Kommentar: Investiert endlich in den öffentlichen Nahverkehr!

Blechlawinen auf der Autobahn, Fahrradunfälle, wartende Massen in den Bahnhöfen und vollgestopfte Busse und Stadtbahnen. Die Fahrverbote, die das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in Essen und Gelsenkirchen angeordnet hat, sind nur die Spitze des Eisbergs. In Dortmund drohen ebenfalls Fahrverbote auf der B1. Wo man auch hinschaut, das Ruhrgebiet ist eine Hölle für Pendler. Und das hat seine Gründe. Die Politik setzt auf vielen Ebenen falsche Prioritäten.

Im Autoland Deutschland ist das Ruhrgebiet eine Autometropole: 46 Prozent der Wege in Dortmund werden mit dem Auto zurückgelegt, in Essen sogar mehr als die Hälfte. Das geht aus einem Städtevergleich von Greenpeace aus dem Jahr 2017 hervor. In dem Vergleich setzen nur die Stuttgarter noch stärker auf das Auto, als die Bewohner der beiden Ruhrgebietsstädte. Und damit nicht genug: Das Ruhrgebiet trägt eine ganze Menge dazu bei, dass NRW das Land mit den meisten Staukilometern in Deutschland ist. Auf der A40 gibt es, gemessen an ihrer Länge, die meisten Blechlawinen Deutschlands. Die Politik muss endlich etwas dagegen tun! Dabei darf sie die Fehler aus den letzten Jahrzehnten nicht wiederholen.

Verkehrsexperte Heiner Monheim sieht einen ganz klaren Zusammenhang zwischen den Staus und der bisherigen Verkehrspolitik. Pro Jahr werde das Auto vom Staat mit 13 Milliarden Euro subventioniert. Das geschieht zum Beispiel über steuerliche Vorteile für Firmenwagen. Gleichzeitig werden Straßen immer weiter ausgebaut. Beispielsweise die B1, die zwischen Dortmund und Unna zur A40 werden soll. Ob das irgendwelche Verkehrsprobleme löst, ist zweifelhaft. Im Gegenteil: wer dem Auto mehr Flächen einräumt, schaffe damit nur noch mehr Nachfrage nach Autos und damit immer mehr Stau, so Monheim.

Wer dem Auto mehr Flächen einräumt, schafft damit nur noch mehr Nachfrage nach Autos und damit immer mehr Stau!

Heiner Monheim, Professor für Angewandte Geographie, Raumentwicklung und Landesplanung

Die Stadt Los Angeles bekommt diesen Teufelskreis grausam zu spüren: Laut dem Journal of the American Planning Association stünden jedem Auto in LA 3,3 Parkplätze zur Verfügung. Die Folge: Los Angeles ist die staureichste Stadt der USA. Und das trotz vier-, fünf oder Sechsspurig ausgebauten Autobahnen und Autobahnkreuzen, die jedem Architekten den Schweiß auf die Stirn treiben würden. Monheim sieht dabei einen klaren Zusammenhang. Wer ständig Straßen ausbaue, schaffe nur noch mehr Stau, erklärt der Wissenschafter: „Wenn Sie Tauben füttern, kommen immer mehr!“

So weit ist es hier bisher noch nicht gekommen. Aber verkehrspolitisch ist das Ruhrgebiet das Los Angeles Deutschlands. In Europa hat das Ruhrgebiet das dichteste Autobahnnetz überhaupt. Und die Parkgebühren wurden von den Städten stets niedrig gehalten, während der Nahverkehr ständig teurer wird. Und auch der Takt im ÖPNV ist einer Metropole nicht würdig. In manchen Städten fahren U- und S-Bahnen alle 5 bis 10 Minuten. Im Ruhrgebiet darf ein Pendler auf die S-Bahn 20 Minuten warten – wenn die Bahn denn pünktlich kommt.

Besonders schlecht ist die Situation für Radfahrer in Dortmund. Auf vielen Hauptstraßen bedeutet die Entscheidung für das Rad eher Überlebenskampf, als Arbeitsweg. Auf der anderen Seite haben die Städte mit ihrem Konzept zum Fahrradschnellweg quer durchs Ruhrgebiet bewiesen, dass sie zusammen arbeiten können und dass sie im Ansatz die richtige Richtung eingeschlagen haben.

Was muss die Politik also tun, damit der Blutdruck der Pendler wieder auf ein gesundes Maß sinken kann? Sie sollte endlich den Nahverkehr ausbauen und dichtere Takte fahren. Neun Minuten mit dem RE1 von Dortmund nach Bochum sind unschlagbar. Wenn die Pendler beim Warten am Bahnhof nicht so viel Frust schieben müssten, würden schon viele Autos von der Straße verschwinden. Wir hätten weniger Staus, eine bessere Luftqualität und Pendler die sich für die Öffis entscheiden, hätten ganz nebenbei Zeit, um in der Bahn Mails zu checken, oder Netflix zu schauen.

Der Nahverkehr muss im Ruhrgebiet endlich aus einer Hand geplant werden. DSW21, Bogestra, Evag, DVG und wie die einzelnen städtischen Verkehrsgesellschaften alle heißen, müssen sich zu einem Verkehrsunternehmen für das Ruhrgebiet zusammenschließen. Es ist ein schlechter Witz, dass zwischen angrenzenden Städten keinen Stadtbahnen fahren können, weil die Verkehrsgesellschaften unterschiedliche Spurweiten für ihre Schienen benutzen. Eine gemeinsame Verkehrsgesellschaft muss diesen Fehler Schritt für Schritt beheben und Spurweiten endlich angleichen. Dann muss das Stadtbahnnetz ausgebaut werden, damit der ÖPNV im Ruhrgebiet zusammenwachsen kann.

Das Auto muss eingeschränkt werden!

Die Politik muss den Schienenverkehr konsequent ausbauen und nebenbei auch den Autoverkehr einschränken. Verkehrsberuhigungen, höhere Parkgebühren und weniger Autospuren müssen her! Das hält nicht nur die Autos aus der Stadt, sondern schafft gleichzeitig noch viel lebenswertere Innenstädte. Die CDU hat in Dortmund vorgeschlagen, den Grünstreifen am Wall zu entfernen und dafür einen Fahrradweg zu bauen. Wieso nimmt die Stadt nicht einfach auf jeder Seite eine Autospur weg und nimmt dieser hässlichen Asphaltschneise etwas von ihrer Wucht?

Und wenn die Politik den Nahverkehr endlich ausgebaut hätte, könnte sie noch einen Anreiz für Autofahrer schaffen, um auf den Nahverkehr umzusteigen: Eine Nahverkehrsgebühr, die jeder zahlen müsste und mit der jeder ticketlos Bus und Bahn fahren könnte, ähnlich des verpflichtenden Rundfunkbeitrags. Sie würde nebenbei alle entlasten, die den Nahverkehr schon regelmäßig nutzen. Und sie wäre nur fair, denn Busse und Bahnen fahren immer. Das Auto fährt nur, wenn der Fahrer sich dafür entscheidet.

Ja, diese Vorschläge klingen erst einmal utopisch – besonders im Ruhrgebiet. Aber wer sich die Verkehrspolitik von Städten, wie Zürich, Wien oder Singapur anschaut, der wird feststellen: Eine bessere Verkehrsplanung ist möglich, wenn die Politik richtige Prioritäten setzt. Das Auto löst auf Dauer keine Verkehrsprobleme, sondern schafft nur neue. Es wird Zeit, dass die Politik das erkennt und endlich etwas dafür tut, dass Menschen stressfrei zur Arbeit, in die Uni, oder ins Restaurant kommen.

Beitragsbild: RettungsgasseJETZTde, lizenziert nach Creative Commons

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