Ein Semester in Seoul – komm mit!

Die eine fliegt nach Korea, die andere kommt von dort nach Deutschland: Beide machen ein Auslandssemester. Sich in einem fremden Land zurechtzufinden, ist am Anfang gar nicht einfach! Wir haben die Studentinnen Nathalie und Soyeon getroffen und mit ihnen über Höflichkeit, Essgewohnheiten und das Nachtleben gesprochen.

Korea, da wollte sie hin. Nathalie sitzt im Schneidersitz auf ihrem Bett. Den Laptop, Prospekte über Reisen nach Ostasien und einen Block voller Ideen vor sich ausgebreitet. Mit einem Lächeln nimmt sie den Stift und unterstreicht das Wort Korea. Es steht sowieso oben auf ihrer Liste, doch jetzt ist sie sich sicher. Asien hatte sie schon immer geliebt. Ostasien besonders. Doch keiner ihrer Freunde wollte mit ihr dorthin reisen. Ein Auslandssemester in Südkorea ist eine Möglichkeit für sie, länger, als nur für einen Urlaub nach Ostasien zu reisen.

Nathalie Hermanski, Foto: Lilith Teusch

Sie traut sich, eine Bewerbung zu schreiben und bekommt den Platz. Die Lehramtsstudentin ist nicht die Einzige an der TU Dortmund, die in Südkorea ein Auslandssemester macht. Jedes Semester schickt die Uni acht bis neun Studenten an die verschiedenen Partneruniversitäten dort. Im Moment pflegt die TU Dortmund drei Partnerschaften mit südkoreanischen Universitäten: der Chungnam National University, der KAIST und der Sookmyung Woman’s University.

Nathalie entscheidet sich für die Sookmyung Woman’s University – mitten in der 10 Millionen Hauptstadt Südkoreas: Seoul.

Man hat mich auch gefragt, ob es für mich okay ist, alleine da zu sein – an der Uni, in der Stadt. Aber genau das ist, was ich wollte. Alleine irgendwo ausgesetzt zu sein, ohne irgendetwas zu können, alles entdecken.Nathalie Hermanski

Andere Länder, anderes Essen

“Ich habe auch einen koreanischen Freund in Deutschland und der hat mir gesagt, auf was ich mich gefasst machen muss.” Ein Glück für Nathalie, denn obwohl Korea recht westlich scheint, ist die Kultur eine andere.

Der wohl größte Unterschied zwischen Deutschland und Korea liegt in der Bedeutung des Alters. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn man in Korea neue Leute kennenlernt, nach dem Namen auch gleich das Alter wissen zu wollen. Das Alter spielt in Korea eine große Rolle. Je nachdem, wie alt jemand im Vergleich zu einem selbst ist, verändern sich die gesamte Sprache und auch die Höflichkeitsgesten. Je größer der Altersunterschied, desto höflicher und tiefer die Verbeugung.

Auch die Feierkultur ist eine andere. Anstatt in einem Restaurant oder einer Bar einen ganz Abend zu verbringen, ziehen Koreaner von einem Platz zum nächsten. Soyeon Jun war deshalb sehr überrascht, als das gemeinsamen Essen mit Freunden in Deutschland in nur einem Restaurant stattfand. Die 20-jährige Koreanerin studiert Politikwissenschaften und internationale Beziehungen an der Sookmyung Woman’s University in Seoul. Für ein Auslandssemester ist sie an der TU Dortmund. An das Leben in Deutschland hat sie sich schnell gewöhnt.

Soyeon Jun; Foto: Lilith Teusch

Soyeon holt die Weingummis aus ihrer Tasche. Ihre zweite Tüte diese Woche – und es ist erst Dienstag. Weingummi ist in Korea schwierig zu bekommen, deshalb genießt sie es, sich fast jeden zweiten Tag im Supermarkt damit einzudecken. Plötzlich stoppt sie. Sie hatte sich inzwischen daran gewöhnt, dass bei schönem Wetter alle draußen sind. Etwas, was sie von ihrer Universität in Korea nicht kennt. Dort sitzen die Studenten auch bei schönem Wetter drinnen. Überraschend ist aber der Typ, der mit freiem Oberkörper auf der Wiese sitzt und sich bräunt. Niemand in Korea würde sich in der Öffentlichkeit entkleiden.

“Das hat mich schockiert, in Korea macht man das nicht, wir mögen keinen Sonnenschein.”Soyeon Jun

Trotzdem genießt Soyeon vor allem die Natur in Deutschland. Seoul sei eine schöne Stadt, doch manchmal eben zu viel Stadt, findet sie. In Dortmund mag Soyeon den klaren blauen Himmel und die frische Luft. An Zuhause denkt sie besonders beim Essen: “Mir fehlt würziges, scharfes Essen, aber im Großen und Ganzen vermisse ich eigentlich nicht viel. Ich mag Deutschland.”

In Südkorea trägt man, was man möchte

Sookmyung Woman’s University, Seoul, Korea, Foto: Soyeon Jun

Nicht nur im Alltag, auch am Campus laufen die Dinge in Korea anders, als in Deutschland. “Ich habe den Eindruck, dass das Semester in Korea mehr Arbeit ist, weil wir Zwischenprüfungen und Abschlussprüfungen haben”, berichtet Soyeon. Nathalie sieht in diesem System allerdings einen entscheidenden Vorteil. Denn dadurch, dass alle Abgaben und Klausuren innerhalb des Semesters stattfinden, hat man tatsächlich in der vorlesungsfreien Zeit Ferien.

Auch während der Vorlesungen gibt es Unterschiede. In Deutschland sind wir es gewohnt, zwischendurch die Hand zu heben und Fragen zu stellen. Vielen Dozenten ermutigen die Studenten auch dazu. In Korea werden Fragen dagegen nach der Vorlesung oder per Mail gestellt. “Koreanische Studenten sind sehr schüchtern und fragen den Professor nichts, während der Vorlesung. Man würde das für unverschämt halten, den Professor so mitten in der Stunde zu unterbrechen”, erklärt Soyeon.

Dafür ist die Haltung zur Kleidung auf dem Campus in Südkorea viel entspannter. Etwas, was Nathalie besonders schätzt. Dort würden auch all ihre Nachbarn sie in Jogginghose kennen. In Deutschland wäre es für sie undenkbar, draußen in Jogginghose herumzulaufen. Trotzdem gab es immer auch Studenten, die selbst bei 30 Grad topgestylt zur Uni kamen.

“Da ist, es egal was du trägst, du bist nicht underdressed, du bist nicht overdressed.”Nathalie Hermanski

Ostasien hat westliche Züge

Laura Hope vom Referat Internationales, Pressefoto

Laura Hope vom Referat Internationales an der TU Dortmund koordiniert unter anderem die Auslandsaufenthalte in Südkorea. Sie meint, deutsche Studenten kommen in Korea besonders gut klar, weil Korea vergleichsweise westlich gestaltet ist und man auch mit Englisch sehr gut weiterkommt. “Korea und auch zum Teil Japan, das sind die zwei Länder, wohin die Studenten einfach immer wieder zurückgehen wollen. Ich würde am liebsten in Korea studieren, wenn ich noch einmal im Ausland studieren könnte”, sagt Laura Hope.

Darüber hinaus sei die Arbeitsethik in Korea der deutschen sehr ähnlich. Beide erledigen Arbeit “pünktlich und gewissenhaft”. Das gilt auch für die Studenten. “Alle Studenten, die nach Korea gehen, haben am Anfang ein bisschen Angst vor diesem Leistungsdruck, den sie einfach allgemein für asiatische Länder kennen. Das können die Studenten, die wiederkommen, nicht bestätigen.” Auch Nathalie hat trotz wöchentlicher Essays, Referaten und etlichen Seiten zum Lesen immer noch genug Zeit, in den vier Monaten ihres Auslandssemesters zu reisen.

Das Flugzeug setzt auf. Nathalie schaut aus dem Fenster. Der Frankfurter Flughafen ist versteckt hinter einer Regenwand. Das Abenteuer ist vorbei und demnächst kehrt wieder der Alltag ein: Uni, Kurse, Seminare und Abgaben an ihrer Heimat-Uni. Die Stewardess wünscht ihr zum Abschied noch einen schönen Tag. Nathalie verbeugt sich. Da muss sie lächeln. Vielleicht hat sie doch mehr aus Korea mitgenommen als nur schöne Erinnerungen.

Bist du auch an einem Auslandssemester interessiert?
Abgabefrist der Bewerbung ist immer der 30. Oktober für das darauffolgende akademische Jahr beim Referat Internationales. Nähere Informationen zur Bewerbung, den Kosten und den Partneruniversitäten findest du hier.

Beitrags- und Teaserbild: Sookmyung Woman’s University, Seoul, Korea, Foto: Soyeon Jun

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