Indoor-Kultivierung soll die Zukunft der Nahrungsproduktion darstellen. In großen Hallen unter Neonlicht werden Produkte wie Salat und Kräuter gezüchtet. In den Supermärkten findet man aber weiterhin nur Produkte aus der herkömmlichen Landwirtschaft.
Vierzehn Etagen Salat unter Neonlicht in sterilen Hallen: So sieht die größte Vertical-Farm Europas in Kopenhagen aus. Unter stark kontrollierten Bedingungen wachsen Pflanzen in Wasser statt auf Ackerböden. Die Nahrungsproduktion der Zukunft hat nur noch wenig mit der herkömmlichen Landwirtschaft zu tun. Ohne Sonnenlicht werden die Pflanzen in einem geschlossenen Wasserkreislauf mithilfe von LED-Leuchten gezüchtet. Vertical-Farming verspricht als Produktlieferant Nachhaltigkeit und Effizienz – Warum sind die deutschen Supermärkte dann noch nicht voll mit diesen Produkten?
Prof. Stefan Schillberg, Bereichsleiter für Molekulare Biotechnologie am Fraunhofer-Institut in Aachen, sieht beim Vertical-Farming viele positive Aspekte im Vergleich zur herkömmlichen Landwirtschaft. So müssen beispielsweise Düngemittel nur in geringen Mengen eingesetzt werden und Pestizide gar nicht. Außerdem können die Hallen auch in Gebieten gebaut werden, in denen eigentlich keine Landwirtschaft möglich ist. Denn die Hallen bieten den Pflanzen ein in sich geschlossenes System – unabhängig von der Außenwelt. Die konventionelle Landwirtschaft verbraucht 70 Prozent des Frischwassers, das den Menschen global zur Verfügung steht. Die Farmen benötigen aufgrund der hocheffizienten Systeme 95 Prozent weniger Wasser. So hat es die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung errechnet.
Bisher noch nicht im Supermarkt
Der Grund dafür, dass sich Vertical-Farming in Deutschland trotz der vielen Vorteile noch nicht flächendeckend etabliert hat, ist laut Schillberg hauptsächlich der Kostenfaktor. Der Preis dieser Nahrungsmittel sei bislang im Vergleich zu den Produkten vom Acker sehr hoch, da der Energieverbrauch der Klimatisierung und der Beleuchtung durch den Verkaufspreis gedeckt werden müsse.
Zudem gehören nährstoffreiche Pflanzen, wie Mais, Soja und Kartoffeln noch nicht zum Sortiment der neuen Produktionsstätten. Schillberg erklärt: „Diese Nährstofflieferanten stellen über 80 Prozent der Kalorien dar, die wir als Konsumenten verzehren. Die werden im Moment noch preiswert produziert und können deshalb so schnell im Indoor-Farming nicht konkurrenzfähig angeboten werden.” Es werde zwar daran gearbeitet, auch Pflanzen mit einem hohen Nährstoffgehalt mithilfe der neuen Anbaumethode zu züchten, jedoch werde dies noch etwas dauern. „Es ist auch ein bisschen eine Wette darauf, dass sich die Rahmenbedingungen im Feld so verschlechtern, dass die Indoor-Farmen konkurrenzfähig werden.”
Umweltbelastung fehlt
Ein zusätzlicher Grund für die bisher schleppende Etablierung sei auch, dass die Umweltverschmutzung der herkömmlichen Landwirtschaft durch Traktoren, Pestizide und Düngemittel nicht ausgeglichen werden müssen, so Schillberg. Wenn diese negativen Auswirkungen auf die Umwelt in den Verkaufspreis miteinberechnet werden würden, sähe es, fragt man Schillberg, mit der Konkurrenzfähigkeit der Indoor-Farmen schon ganz anders aus.
Die herkömmliche Landwirtschaft belastet jedoch nicht nur die Natur, sondern führt auch zu Bodenerosionen auf den bewirtschafteten Flächen. Nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung können 30 Prozent der Böden weltweit ihre ökologischen und ökonomischen Funktionen nur noch vermindert oder gar nicht mehr erfüllen.
Zwar hat die Technologie des Vertical-Farmings viele Vorteile im Bezug auf Nachhaltigkeit und die Belastung der Umwelt, allerdings fehle für die feste Etablierung finanzielle Unterstützung. Investor*innen würden das Risiko scheuen. „Wenn man eine Fabrik aufbauen will, muss man ein paar Millionen in die Hand nehmen. Diese Hürde muss erst genommen werden und daher warten viele ab, ob es sich wirklich um ein erfolgreiches Geschäftsmodell handelt”, so Schillberg. Die relativ neue Technologie wird zwar laufend weiterentwickelt, bis die Produkte aber im großen Stil in den deutschen Supermärkten landen, werde noch einige Zeit vergehen. Schillberg sagt: „Es wird ein Prozess sein, der langsam fortschreitet. Es werden nicht in zehn Jahren alle Lebensmittel nur noch indoor erzeugt werden. Aber die Produktion wird zunehmen.”
Beitragsbild: pixabay.com/k-e-k-u-l-é