Gentest auf alles und vor allem für alle? Wenn es nach vielen Medizinern und Ethikern geht, soll ein Gentest für alle Schwangeren zur Kassenleistung werden – und damit kostenlos. Auch auf einer Podiumsdiskussion im Dortmunder U wurde heftig über den Gentest als Kassenleistung diskutiert. Warum der Test trotzdem eine gute Idee ist. Ein Kommentar.
Bei dem Gentest handelt es sich um den NIPT, einen nicht invasiven pränatalen Gentest. Durch diesen Test kann bei dem Ungeborenen das Vorliegen bestimmter Gendefekte getestet werden – unter anderem das Down-Syndrom (Trisomie 21). Um den Test durchführen zu können, reicht eine kleine Blutprobe der Mutter.
Damit hat der NIPT mehrere Vorteile gegenüber der Fruchtwasseruntersuchung – zum einen ist er nicht invasiv. Das bedeutet, dass der Test keine schädigenden Effekte auf den Körper hat. Schneller ist er auch. Während man im Normalfall nach sieben bis acht Tagen eine Antwort bekommt, kann es bei der Fruchtwasseruntersuchung bis zu vier Wochen dauern. Eine mentale Zerreißprobe für viele werdende Eltern.
Einfacher, schneller und günstiger und mit weniger Komplikationen verbunden
Auch beim Thema Kosten ist der NIPT besser – unabhängig davon, ob er Kassenleistung ist oder nicht. Mit ungefähr 199 bis 399 Euro muss man rechnen. Die Fruchtwasseruntersuchung liegt da mit bis zu 1500 Euro deutlich drüber. Die Kosten werden für diese von der Krankenkasse übernommen, wenn eine entsprechende Indikation vorliegt, das bedeutet, wenn eine medizinische Beeinträchtigung der Mutter vorliegt.
Obwohl das auf den ersten Blick nicht viel Geld für den NIPT erscheinen mag, so können sich den Test nicht alle werdenden Eltern leisten. Mit der Fruchtwasseruntersuchung muss man da gar nicht erst anfangen. Und um genau so eine Diskriminierung zu vermeiden, sollte der NIPT als Kassenleistung eingeführt werden, damit jeder die Möglichkeit hat, Klarheit über die Gene des Kindes zu bekommen.
Auch das Argument, welches häufig in ethischen Debatten anklingt, dass solche Tests zu einer höheren Abtreibungsrate führen, kann man so nicht pauschalisieren. In Deutschland haben im Jahr 2018 knapp 101.000 Frauen abgetrieben, 0,2 Prozent weniger als im Vorjahr, so das Statistische Bundesamt. Allgemein lässt sich erkennen, dass die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland kontinuierlich seit 2012 zurückgegangen sind. Nur 2017 ist die Zahl der Abtreibungen in Deutschland um 2,5 Prozent gestiegen, wie man den Statistiken des Lebensschutzes Rheinland-Pfalz entnehmen kann. Da der NIPT in Deutschland schon seit 2014 (kostenpflichtig) angeboten wird, kann man keinen Zusammenhang zwischen ihm und der Zahl der Abtreibungen feststellen.
Abtreibungen sind ein gesellschaftliches Problem und kein Resultat des Tests
Neun von zehn Frauen, bei deren ungeborenem Kind Trisomie 21 festgestellt wird, entscheiden sich, das Kind abzutreiben. Es kann auch eine Spätabtreibung erfolgen, wenn das Kind einen Gendefekt hat.
Eine Entscheidung, die für mich nachvollziehbar ist. Denn ein Kind mit Down-Syndrom zum Beispiel ist nicht nur ein 24/7-Job an 365 Tagen im Jahr. Er ist es vor allem nicht wie bei den meisten Familien bis zu einem bestimmten Alter, bis die Kinder mehr oder weniger selbstständig sind. Das Kind ist bis zu dem Lebensende seiner Eltern auf diese angewiesen. Und das ist eine Verantwortung, vor der viele Angst haben oder der sich viele nicht gewachsen fühlen. Das ist nichts, was man verurteilen sollte.
Aber auch andere Faktoren können eine Rolle bei der Abtreibungsentscheidung spielen. Für einige Ethiker, darunter auch Claudia Wiesemann vom Deutschen Ethikrat, kann es auch die gesellschaftliche Situation sein, die Frauen zu dieser Entscheidung drängt. Man müsse das Leben mit einem Kind mit Down-Syndrom leichter für alle Beteiligten machen. Die Familien brauchen gesellschaftliche und politische Unterstützung. Alles auf einen Test zu schieben ist also ein einfacherer, aber falscher Weg.