Vertical Farming – Ein Erklärstück

Beitragsbild von Bruno Germany/pixabay

Die Landwirtschaft produziert neben Nahrung auch viel CO2. Sie bildet in Deutschland eine der Hauptursachen für den Ausstoß von Treibhausgasen. Weil sich das ändern muss, forscht Professor Senthold Asseng von der TU München mit seinem Team an Alternativen.

Lebensmittel werden auf wenig Raum und vor allem in die Höhe angebaut. Auf den Einsatz von Pestiziden wird verzichtet und bewässert werden die Pflanzen in einem Kreislauf: Wer über moderne Landwirtschaft spricht, kommt an Vertical Farming nicht mehr vorbei. Zu groß sind die Vorteile. Kritisch sind derzeit noch die hohen Energiekosten. In den Vertical Farms entstehen hohe Kosten, weil etwa die Pflanzen mit LED-Lichtern versorgt werden.

So oder ähnlich könnte der Salat in Zukunft wachsen. Foto: pixabay.com/BrightAgrotech

Vertical Farms produzieren Lebensmittel, wie Landwirt*innen auf den Feldern auch. Der Unterschied: In den Vertical Farms passiert dies unabhängig von äußeren Faktoren. Da die Pflanzen ohne Erde und in einem abgeriegelten System angebaut werden, liegt ein geschlossener Wasserkreislauf vor. Die Pflanzen wachsen durch künstliche Halterungen, die sie aufrecht halten. Die Wurzeln werden mit Wasser bespritzt. So beschreibt es Senthold Asseng, Professor und Direktor des Hans Eisenmann Forums an der TU München. „Es gehen auf diese Weise keine Nährstoffe verloren. Da kein Wasser versickern kann und die Pflanzen alles Wasser und die damit enthalten Nährstoffe aufnehmen können.“

Die Farm ist also ein geschlossenes, unabhängiges Ökosystem. So könne ökologisch sauber produziert werden, erklärt Senthold Asseng. „Das wird besonders interessant in Regionen, in denen wir wenig Wasser haben: Wüstengebiete in ganz Nordafrika oder der Arabische Raum. Da wird bisher viel Weizen importiert.“

Hohe Kosten als Problem

Ein Problem des Vertical Farming sind die Kosten. Asseng forscht mit seinem Team im Fachbereich „Digital Agriculture“. Das Team hat eine fiktive Farm für Weizen konzipiert. Auf der Grundfläche eines Hektars würden 100 Schichten Getreide angepflanzt, etwa 120 Meter hoch. „Das Gebäude selbst würde eine Milliarde Euro kosten“, erklärt Asseng. Brot mit Weizen aus dieser Anlage wäre unbezahlbar für die Verbraucher*innen.

Es gibt jedoch zusätzlich die Möglichkeit, andere Pflanzen in diesen Farms anzubauen, zum Beispiel Salat. Und der ist für die Verbraucher*innen bezahlbar. Das liegt zum einen daran, dass der Produktionsaufwand deutlich geringer ist, da der Wachstumszeitraum kürzer ist und so auch weniger Licht benötigt wird – also weniger Strom. Zum anderen ist der Preis für Salat vom Feld um ein Vielfaches höher als der von Weizen. Der Salat aus den Vertical Farms kann also preislich mit dem Salat vom Feld konkurrieren, erklärt Asseng. Zum Vergleich: Ein Kilogramm Weizen kostet 30 Cent. Für dasselbe Gewicht an Salat beträgt der Preis aktuell 10 Euro.

Probleme dank Subventionen

Der Preis für Weizen ist nicht real, erklärt Asseng. Die deutsche Landwirtschaft wurde 2021 mit Subventionen aus der EU von 6,7 Milliarden Euro bedacht. So mussten bestimmte Kosten nicht an die Verbraucher*innen weitergereicht werden. Durch Niederschläge und Auswaschung im Boden gelangen zum Beispiel Nährstoffe auch im Weizenanbau ins Grundwasser, wodurch in manchen Regionen ein zu hoher Nährstoffgehalt vorliegt. Würden sich die Kosten für die Reinigung der Gewässer im Weizenpreis niederschlagen, wäre der wahrscheinlich doppelt so hoch, sagt Asseng.

Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland sinkt
Ein Problem der aktuellen Landwirtschaft ist laut Professor Senthold Asseng auch der gesellschaftliche Druck, möglichst billig zu produzieren. Und das auf Kosten der Qualität, der Umwelt und letztendlich der Landwirt*innen. Auch die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe sinkt: 2021 gab es noch 256.900 Betriebe in Deutschland. 1995 waren es mehr als doppelt so viele.

Wie Vertical Farming in Zukunft helfen kann

Das Team von Asseng konzentriert sich in der Forschung auf Weizenanbau in Vertical Farms. „Die Pflanzen, die wir kennen, haben wir über Züchtung an die Witterungsbedingungen auf den Feldern angepasst“, erklärt Asseng. „In den Anlagen gibt es aber kein Wetter. Wir können die Pflanzen also verändern, sodass sie qualitativ hochwertiger sind als die Pflanzen auf dem Feld. Die wetterbedingten Schwankungen der Inhaltsstoffe fallen weg.“ Auch die Ernteerträge können in den Farmen deutlich höher ausfallen. Geht man dann von mehreren Ernten pro Jahr und mehreren übereinander angeordneten Schichten aus, sieht Asseng diese bei einer Steigerung von über 1000 Prozent im Jahr.

 

Gerade in Entwicklungsländern ist Vertical Farming eine Möglichkeit, unabhängiger von Importen zu werden. Weltweit werde die konventionelle Landwirtschaft bestehen bleiben, so Asseng. Vor allem aber in Ländern, in denen wenig Wasser vorhanden ist, werde die neue Methode eine entscheidende Komponente sein. In Deutschland werde wahrscheinlich eine Mischung aus Vertical Farming und konventioneller Landwirtschaft entstehen. Denn auch hier werden exotische Früchte importiert. Vertical Farming bietet die Möglichkeit, sie selbst anzubauen und so Transportkosten zu sparen und die Umwelt zu schonen.

 

Beitragsbild: pixabay.com/Bru-nO

Ein Beitrag von
Mehr von Joel-Patrice Kurzweil
KURT – Das Magazin: Alpakas, Inflation und Radfahren in Dortmund
Margit und Stefan Spiekermann sind Besitzer einer Alpakafarm im Sauerland. Der Alltag...
Mehr
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert