Gleiche Chancen für alle – noch nicht an deutschen Schulen

 

Die Eltern beide arbeitslos, kein Geld für Bücher, es reicht gerade so aus, um über die Runden zu kommen. Haben Kinder aus einer solch sozial schwachen Familie die gleichen Möglichkeiten, in der Schule erfolgreich zu sein oder zu studieren, wie Kinder aus Akademikerfamilien? Ein aktueller Bildungsbericht beschäftigt sich mit der sozialen Ungleichheit. In Dortmund versucht der Verein Kinderglück mit seinen Projekten, sozial benachteiligten Kindern zu helfen.  

Inga Kröger ist Soziologin und Sprecherin des Vereins Kinderglück.

„Unser Verein setzt sich für Kinder und Jugendliche ein, deren Weg in die Welt mit einem Stolpern beginnt“, erklärt Inga Kröger. Die Soziologin und Sprecherin des Vereins Kinderglück ist froh und stolz, wenn sie über die Projekte redet. Unter anderem über das Schulranzen-Projekt, das größte in ganz Deutschland.

In der Halle von Kinderglück in Holzwickede wurden in diesem Sommer nagelneue Schulranzen samt Turnbeutel und Etui für Schulanfänger bereitgestellt. „Für jedes Starter-Set bezahlen wir 40 Euro“, sagt Kröger. Dafür hatten Sozialarbeiter, Lehrer und Kita-Mitarbeiter über 1600 Anträge bei dem Schulranzen-Projekt eingereicht. „Die Antragsteller bekommen die Tornister von uns ausgehändigt und übergeben sie den Eltern. Damit die Kinder gar nicht mitbekommen, dass es sich um eine Spende handelt“, erklärt Kröger. Projekte wie diese haben im Hinblick auf die berufliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eine große Bedeutung. Wie wichtig das Thema ist, zeigt auch eine aktuelle Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Deutschland hat beim Thema Chancengleichheit durchaus Verbesserungen vorzuweisen, wie es in der Studie heißt. Deutsche Schulen rangieren nach dem Pisa-Schock von 2001 im Ländervergleich nicht mehr so weit hinten. Neben Ländern wie Chile, Dänemark, Mexiko oder den USA hat Deutschland in den Jahren 2006 bis 2015 die größten Fortschritte gemacht.

Umfeld der Jugendlichen wird zum Problem

Dennoch hinkt Deutschland weiter hinterher. Denn Kinder aus bildungsfernen Familien machen hierzulande deutlich seltener Abitur als in anderen Ländern. Jugendliche, die aus schwierigen Verhältnissen kommen, besuchen der Studie zufolge oft Schulen, in denen die übrige Schülerschaft ebenfalls aus einem solchen Umfeld stammt. Für Kröger ist das ein großes Problem: „Ein Gymnasiast, der in einem bildungsnahen Haushalt und einem sozial starken Viertel wohnt, der einen Diebstahl begeht und dabei erwischt wird, integriert diese Erfahrung weniger in sein Selbstbild als ein Hauptschüler mit bildungsfernem Hintergrund, der in einem sogenannten Problemviertel aufgewachsen ist“, sagt Inga Kröger.

Für diesen ist die Wahrscheinlichkeit, sich für eine Hochschullaufbahn zu entscheiden und zu qualifizieren, laut dem Bericht wesentlich geringer. So schließen nur knapp 15 Prozent der Menschen ohne Eltern mit Abitur ein Hochschulstudium ab. Im Durchschnitt der meisten OECD-Länder sind es immerhin 21 Prozent. Abgesehen von der Frage, ob wirklich jeder studieren möchte oder lieber eine Ausbildung macht, bleibt in Sachen Chancengleichheit noch viel zu tun. Das sieht auch Inga Kröger so: „Kinder und Jugendlichen aus sozial schwachen Familien fehlt es oftmals an vielem. Fehlende finanzielle Mittel verhindern gesellschaftliche Teilhabe. Mangelnde Aufmerksamkeit und Zuspruch ersticken Aufstiegsbestrebungen bereits in frühen Entwicklungsstadien“, betont die Soziologin.

Ein Positivtrend lässt sich am Ende dennoch ablesen. Denn obwohl sich Kinder aus Akademikerfamilien laut der OECD-Studie achtmal häufiger für eine Universitätslaufbahn qualifizieren, legt jeder Vierte einen besseren Berufsabschluss als seine Eltern hin. Auch Inga Kröger ist davon überzeugt, dass Kinder aus Nicht-Akademikerfamilien den Aufstieg schaffen können, wenn sie die richtige Unterstützung erhalten: „Komplette Schwarzmalerei führt nur dazu, dass wir resigniert die Hände in den Schoß legen und erstarren.“

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