür. Und dann überlegt man sich zweimal, ob man einen zehnwöchigen Kurs über Architektur besucht, ohne eine Referenz dafür zu bekommen oder ob man 99 Dollar für ein Zertifikat bezahlt.

Das war auch, was mich vor den meisten Kursen abgeschreckt hat, denn wie ich am Anfang schon klar gemacht habe: „Harvard“ in meinem Lebenslauf angeben zu können war eigentlich meine einzige Motivation. Ich musste also einen bezahlbaren Kurs finden. Und den gab es auch. Meine Entscheidung fiel auf „PredictionX – Omens, Oracles and Prophecies“, ein Kurs übers Wahrsagen, der eine Woche dauern und dessen Zertifikat mich 25 Dollar kosten sollte. Mit dem Code EDXWELCOME habe ich das Zertifikat am Ende sogar für 21,25 Dollar erhalten. Ein guter Deal würde ich sagen, dafür, dass ich nicht einmal wusste, ob ich den Test am Ende des Kurses bestehen würde.

Außer mir hatten sich in Harvard über 68000 andere Menschen eingeschrieben. Es gibt auch ein Forum, in das man Diskussionsfragen stellen kann, aber leider sind die meisten Einträge nur Fragen zu technischen Problemen. Eine Person hat sich für den Kurs bedankt und erklärt, dass er den Kurs nicht besucht hat, um ein Zertifikat zu erhalten, sondern weil ihn Prognosen und Voraussagungen aufgrund der Börse interessieren. Hätten wir das auch geklärt.

https://www.instagram.com/p/B_h36-cArrI/

Es geht los in Harvard

Der Kurs beginnt mit einer kleinen Einführung. Sofort sehe ich, dass „Oracles, Omens and Prophecies“ nur der erste Teil von PredictionX ist, insgesamt gibt es drei Teile! Aber Entwarnung. Man kann das Zertifikat auch nur für den ersten Teil erwerben. Puh.

Zeitdruck gibt es keinen. Wenn man einmal angemeldet ist, kann man alle Materialien in seiner eigenen Geschwindigkeit anschauen und studieren. Das Kursende ist für den 1. Januar 2031 angegeben. Jetzt wo ich fertig bin, kann ich sagen, dass ich noch nie etwas so lange vor Kursende geschafft habe.

Insgesamt soll der Kurs nur ein paar Stunden dauern. Ich bin zuversichtlich, das Englisch ist für mich gut verständlich. Der Kurs wird geleitet von Prof. Alyssa Goodman, sie ist Professorin für Angewandte Astronomie und hat ein freundliches Gesicht. Ihr Name ist also Programm.

Ganz am Anfang muss ich sagen, dass ich den Kurs nicht in der angegebenen Zeit geschafft habe. Ich habe über mehrere Tage hinweg immer mal wieder etwas dafür gemacht und ich habe auf jeden Fall länger gebraucht als die angegebenen fünf Stunden. Deshalb war ich auch wirklich froh, nicht den Zehn-Wochen-Kurs gewählt zu haben.

Ägypten, China und mehr – im Schnelldurchlauf

Der spannende Teil beginnt mit einer Übersicht, in der alle Vorhersagemethoden, die im Kurs behandelt werden sollten, vorgestellt werden. Die Auswahl ist relativ vielseitig, vom Orakel von Delphi, zu Methoden aus dem Alten Ägypten, China und der Maya. Zu jedem Thema gibt es einen längeren erklärenden Text und dann mindestens zwei Videos in denen das Thema veranschaulicht wird. Diese Videos sind vermutlich auch der Grund, warum man den Kurs gar nicht in der angegeben Zeit schaffen kann, sie nehmen einfach viel Zeit ein. Und das obwohl ich sie schon bei 1,5-facher Geschwindigkeit geschaut habe und mich immer wieder gefragt habe, warum so komisch gesprochen wird.

Was ich persönlich besonders gut fand war, dass es nicht meine Professorin Ms. Goodman war, die die einzelnen Themen vorgestellt hat, sondern noch mal andere Professor*innen. Jedes Thema wurde von einem Spezialisten bzw. einer Spezialistin erklärt. Eine der vorgestellten Methoden war das chinesische „bone burning“ mit einem sogenannten „Orakelknochen“,  in den man mit einem glühenden Stab hineinsticht. Dadurch entsteht ein Riss und der wird anschließend interpretiert. Dieses Verfahren demonstrierte einer der Professoren. Ein anderer Professor war sogar bei einem Babalawo, einem afrikanischen Priester, der ihm gezeigt hat, wie das bis heute genutzte Ifa-Orakel funktioniert. Bei diesem gibt der Babalawo Tipps zu Lebensentscheidungen und nutzt dabei Palmnüsse und die heilige Textsammlung seines Volkes.

Was mich an dem Harvard-Kurs besonders interessiert hat

Besonders interessiert hat mich aber das Video zum Kaffeesatzlesen. Für dieses hat sich nämlich Prof. Goodman mit einem Harvard-Studenten aus der Türkei getroffen und sich selber aus ihrem Kaffeesatz die Zukunft lesen lassen. Der Student erzählte, dass er das früher oft für Touristen gemacht hat und man es auch untereinander oft macht, um mal wieder ein längeres Gespräch zu führen und sich gegenseitig aus dem Leben zu erzählen. Es geht also vor allem darum sich füreinander Zeit zu nehmen und soziale Kontakte zu pflegen.

Ein weiteres Highlight für mich waren die Videos zu Tarot, bei denen ein Professor, der eigentlich Physik lehrt, seine gesammelten Tarot Decks präsentiert hat und dabei eigentlich nur über die verschiedenen Kunststile der Karten gesprochen hat.

https://www.instagram.com/p/CCrF5PhBmXx/

Darauf folgten Diskussionsvideos in denen die vorher gezeigten Professoren darüber diskutierten, wie sich die verschiedenen Prognose und Voraussagungsmethoden unterscheiden oder wo sie vielleicht etwas gemeinsam haben. Insgesamt waren doch alle sehr unterschiedlich- Gemeinsam hatte sie vor allem, dass die Person, die eine Voraussagung erhält meist selbst entscheiden muss, was sie jetzt genau damit machen soll.

Natürliche Phänomene wie Kometen, die auch immer als Omen angesehen wurden, wurden sowohl in Europa, als auch in Amerika und auf anderen Kontinenten gedeutet. Das Problem ist nur, dass man aus ihnen immer erst im Nachhinein schlau wird. Die Azteken sagten zum Beispiel nach der Ankunft der Spanier, dass ein Komet sie darauf hingewiesen hatte. Auch wenn vor während Kriegen Kometen auftauchten war das kein sehr verlässliches Omen: wessen Niederlage oder Erfolg soll er denn nun anzeigen?

Schaffe ich den Abschluss?

Nachdem ich alle Videos angeschaut habe, ist es schließlich so weit: Ich muss beweisen, wie viel ich gelernt habe. Ich weiß nicht, was ich von einem Harvard-Test erwartet habe, aber ein Multiple-Choice-Bogen, bei dem ich meine Antwort einmal ändern darf, wenn sie falsch war, war es sicher nicht. Aber das muss ja keiner wissen und ich habe ohne Fehler bestanden und habe nach ein paar Tagen mein Zertifikat bekommen, auf dem ganz groß Harvard und mein Name steht.

Mein Ziel, den Namen einer amerikanischen Elite-Uni in meinem Lebenslauf anzugeben, ist also in Erfüllung gegangen. Ob das Thema meines Kurses mögliche Arbeitgeber*innen begeistern wird, kann ich nicht sicher sagen. Aber ich habe neuen Stoff, den ich als Fun Fact bei Bewerbungsgesprächen einwerfen kann.

Am Ende war dieses ganze Erlebnis zwar nicht ganz kostenlos, wie ich anfangs gehofft hatte, aber ich musste wenigstens nicht tausende Dollar Schulden machen, wie es bei Harvard-Studierenden üblich ist.

Beitragsbild: Julia Güntzel/KURT

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