Der zunehmende Kohlenstoff-Gehalt in den Ozeanen hat kurzweilig positive Effekte für den Klimawandel. Langfristig birgt er allerdings Gefahren. Denn das überschüssige CO2 hindert Lebewesen an der Kalkbildung und begünstigt die Produktion von Giftstoffen – mit Folgen für die Gesellschaft.
Seit Beginn der Industrialisierung pusten Menschen täglich Kohlendioxid in die Atmosphäre. Circa 30 Prozent des freigesetzten CO2 nehmen die Ozeane auf. Im ersten Augenblick etwas Positives. Das viele Kohlenstoffdioxid reagiert allerdings im Wasser und bildet Säuren. Heißt: Je mehr CO2 in die Meere gelangt, desto saurer werden sie. Der pH-Wert sinkt. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich der durchschnittliche pH-Wert der Ozeane von 8,2 auf 8,1 verringert – ein Anstieg des Säuregrads um 26 Prozent. Hinzu kommt: Je geringer der pH-Wert, desto weniger CO2 können die Ozeane aufnehmen.
Diese Erkenntnisse liefert das deutsche Forschungsprogramm Biological Impacts of Ocean Acidification (BIOACID). Seit acht Jahren haben mehr als 250 Forscher die Folgen der Ozeanversauerung untersucht. Am 30. November diesen Jahres endet das Projekt. Neben Naturwissenschaftlern waren auch Sozialwissenschaftler und Ökonomen an BIOACID beteiligt. Gefördert wurde die Zusammenarbeit vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Versiegt eine wichtige Sauerstoffquelle?
Ozeane erfüllen eine lebenserhaltende Funktion. Laut dem World Ocean Review erzeugen Meerespflanzen genauso viel Sauerstoff wie Landpflanzen. Fast die gesamte Masse des im Meer produzierten Sauerstoffs gelangt zurück in die Luft. Somit stammen fast 50 Prozent des Sauerstoffs, den wir täglich einatmen, aus dem Meer. Den größten Anteil daran haben Einzeller wie die Alge Emiliania Huxleyi. Sie sieht aus „wie ein kleiner Fußball“, sagt der Meeresbiologe Lennart Bach vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.
Das liegt an den vielen kleinen Kalkplättchen, aus denen ihr Skelett besteht. Eine große Zahl maritimer Lebensformen nutzt Kalk für das Grundgerüst ihrer Körper, darunter Korallen, Austern und Seeigel. Durch den sinkenden pH-Wert im Meer wird die Kalkherstellung für die Organismen erschwert.
Im Rahmen des BIOACID-Programms haben Wissenschaftler dieses Phänomen anhand der Emiliania Huxleyi untersucht. In einer Feldstudie, bei der Wissenschaftler des GEOMAR eine Ozeanversauerung im natürlichen Lebensraum nachgestellt haben, zeigen sich starke Einbrüche in den Populationen der Alge. Die Emiliania Huxleyi ist in großem Maße an der Sauerstoffproduktion im Meer beteiligt. Zur Blütezeit bildet sie riesige Teppiche, die sogar vom Weltall aus zu sehen sind. Würden große Teile der Population wegfallen, könnte das zu einer noch höheren CO2-Konzentration in der Atmosphäre führen.
Ein gefährliches Zusammenspiel
Damit steht die Ozeanversauerung in einer engen Beziehung zur Erwärmung der Weltmeere. Laut eines Reports des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) von 2014 stieg die durchschnittliche Temperatur der Ozeane seit Mitte des 19. Jahrhunderts um 0,7 Grad Celsius. Das mit Kohlenstoff angereicherte Oberflächenwasser ist dadurch deutlich wärmer. Die Vermischung der Schichten wird verlangsamt und das Tiefenwasser, das kohlenstoffärmer ist, kann schlechter wieder an die Oberfläche gelangen.
Einige schädliche Bakterienarten profitieren von dieser Konstellation. Am Leibnitz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) hat die Meeresbiologin Nicola Wannike für das BIOACID-Programm an Cyanobakterien, fälschlich oft als Blaualgen bezeichnet, geforscht. Die Populationen wachsen unter gegebenen Umständen explosionsartig, was Folgen für Ökosystem und Mensch haben kann. Der Grund: Cyanobakterien produzieren Giftstoffe. Bei Menschen können sie Hautreizungen und Übelkeit verursachen, bei kleineren Meereslebewesen führen sie hingegen zu schwerwiegenden Leberschäden und damit nicht selten zum Tod.
Auf lange Sicht schadet die Ozeanversauerung damit auch der Wirtschaft – besonders der Fischerei- und Tourismusbranche. Denn wenn sich Ökosysteme verändern und Fischpopulationen in tiefere Gewässer wandern, könnte der Fischfang für kleinere Boote zu schwierig und gefährlich werden. Die Folge: geringere Fangquoten und weniger Einnahmen. Dem Meerestourismus entgingen diese wiederum, da Anbieter bei der Fischabwanderung künftig auf beliebte Erlebnisse wie Walbeobachtungen verzichten müssten.
Das Ziel des BIOACID-Teams ist klar: Durch das Programm sollen die Weltbevölkerung, insbesondere aber die Entscheider in Politik und Wirtschaft, auf das Problem aufmerksam werden.
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