Von Bochum nach Berlin: Max Lucks ist 24 Jahre alt und sitzt seit letztem Jahr für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Dort gehört er zu den jüngsten Abgeordneten. Im Interview spricht er über seinen neuen Alltag, seine Forderungen für Studierende und was er bis zum Ende seiner Amtszeit erreicht haben will.
Erinnere dich mal an den Abend des 26. Septembers: Du befindest dich gerade auf der Wahlparty in der Parteizentrale der Grünen in Bochum. Viele Menschen, die dich beim Wahlkampf unterstützt haben, sind mit dir im Raum, während die Prognosen bekannt werden. Wie hast du dich in dem Moment gefühlt, als sicher war, dass du in den Bundestag einziehen wirst?
Das war ein krass überwältigendes Gefühl. Auf der einen Seite war ich natürlich glücklich, weil es funktioniert hat. Und der Druck des Wahlkampfes ist von mir abgefallen, weil auch das Ergebnis in Bochum gut war. Andererseits habe ich gespürt, wie sich wieder ein wenig Druck aufgebaut hat, weil ich mir dachte: „Es ist wirklich passiert. Jetzt habe ich so eine krasse Aufgabe und es kommen bestimmt 1000 Dinge auf mich zu.“
Prognosen können sich ja schnell ändern. Wann genau hast du realisiert, dass du es geschafft hast?
Als die ersten Prognosen kamen, haben alle gesagt: „Bei den Werten wirst du auf jeden Fall drin sein, Max.“ Doch man wusste noch gar nicht wie der Zweitstimmenanteil in NRW sein wird, weswegen ich lieber noch abwarten wollte.
Bei der allerersten Mandatsprognose gegen 22 Uhr war dann sicher, dass ich in den Bundestag einziehen werde. Da wurde klar, dass 23 Mandate auf die Grünen in NRW entfallen und das hieß, dass ich mit meinem Listenplatz 14 sicher drin bin.
Auf welche Person warst du am meisten gespannt, sie im Bundestag zu treffen?
Das ist jetzt vielleicht ein bisschen hochgegriffen, aber ich würde sagen Angela Merkel. Ich finde sie trotz aller politischen Unterschiede, die ich mit ihr habe und die auch die Grüne Jugend beziehungsweise die Grünen mit ihr haben, sehr sympathisch und interessant.
Du bist vor zehn Jahren in die Grüne Jugend eingetreten und engagierst dich seit 2013 bei der Partei. Warum hast du damals damit angefangen?
Als ich 14 Jahre alt war, gab es zwei unterschiedliche Gründe, die mich dazu bewegt haben. Auf der einen Seite war Wattenscheid, wo ich aufgewachsen bin, eine Nazihochburg. Bei mir Zuhause um die Ecke war die NPD-Landeszentrale. Ein paar Freund*innen von mir, die zum Beispiel einen türkischen Namen haben, haben deshalb bestimmte Straßen gemieden. Deswegen haben Schulfreund*innen von mir die Antifa Jugend Wattenscheid gegründet, woran auch ich beteiligt war. Dabei wurde die Gruppe stark von den Grünen unterstützt. Das hat mich beeindruckt.
Und der zweite Grund?
Zur gleichen Zeit sollte damals der Bahnhof in Wattenscheid geschlossen werden. Wenn du 14 bist und aus Wattenscheid kommst, ist das das Tor in die Welt. Die Grüne Jugend hat sehr viel gegen die Schließung unternommen. Das war der Auslöser für mich. Und irgendwie hat mich die politische Arbeit dann Blut lecken lassen, weil ich gemerkt habe, dass man durch Engagement was verändern kann. Der Bahnhof in Wattenscheid ist geblieben. Durch das Engagement einer größeren Bewegung, wovon die Grünen ein Teil waren.
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Im Durchschnitt sind die Bundestagsabgeordneten 47,5 Jahre alt und somit deutlich älter als du. Du bist einer von sechs Politiker*innen unter 25. Hast du das Gefühl, dass man als junge*r Politiker*in anders behandelt wird?
Ein bisschen. An der Pforte zum Bundestag gibt es manchmal witzige Situationen. Zum Beispiel, wenn die Sicherheitsleute einem zuerst nicht glauben, dass man Abgeordneter ist und einen mit dem Praktikanten verwechseln.
Warum glaubst du ist es wichtig, dass junge Menschen stärker im Bundestag vertreten sind?
Weil junge Menschen von bestimmten Problemen spezifisch betroffen sind. Die Klimakrise ist zum Beispiel ein wahnsinnig ausschlaggebendes Thema für das Engagement unserer Generation. Dort haben wir verstanden, dass wir auch handeln und uns um die eigene Repräsentation kümmern müssen. Das heißt, wir sind als junge Menschen noch einmal viel stärker in der Pflicht, uns zu engagieren und für unsere Überzeugung einzutreten. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass unsere Perspektiven oft nicht ernst genommen werden, wenn wir uns nicht selbst einbringen und durchkämpfen. Nur so können wir was verändern.
Dass junge Menschen im Bundestag vertreten sind, darf in meinen Augen aber kein Selbstzweck sein. Es gibt auch jüngere Abgeordnete von der FDP und der CDU, mit denen ich weniger gemeinsam habe als mit älteren Politiker*innen von den Grünen.
Wie sieht dein typischer Tag als Abgeordneter aus? Gibt es den überhaupt?
Nein, den gibt es nicht. Normalerweise wache ich auf und bin sehr müde, weil ich gerade wenig schlafe. Und dann versuche ich, mir schnell einen Kaffee zu kochen, während ich mich fertig mache und wuselig aus dem Haus renne, um die U-Bahn noch zu bekommen. Meistens fahre ich zu einer Teambesprechung, zu Pressegesprächen oder Treffen mit anderen Abgeordneten, bei denen wir uns über die aktuelle Lage beraten. Manchmal habe ich auch eine Vorbereitungsrunde für die Koalitionsverhandlungen, eine Fraktionssitzung oder abends ein großes Get-together mit der Fraktion.
Wie stark warst du in die Koalitionsverhandlungen einbezogen?
Als Fraktionsmitglieder waren wir alle miteingebunden. Von den neuen Abgeordneten die meisten nicht direkt mitverhandelt, aber das finde ich okay. Wir haben die Verhandlungen vorbereitet und in kleineren Arbeitsgruppen über den aktuellen Stand der Verhandlung gesprochen. Dazu habe ich dann auch meine manchmal unbequeme Meinung gesagt, zum Beispiel in der Fraktionssitzung.
Es gab jetzt nicht nur den Druck eines guten, formalen Ablaufs der Verhandlungen. Wir als junge Abgeordnete müssen auch den politischen Druck an unsere Partei liefern. Die Grünen wurden dieses Jahr von so vielen jungen Menschen gewählt wie noch nie. Und die erwarten jetzt zurecht, dass wir was tun in der Klimafrage. Das versuchen ich und viele andere Abgeordnete einzubringen.
Welche Themen möchtest du vor allem für junge Menschen im Bundestag angehen?
Junge Menschen haben unter der Corona-Pandemie besonders gelitten. Wir hatten 2020 so wenig abgeschlossene Ausbildungsverträge wie seit 1992 nicht mehr. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass der Staat uns Perspektiven und ein Stück weit Sicherheit gibt. Das gilt genauso für die Studienfinanzierung. Ich glaube, das ist die Gretchenfrage der nächsten Jahre. Wir können nicht damit weitermachen, dass Studierende sich mit irgendwelchen Jobs über Wasser halten müssen, weil sie formal den Bafög-Kriterien nicht entsprechen. Das ist ein völlig gescheitertes Modell und da muss endlich eine große Reform her.
Es ist stressig, neben der Uni zu kellnern oder zu jobben. Durch die Corona-Pandemie und den Wegfall von einzelnen Arbeitsbereichen ist es noch schwieriger für Studierende geworden. Und wir wissen nicht, ob sich die Situation wieder bessern wird. Es geht darum, dass alle Leute unabhängig vom Geldbeutel die Möglichkeit haben, zu studieren.
Welche Forderungen stellst du noch für Studierende?
Ein Punkt ist die Frage der Drittmittelfinanzierung. Unsere Hochschulen sind oftmals von solchen Mitteln abhängig. Es ist gerade aus der Sicht der Friedenspolitik hochproblematisch, wenn am Ende Rüstungskonzerne die Studiengänge im Maschinenbau mitfinanzieren. Hier muss sich dringend etwas ändern und da muss auch von der Bundesebene Druck kommen.
Aber es geht noch um so viel mehr. Es geht darum, dieser politischen Bewegung von jungen Menschen eine Stimme und ein Gesicht zu geben. Diese Bewegung äußert sich nicht nur zum Klimaschutz, sondern auch zu Seebrücken, Menschen- und LGBTI*+-Rechten und hat eine sehr wehrhafte Haltung gegen Rassismus.
Stell dir vor, deine erste Amtszeit im Bundestag endet. Was willst du bis dahin erreicht haben?
An dem Tag, an dem die Legislaturperiode endet, ist die Bundestagswahl schon vorbei. Ich möchte, dass die Wahlbeteiligung junger Menschen extrem ansteigt und dass sie dazu führt, dass die AfD aus dem Bundestag fliegt. Außerdem hoffe ich, dass wir endlich eine linke Mehrheit in diesem Parlament haben, mit der wir in großen Schritten etwas verändern können.
Und ich möchte, dass es in diesem Land sichere Perspektiven für alle jungen Menschen gibt, egal ob in der Ausbildung, im Studium oder in der Arbeitswelt. Ich möchte, dass wir ein gerechteres Land sind, das viel für den Klimaschutz tut.
Außerdem ist mir persönlich die Menschenrechtspolitik besonders wichtig. Zum Beispiel möchte ich, dass Deutschland zu diesem Zeitpunkt die Waffenexporte in Diktaturen wie Saudi-Arabien beendet hat.