Drohender Handelskrieg – was heißt das für uns?

Im drohenden Handelskrieg mit den USA schlägt Europa zurück: Ab Freitag, 21. Juni, gelten Gegenzölle auf einige US-Produkte. Was das für die Verbraucher heißt.

Europa wehrt sich im Handelsstreit mit den USA: Neben einer Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO) hat die EU nun Vergeltungszölle für US-Exporte in Mitgliedsstaaten ab Freitag, 21. Juni, durchgesetzt. Davon betroffen sind unter anderem Produkte wie Erdnussbutter, Tabak und Whiskey. Was der ganze Handelsstreit eigentlich für Deutschland und seine Verbraucher und damit auch Studenten heißt, wie er entstehen konnte und was eine Eskalation bedeuten würde. KURT hat die Antworten.

Welche Strategie verfolgt die EU?

25 Prozent auf Stahl- und 10 Prozent auf Aluminiumexporte in die USA – diese Drohung hat Donald Trumps Regierung durchgezogen. Seit Anfang Juni gelten diese Strafzölle unter anderem für die Europäische Union. Doch die EU-Kommission reagiert: Bereits im Mai legte sie bei der WTO eine Liste möglicher Vergeltungszölle vor. Handelskommissarin Cecilia Malmström kündigte zunächst an, einige 25-Prozent-Zölle ab Juli geltend zu machen. Diese sollen US-Produkte im Wert von 2,8 Milliarden Euro betreffen – die Hälfte der Summe der betroffenen europäischen Exporte. Damit wollen die Europäer eine weitere Anheizung des Konflikts erst einmal verhindern, aber dennoch eine starke Reaktion zeigen. Einstimmig stimmten die Mitgliedstaaten am vergangenen Donnerstag, der 14. Juni, für die Vergeltungszölle. Seit Freitag, dem 22. Juni, sind sie in Kraft.

Was bedeuten die Strafzölle der USA und auch die folgenden EU-Vergeltungszölle für Deutschland?

Zunächst zum Thema Export: Die Stahlindustrie in Deutschland beschäftigt rund 85.000 Arbeitnehmer. Klar sind die Folgen noch nicht wirklich absehbar, aber einige Menschen könnten ihren Arbeitsplatz verlieren. Auch das Essener Unternehmen Thyssenkrupp wird Probleme bekommen. Wenn der Export in die USA sinkt, gleichzeitig aber Billiganbieter aus Fernost und andere Firmen außerhalb der EU vermehrt Stahl in die USA liefern, müssen die europäischen Hersteller ihren Stahl zu vergünstigten Preisen loswerden. Das bedeutet weniger Gewinn, was sich wiederum auf die Arbeitsplätze auswirken könnte: Stichwort Kostensenkung.

Deutschland und die USA sind wichtige Handelspartner. In der Rangfolge der Export-Abnehmer von Deutschland stehen die Vereinigten Staaten an erster Stelle. Und auch beim Import ist die USA der viertwichtigste Partner.

Die EU wollte die mit Zöllen belegten Waren möglichst verbraucherschonend aussuchen. Stimmt das? Womit können auch Studierende rechnen? Welche US-Produkte werden teurer?

Die Liste der US-Waren, die möglicherweise mit Strafzöllen belegt werden, ist lang. Zwar betonte die Europäische Union stets, bei der Auswahl besonders auf die Verbraucher zu achten und ihre Gegenmaßnahme nicht auf Kosten der Bürger durchzuziehen. Neben Erzeugnissen aus Eisen und Stahl stehen aber dennoch einige Dinge darauf, die Verbraucher treffen können – Lebensmittel wie Mais, Reis, Erdnussbutter und Orangensaft zum Beispiel. Studierende könnten einige Waren besonders interessieren: Tabak und Zigaretten, Make-Up sowie Whiskey. Auch T-Shirts, Hosen, Badekleidung, Schuhe und Bettwäsche stehen auf der Liste. Motorräder oder Motorboote können sich wohl sowieso nur die wenigsten Studenten leisten. Aber auch die anderen Produkte könnten eben im Laufe der Zeit durch die Zölle in Höhe von 25 Prozent massiv teurer werden.

Wie viele US-Produkte auf der Liste kommen nach Deutschland?

Wie bereits erwähnt, ist die USA für Deutschland beim Thema Import aus fremden Staaten der viertwichtigste Partner. Doch bei welchen Waren sind sie führend? Wo könnten auch Studenten etwas merken von steigenden Preisen? Und wo nicht? Bei Kleidung zum Beispiel: Weder T-Shirts noch Hosen werden in großen Massen aus den Staaten nach Deutschland gebracht – nur 180 beziehungsweise 131 Tonnen von insgesamt mehreren Hunderttausend Tonnen. Einige Marken aber sind bekannt, Levi’s-Liebhaber könnten beispielsweise Probleme bekommen.

Auch bei den meisten Lebensmitteln sind genug Alternativen da. Importe von Mais, Reis oder auch Orangensaft aus den USA sind nur ein Bruchteil der gesamten Einfuhr: Andere Länder versorgen Deutschland ausreichend. Anders sieht es bei Erdnussbutter aus. Hier hat die USA die Oberhand und bringt mit fast 5.000 Tonnen rund 3.000 Tonnen mehr in die Bundesrepublik als Deutschlands zweitwichtigster Lieferant, die Niederlande. Das macht über die Hälfte des gesamten Imports aus. Zwar ist der Brotaufstrich nicht so beliebt wie beispielsweise Nutella – dennoch dürfte es einige Verbraucher ärgern, demnächst mehr bezahlen zu müssen.

Auf Studenten-Partys könnten sich die Preise ebenfalls verändern. Whiskey-Fans werden vermutlich etwas tiefer in die Tasche greifen müssen: Knapp ein Sechstel der Importe kommen aus den USA, vor allem Jim Beam und Jack Daniel’s. Die Tabak-Industrie wird da weniger leiden. Besonders Polen liefert genügend Zigaretten und Tabak.

Neben Motorrädern und Booten, die die meisten Studierenden sich vermutlich sowieso nicht leisten können, könnten noch die Preise von Make-Up und Puder eine Rolle spielen. Über 1.300 der insgesamt circa 18.000 importierten Tonnen werden aus den USA herübergeschifft. Knapp ein Drittel davon kommen jedoch aus Frankreich und Italien. Etreme Auswirkungen werden die Zölle also auch hier nicht haben.

Was waren die Gründe für die Strafzölle?

2016 gewann Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl – unter anderem mit dem Versprechen, die Stahlindustrie besser zu schützen und das hohe Handelsdefizit zu senken, sprich die Differenz zwischen Importen und Exporten kleiner zu machen. Ganz nach dem Motto „America first“. Seit 2000 mussten in den Vereinigten Staaten zehn Stahlwerke schließen, die Beschäftigung in dem Bereich ging in den vergangenen Jahren um rund 35 Prozent zurück. Die Auslastungsgrade sind ebenfalls nicht gerade optimal: Beim Stahl werden 73 Prozent und beim Aluminium sogar nur 48 Prozent der möglichen Kapazitäten genutzt. Trump will durch die Zölle die eigene Industrie wieder stärken und eine Auslastung von bis zu 80 Prozent erreichen.

Trump behauptet, die Europäer würden auf Kosten der Vereinigten Staaten leben, da sie einen Großteil ihrer Waren in die USA verkaufen. Seiner Meinung nach habe die EU einen Exportüberschuss von rund 150 Milliarden Dollar gegenüber den USA. Allein 40 Prozent davon würden auf Deutschland fallen. Doch stimmt das überhaupt? Einer Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge ist eher das Gegenteil der Fall: 2017 hatten die Europäer ein Defizit von 14,2 Milliarden Dollar. Warum unterscheiden sich die Zahlen?

Der US-Präsident bezieht sich in seinen Aussagen lediglich auf den Im- und Export von Waren. Das sind aber nicht alle Geldströme zwischen USA und Europa. Wenn man beispielsweise Dienstleistungen rund um Internetfirmen, Banken und Tourismus-Unternehmen sowie die Gewinne der europäischen Tochterfirmen von Riesen wie Apple, Amazon, Google oder Facebook hinzurechnet, sieht das Ganze schon anders aus. Die USA hatten in diesen Bereichen im vergangenen Jahr einen Überschuss von über 150 Milliarden Dollar. Alles in allem bleibt also festzuhalten, dass die amerikanisch-europäische Leistungsbilanz unterm Strich weitgehend ausgeglichen ist. Es kommt letztendlich darauf an, wie man sie berechnet. Europa ist vorn beim Bau von Autos oder Maschinen, die USA führend bei Dienstleistungen und Digitalem.

Darf der US-Präsident einfach Zölle für Handelspartner bestimmen?

Die Frage bestimmt die aktuelle Debatte. Die EU meint: Nein, das ist illegal. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz nannte die Zölle „nicht akzeptabel“. Sie seien rechtswidrig und würden gegen internationale Handelsregeln verstoßen. Deshalb reichte die EU am gleichen Tag, an dem die Zölle eingeführt wurden, Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO) ein. Ob diese Klage Erfolg haben wird? – Unwahrscheinlich. Denn: Im Schlichtungsgericht der WTO sind lediglich vier von möglichen sieben Richtern im Amt. Damit fehlt eine schlagkräftige Exekutive der Streitschlichtung. Das Besondere daran: Schon seit einigen Jahren blockiert die USA ein neues Auswahlverfahren – Zufall?

Legal wären Strafzölle nur, wenn sie Schutzmaßnahmen wären, zum Beispiel bezogen auf die nationale Sicherheit, wie es Washington versucht. Die Trump-Regierung argumentiert mit einem Gesetz aus dem Kalten Krieg zur Wahrung der „nationalen Sicherheitsinteressen“. Durch hohe Metallimporte in die USA sei die Fähigkeit des Staates, eigene Waffen, Panzer oder Flugzeuge herzustellen, eingeschränkt.

Ein Handelskrieg droht – was wären die Folgen?

Wie geht es weiter? Schon bevor die EU Vergeltungszölle ankündigte, hat US-Präsident Trump gedroht. Auf mögliche Zölle auf US-Exporte wolle er die Abgaben auf europäische Autos drastisch erhöhen: von rund 2,5 Prozent auf 25 Prozent. Die Maßnahme lässt Trump derzeit prüfen.
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Besonders für Deutschland und seinem größten Wirtschaftszweig wäre das ein Schock. Alleine im vergangenen Jahr wurden mehr als 490.000 Autos in die Vereinigten Staaten exportiert. Wie sich die Unternehmen von Autozöllen erholen könnten, ist unklar.

Auch die EU-Kommission hat bereits einen Plan für die Zukunft. Sie bereitet eine zweite Stufe möglicher Zölle gegen die USA vor. Ab 2021 könnten diese bei weiteren US-Produkten im Wert von 3,6 Milliarden Euro fällig werden, ingesamt also die Summe, die momentan die europäischen Stahl- und Aluminium-Produkte betreffen. Darüber, wie die US-Regierung auf diese zweite Stufe reagieren wird, lässt sich nur spekulieren. Ob die Reaktion positiv für Deutschlands Verbraucher und damit auch die Studierenden ausfällt? Eher unwahrscheinlich. Der sich aus dem Handelsstreit entwickelte Handelskrieg würde dann für weiter steigende Preise bei US-Produkten sorgen.

Teaser- und Beitragsbild: Derell Licht/flickr.com, lizenziert nach CC.

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