Streitgespräch: CDU-Nachwuchs gegen Grüne Jugend

Für Kurt setzen wir die Jugend der CDU und der Grünen gegenüber und diskutieren über Bildungsgerechtigkeit. Foto: Judith Wiesrecker

Für Monika Czyż sind Gemeinschaftsschulen ineffektiv, Max Lucks glaubt, sie machen die Welt gerechter. Die beiden sind Nachwuchs-Politiker und sind Diskussionen deswegen gewohnt. KURT setzt die beiden an einen Tisch.

Wer macht in Deutschland eigentlich die Politik? Bundeskanzlerin Angela Merkel ist 64. Bundesinnenminister Horst Seehofer 69. Jens Spahn ist der jüngste Bundesminister in dieser Legislaturperiode mit immerhin frischen 37 Jahren. Und damit liegt er deutlich unter dem Altersdurchschnitt im deutschen Bundestag. Der beträgt 48,7 Jahre. Der politische Nachwuchs steht bereits in den Startlöchern.

Max Lucks ist 21, studiert Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und ist Bundessprecher der Grünen Jugend. Er diskutiert mit Politikerinnen und Politikern wie den Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckhardt und Anton Hofreiter im Bundesvorstand und nimmt an Sitzungen vom Parteirat der grünen Fraktion im Bundestag teil.

Max ist Bundessprecher der Grünen Jugend. Für ihn ist Gerechtigkeit ein besonders wichtiges Thema. Foto: Judith Wiesrecker

Monika Czyż ist 19, studiert Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte an der RUB und ist Landesvorsitzende der Schüler Union NRW, einer Interessensvertretung von Schülerinnen und Schülern innerhalb der CDU. Sie ist damit das jüngste Mitglied im CDU-Landesvorstand und sitzt an einem Tisch mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, NRW-Innenminister Herbert Reul und dem neuen Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus.

Monika ist die Vorsitzende der Schüler Union NRW und ist im Landesvorstand die Stimme der Schüler in NRW. Foto: Judith Wiesrecker

Zum Interview kommt Max im burgunderroten Pullover, schwarzer Hose und beiger Cap. Monika in Skinnyjeans, weißem Top und blauer Sweartshirt-Jacke. Beide sind zu spät.

Max, Monika, werdet ihr ernst genommen in der Politik?

Max: Mittlerweile bin ich ziemlich sicher, dass ich ernst genommen werde. Als junger Mensch muss man sich natürlich ein bisschen durchboxen. Wenn man sich konstruktiv verhält, geht das natürlich einfacher, als wenn man einen Protestzwerg gibt, der alles scheiße findet.

Moni: Ja. Ich führe mich auch nicht wie die Bundeskanzlerin auf und halte mich an die Spielregeln. Dann wird man da schon ernst genommen. Wenn es um etwas geht, bei dem ich mich auskenne, bei dem Schüler oder Schülerinnen direkt betroffen sind, dann rede ich auch dazu. Das ist meine Aufgabe, auch in der Partei.

Habt ihr manchmal das Gefühl, dass ihr komplett anderer Ansicht seid als alle anderen?

Max: Klar, so Situationen gibt es auf jeden Fall. Da braucht man dann ein dickes Fell, um seinen Standpunkt klar zu machen. Noch schlimmer ist es aber, wenn stundenlang ohne Ergebnisse aneinander vorbei diskutiert wird. Da fragt man sich dann wirklich, wozu man so viel Zeit in stickigen Mehrzweckräumen verbringt.

Moni: Ja. Wenn Politik von heute auf morgen passiert, ist das in der Regel keine Demokratie, sondern eine Diktatur. Das heißt nicht, dass ich hinnehme, wenn Dinge aufgeschoben oder durch viel zu viel Bürokratie verkompliziert werden. Aber in einer richtigen Demokratie müssen Entscheidungen einfach durch viele Instanzen laufen.

Wenn es gut läuft, seid ihr in Zukunft diejenigen, die unsere Politik machen. Was glaubt ihr, sind dann die großen Themen, über die wir sprechen werden?

Moni: Ich glaube, Bildung ist und wird immer aktuell und wichtig bleiben. Europa wird auf jeden Fall ein noch wichtigeres Thema, als es jetzt ist, und wahrscheinlich die Rente.

Max: Also mir fällt da als allererstes der Klimawandel ein. Im letzten Hitzesommer haben wir ja gesehen, wie schlecht es um unseren Planeten steht. Gleichzeitig wandelt sich die Gesellschaft krass. Unsere Zukunft entscheidet sich auch darüber, was aus der Digitalisierung wird.

Ist Digitalisierung immer gut oder kann sie auch mal schlecht sein?

Max: Ich habe das Gefühl, die Digitalisierung wird in der öffentlichen Diskussion eher so als Naturkatastrophe betrachtet und am Ende des Tages streiten sich dann alle, ob sie gut oder schlecht ist. Aber Digitalisierung ist keine plötzliche Naturkatastrophe. Wir wissen sehr genau, was auf uns zukommt. Trotzdem versteckt sich die FDP ja hinter „Digitalisierung first, Bedenken second“. Damit tut sie so, als müsste Politik nur ein paar WLAN-Router aufhängen. Politik muss aber viel mehr. Wir müssen Beschäftigten Perspektiven geben und dafür sorgen, dass es in Zukunft gute Arbeitsbedingungen und einen funktionierenden Sozialstaat gibt. Die Politik muss sich mehr zutrauen, aber dann kann die Digitalisierung auch richtig gut werden.

Moni: Max hat vollkommen Recht. Ich glaube, was aus der Digitalisierung wird, hängt ganz stark davon ab, wie wir damit umgehen. Und dazu gehört auch, schon in der Schule damit anzufangen.

In unseren Schulen und Universitäten wird immer noch mit Kreide, Tafel und Overhead-Projektoren unterrichtet. Das ist doch nicht mehr zeitgemäß.

Moni: Ja voll. Das Silicon-Valley entsteht nicht, weil wir irgendwo einen Haufen Sand hinkippen. Wir müssen die Schüler früh bilden und wir brauchen Leute, die das unterrichten können und sich damit auskennen. Ich habe heute noch darüber nachgedacht und finde es verrückt, dass wir Computerräume haben. Da machen wir uns hoffentlich in 20 Jahren drüber lustig. Jeder Raum sollte eigentlich wie ein Computerraum funktionieren. Ich glaube, dann können wir Deutschland mit Technik in Sachen Digitalisierung wieder nach vorne bringen.

Max: Mich stimmt das sehr nachdenklich. Klar, Digitalisierung ist ein super wichtiges Thema in Schulen. Und natürlich sehe ich auch, dass wir Schülern und Schülerinnen den Umgang damit beibringen müssen und dafür Investitionen brauchen. Aber wir müssen ihnen nicht nur beibringen, wie sie das iPad bedienen. Wir müssen ihnen auch vermitteln, wie sie die Daten auf dem iPad schützen oder mal zwei Stunden von der ständigen Erreichbarkeit abschalten. Und für mich geht’s bei Schule auch um mehr als um Vorbereitung für den Markt. Wir dürfen nicht vergessen, unsere Lernenden zu kritischen Menschen zu erziehen, die ihre Fähigkeiten entdecken und auch mal nachfragen.  

Reporter Andreas Schneider im Interview mit Monika und Max im Kugelpudel in Bochum. Foto: Judith Wiesrecker

Jetzt ist Schwarz-Gelb in NRW am Drücker und so richtig viel ist in Sachen Bildung noch nicht passiert.

Moni: Ganz viele Projekte sind in den Startlöchern. Allein die systematische Erfassung von Unterrichtsausfall hat die CDU einfach möglich gemacht. Das sei gar nicht möglich, sagte damals die grüne Ministerin für Schule und Weiterbildung, Sylvia Löhrmann. Aber man hat geschaut, welche Software es gibt, und sie funktioniert. Die ersten Zahlen dazu sollen sogar noch dieses Jahr kommen. Ich glaube, dass das ein ganz, ganz großer Erfolg ist.

Und die Grünen konnten das nicht?

Max: Ich sehe mich hier nicht als Verteidiger der rot-grünen Bildungspolitik. Dafür habe ich die Schulpolitik zur Regierungszeit schon oft genug kritisiert. Aber die größte Frage ist ja wahrlich nicht, wie wir den Ausfall des Schulunterrichts messen. Unter Sylvia Löhrmann erfolgte das statistisch, jetzt erfolgt es eben systematisch. Wir haben ganz andere Baustellen, zum Beispiel die Bildungsgerechtigkeit. In NRW ist der Bildungserfolg stark vom Job der Eltern abhängig. Da hat Rot-Grün zumindest ein bisschen was auf den Weg gebracht, etwa mit der Sekundarschule. Trotz der schwarz-gelben Rhetorik gebe ich nicht die Hoffnung auf eine Gemeinschaftsschule in NRW auf. Alle Kinder unter einem Dach – und gerne auch ohne Unterrichtsausfall.

Moni: Also das sehe ich anders. Ich glaube, Gemeinschaftsschulen bringen uns nicht weiter. Wir haben eigentlich ein richtig gutes Bildungssystem, wenn wir starke Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien haben. Ich glaube, zu einer guten Zukunftsgestaltung gehört auch, die einzelnen Schulformen zu stärken. Die unterscheiden sich einfach in ihren Anforderungen und Kompetenzen. Wir haben unheimlich viele Ausbildungsplätze, die nicht besetzt werden, weil Leute mit Abitur lieber an die Unis wollen und immer mehr Leute  aufs  Gymnasium gehen. Ein Haupt- oder Realschulabschluss muss aber Schlüssel zu einer sicheren Ausbildung sein. Die Abschlüsse sollten Perspektiven auf einen Job beispielsweise im Handwerk bieten. Haupt- und Realschüler können erfolgreiche Unternehmer werden und es ist eine Schande, wenn ihre Schulformen so diskreditiert werden. Ich glaube, dass Bewegungen in Richtung Gemeinschaftsschule, die auch mit der Sekundarschule von Rot-Grün angestoßen worden sind, ein falsches Zeichen sind.

Max: Das, was Moni sagt, war vielleicht in der Realität vor 20-30 Jahren noch aktuell. Aber wo früher eine Hauptschule gute Perspektiven bedeutet hat, ist sie heute leider zum Abstellgleis dieser Gesellschaft geworden. Für viele Schulen war die Umwandlung zur Sekundarschule ein riesiger Erfolg, weil der Weg zum Abitur dadurch einfacher wurde. Ich glaube nicht, dass es ein Zufall ist, wenn der Juristensohn eher studiert als die Tochter einer Krankenpflegerin. Wir brauchen eine Schule, wo sich alle gut entfalten können statt die drei veralteten Zwangsjacken aus Hauptschule, Realschule und Gymnasium.

Könnte in einer Gemeinschaftsschule die Wissensvermittlung nicht weniger effektiv werden – durch die verschiedenen Anforderungen?

Max: Auf dem Gymnasium haben ja auch nicht alle eine Eins in Mathe. Jedes Kind muss individuell gefördert werden. Damit das auf der Gemeinschaftsschule klappt, brauchen wir natürlich gut ausgebildete Lehrkräfte und viel mehr Geld für das Schulsystem. Wenn eine Lehrerin 30 Leute pro Klasse unterrichtet, gerät das einzelne Kind unter die Räder, egal auf welcher Schule.

Moni: Das verstehe ich nicht. Das Ziel von einem Hauptschüler ist ja nicht das Abi mit einer Eins in Mathe abzuschließen. Das Ziel von jedem Schüler ist ja erstmal, einen passenden Beruf zu finden. Meine Mutter ist Hauptschullehrerin und da sehe ich das ganz massiv. Die Stärke von einer Hauptschule ist die soziale Komponente. Hauptschüler werden viel besser auf eine Ausbildung vorbereitet als ein Gymnasiast. Die werden auf das Lernen an der Universität vorbereitet.

 Nur ein Prozent der Nicht-Akademiker-Kinder promoviert. Bei Akademikerkindern sind es knapp 20 Prozent. Wie erklärst du dir das?

Moni: Ich glaube schon, dass das ein gesellschaftliches Problem ist und die Politik da agieren muss. Ich glaube aber nicht, dass das am mehrgliedrigen Schulsystem liegt. Wir lösen das Problem nicht, indem wir alle Kinder auf dieselbe Schule schicken. Wenn wir uns Bochum zum Beispiel angucken, dann sehen wir, dass in Stiepel viel mehr Kinder auf ein Gymnasium gehen als in Riemke. Ich glaube, dass wir hier auch dran arbeiten müssen, aber ich glaube nicht, dass das mehrgliedrige Schulsystem dafür verantwortlich ist.

Bochum-Stiepel ist eine gut situierte Gegend, während Bochum-Riemke eher sozial schwach ist.

Max: Weil es die Politik verschlafen hat, soziale Ungerechtigkeit anzugehen. Die Änderung des Schulsystems ist hier nur ein ganz kleiner von vielen Punkten. Wenn sich Supperreiche in diesem Land davor drücken können, Steuern zu zahlen, müssen wir zum Beispiel dringend an die Vermögensverteilung ran.

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