Der Umzug in eine neue Stadt bringt neben Freiheit oft auch Einsamkeit. Im Girls Club treffen sich junge Frauen um lockere Gespräche, neue Kontakte oder sogar eine Freundschaft fürs Leben zu finden.
In der Theorie klingt es so einfach. Ich ziehe in eine neue Stadt und lerne da meine allerbesten Freundinnen für den Rest meines Lebens kennen. Trotzdem ist da dieses mulmige Gefühl: Klappt das alles? Werden mich alle mögen? Was ist, wenn ich keinen Anschluss finde? Die Lösung für all diese Fragen scheint genau vor mir zu liegen. Ich schaue auf ein kleines Café, um die 30 Frauen stehen davor. Alle sind heute aus demselben Grund hier: Sie wollen wahre Freundinnen finden.
Das ist das Konzept des Girls Clubs: Junge Frauen können sich bei verschiedenen Veranstaltungen in ganz NRW anmelden, um dort Gleichaltrige zu treffen. Über den eigenen Schatten springen und die Schüchternheit überwinden – dafür bin auch ich heute hier.
Freundschaft auf Knopfdruck?

Am Café angekommen, sehe ich Delia Romahn. Sie ist eine der Gründerinnen des Girls Clubs. Herzlich umarmt sie mich und ich fühle mich direkt wohl. Schnell kommen wir ins Gespräch: „Bei über der Hälfte der Mädels ist es so, dass sie neu in der Stadt sind und es schwer finden, neue Personen kennenzulernen“, sagt Delia. „Viele studieren und finden keinen richtigen Anschluss. Für die meisten geht es nicht darum, ihren Freundeskreis zu erweitern, sondern überhaupt Personen zu finden, mit denen sie sich hier wohlfühlen.“
Die Ursprungsidee für den Girls Club stammt aus England. In Deutschland gibt es ähnliche Events, die aber nur für einzelne Städte. „Wir dachten uns: Es wäre ganz cool, wenn wir das Konzept in ganz NRW anbieten. Wir haben festgestellt, dass NRW wie eine große Stadt ist. Man kommt superschnell von einem Ort zum anderen. Dann ist es halt auch schön, wenn du Menschen aus Essen, Köln oder Dortmund kennst.“
Neue Stadt und Neuanfang

Ich verstehe das nur zu gut: Auch ich bin für mein Studium neu nach Dortmund gezogen und gerade am Anfang war es schwer, Freundinnen zu finden.
Das Café ist hell und einladend, mir fallen besonders die vielen grünen Pflanzen inmitten der Deko auf. Am Tresen entdecke ich veganen Schokokuchen, Zimtschnecken und ein frisch gebackenes Bananenbrot. Hinter der Bar arbeiten zwei junge Frauen, sie servieren Matcha in den unterschiedlichsten Ausführungen.
Eine fremde Stimme und ein erster Kontakt
Einige der Teilnehmerinnen stehen etwas verloren herum, andere beginnen mit vorsichtigem Smalltalk. Ich beobachte erst einmal still, bis mich eine Stimme aus meinen Gedanken reißt: „Bist du auch für den Girls Club hier?“ Viviane und ich kommen ins Gespräch. Sie ist nach ihrem Auslandssemester zurück nach Deutschland gekommen und hat dann an der Uni etwas den Anschluss verloren. „Eigentlich bin ich super zurückhaltend, deswegen hatte ich ein bisschen Angst vor heute“, gibt sie zu. „Heute versuche ich, aus meiner eigenen Komfortzone auszubrechen.“
Viviane und ich bestellen uns zwei Iced-Matcha. Unser Smalltalk wird mit jeder Minute ein bisschen gehaltvoller und freier.
Freundschafts-Blinddate

Vor dem Café steht Delia. Sie lächelt in die Runde und ruft uns alle zusammen. Sie stellt uns den Plan für das Event vor: Wir spazieren gemeinsam zu verschiedenen Läden und Cafés. Außerdem verteilt Delia Nummern an uns. Wer die gleiche Nummer hat, unterhält sich ein paar Minuten. Ich fühle mich ein bisschen wie bei einem Blinddate und starre auf meine Zahl – die drei. Schnell bildet sich um mich herum eine Gruppe von ungefähr fünf Frauen. Schon wieder bemerke ich, wie ich leicht nervös werde.
Durch das Nummernsystem lerne ich immer wieder neue Frauen kennen. Anfangs unterhalten wir uns über banale Dinge, mit der Zeit wird es persönlicher. Eine Teilnehmerin erzählt mir von Heimweh, eine andere schildert mir Details aus ihrem Dating-Leben. Wir lachen, immer öfter auch über Dinge, die ich eigentlich nur guten Freundinnen erzählen würde. Mir wird klar, dass diese Runde nur aus Frauen für mich eine Art Safespace ist. Auch die Nervosität wird langsam weniger.
Ein Lächeln, das Mut macht

Ich genieße die warmen Sonnenstrahlen, als ich Emma kennenlerne. Sie ist 20 Jahre alt und schon bei mehreren Girls Club Events dabei gewesen. Direkt begrüßt sie mich mit einem offenen Lächeln und ihrer selbstbewussten Ausstrahlung. Mit lebhafter Mimik und klarer Stimme erzählt sie, dass sie ganz am Anfang noch sehr schüchtern war. Ich staune, denn ich kann sie mir wirklich nicht als schüchterne Person vorstellen. Die Events hätten ihr geholfen, offener und kommunikativer zu werden. Interessiert frage ich sie, ob sie Tipps für mich hat. Wie knüpfe ich hier am besten neue Kontakte oder sogar Freundschaften?
„Du darfst dir keinen Druck machen, hier unbedingt neue Freundschaften fürs Leben schließen zu müssen. Du solltest dir das Ganze einfach angucken, einen schönen Tag haben und wenn es gut läuft, lernst du sogar jemanden kennen, mit dem du dein Insta austauschst.“ Emma lächelt mir ermutigend zu.
Nach unserem Gespräch sind wir an der zweiten Location angekommen. Der Laden wirkt wie ein Wohnzimmer im Boho-Stil. Auf hölzernen Regalen stehen handgetöpferte Vasen und selbstgegossene Kerzen. Im Hintergrund höre ich langsame Musik, während ich mich in den kleinen Details der Umgebung verliere. In einer kleinen Gruppe schlendere ich durch den Laden, die Gespräche sind dabei ruhiger und leiser – irgendwie vertrauter. Ein bisschen so, als hätten wir vergessen, dass wir uns vor zwei Stunden noch gar nicht kannten.
Kein Druck, kein Zwang
Es gibt weder Druck noch Zwang. Die Teilnehmerinnen hier sind alle in einer neuen Situation und bereit, sich aufeinander einzulassen. Plötzlich fühle ich mich sehr gut damit, aus meiner Komfortzone herausgegangen zu sein. Ob ich nun eine tiefe Freundschaft entwickle oder nicht, eins ist klar: Ich habe einen sehr schönen Nachmittag mit guten Gesprächen.
In der Gruppe besuchen wir zwei weitere Cafés, bis wir den Rückweg antreten. Nicht alle kommen mit zurück – einige der Teilnehmerinnen sind so ins Gespräch vertieft, dass sie sich entscheiden, bei der letzten Location zu bleiben.
Back to the roots – mit Veränderung?

Als wir wieder am ersten Café ankommen, fühlt sich alles anders an. Dieselbe einladende helle Deko und dieselben grünen Pflanzen wie am Anfang, trotzdem hat sich etwas verändert. Bei der Gruppe, bei den Gesprächen, aber vor allem bei mir. Vor einigen Stunden stand ich nervös und aufgeregt an dieser Stelle. Jetzt bin ich nicht mehr die stille Beobachterin und auch vom unverfänglichen Smalltalk habe ich mich gelöst. Ich habe ich etwas gelernt. Nicht nur für mich ist dieses Social-Event eine Art Challenge. Den meisten hier geht es ganz genauso.
Delia bedankt sich bei uns allen für die Teilnahme. Viviane kommt auf mich zu. Sie erzählt mir, dass es ihr leichtfiel, neue Menschen kennenzulernen. „Ich habe superschnell tiefere Gespräche geführt, alles, was über Smalltalk hinausging“, schwärmt sie. Die Atmosphäre nur unter Frauen habe ihr geholfen, sich wohlzufühlen. Wir überlegen, noch an weiteren Events teilzunehmen. Dann fragt sie mich nach meinem Instagram-Kontakt, vielleicht können wir in Kontakt bleiben und uns ab und zu an der Uni sehen. Ich freue mich und bin ein kleines bisschen stolz.
Raus aus der Komfortzone
Kurz bevor ich gehe, treffe ich noch einmal auf Delia. Sie erzählt mir, dass viele Teilnehmerinnen zu mehreren Events gehen. „Beim ersten Event wissen die Mädels noch nicht so richtig, was sie erwartet“, sagt sie. „Bei den nächsten Events sinkt die Hemmschwelle und sie gehen immer offener auf andere zu.“
Beitragsbild: pixabay.com/marusya21111999