Sie flüchten vor Krieg, beantragen Asyl und landen auf der Straße. Die Aufnahmelager sind überfüllt, medizinische Versorgung ist rar. Reporterin Sarah Wippermann hat fünf Wochen Kranke in Thessaloniki versorgt und eine afghanische Familie begleitet.
Eine Frau sitzt auf einem Stuhl in einem deutschen Krankenwagen. Eine Sanitäterin, ein Arzt und ich stehen. Ein Übersetzer sitzt auf einem anderen Stuhl auf der anderen Seite des Wagens. Die Frau, die ein Kopftuch trägt, hält dem Arzt einen Zettel entgegen. Er nimmt ihn und guckt sich die aufgedruckten Blutergebnisse an.
„Wie geht es ihr?“ fragt er den Übersetzer, er übersetzt, sie antwortet, er sagt: „Ihr geht es gut. Sie weiß nicht, wieso sie so oft ins Krankenhaus musste.“ Der Arzt schluckt und stützt sich mit einem Arm hinter sich an der Ablage ab. Er guckt nochmal auf das Blutergebnis und fragt, ob sie noch Blutungen habe, sie verneint es. Er fragt nach dem Donnerstag vor einer Woche, als sie das erste Mal zu uns kam und was im Krankenhaus gemacht wurde. Er fragt, in welcher Schwangerschaftswoche sie bis dahin war. Er geht die Ereignisse durch und erklärt, wieso man das alles gemacht hat. „Ja, ehm… ich muss leider sagen, dass das Kind verloren ist.“
Nach dem Gespräch steht die Frau auf, öffnet die Schiebetür des Krankenwagens und steigt auf einen staubigen Parkplatz, vor dem mehrere Männer stehen und warten. Sie geht auf einen Mann zu, der ein Kleinkind auf dem Arm hat und nimmt es ihm ab. Sie dreht sich um und verabschiedet sich und geht mit ihrem Mann auf eine Straße zu. Sie kommt aus Afghanistan und ist mit ihrer Familie nach Europa geflüchtet. Ich folge ihr und stehe auf dem Parkplatz in der Nähe des Hauptbahnhofs von Thessaloniki in Griechenland.
Zwischen Kranken und Kondomen
Drei Wochen zuvor mache ich mich auf den Weg von Dortmund nach Thessaloniki. Der Koordinator holt mich am Hauptbahnhof ab und zeigt mir den Weg zum „Car Park“, dem Parkplatz, auf dem die Nichtregierungsorganisation (NRO) Medical Volunteers International mit dem ausgedienten deutschen Krankenwagen steht. Die Organisation gewährleistet medizinische Grundversorgung für Menschen, die keine Chance haben im griechischen Gesundheitssystem unterzukommen. Dabei erklärt er mir sehr viel: sechs Tage die Woche stehen wir auf dem Parkplatz mit der Ambulanz, hauptsächlich behandeln wir junge Männer, es gibt noch andere Organisationen, die auf den Parkplatz kommen, um Essen auszuteilen oder um Geflüchtete juristisch zu beraten.
Der Parkplatz ist staubig und nicht asphaltiert. Der deutsche Krankenwagen steht sichtgeschützt hinter ein paar Büschen und Bäumen,
ein Sonnensegel ist an den Enden des Wagens und an Bäumen befestigt, darunter stehen ein Tisch und ein paar Hocker für die Wundversorgung. Auf dem Boden entdecke ich ein benutztes Kondom. Zwischen den Bäumen, an denen das Sonnensegel befestigt ist, liegen neben Müll noch deutlich mehr benutzte Kondome. Wenn wir den Parkplatz abends verlassen, dient der Ort als Straßenstrich. Im Krankenwagen ist ein Arzt, der sich um alle weiteren Leiden kümmert: Fieber, Schmerzen, Krätze, Infektionen.
Die Familie und das tote Kind
An einem Abend erzählt ein Arzt, dass in der Abendklinik eine Familie aufgetaucht sei: Mann, Frau, zwei kleine Kinder. Sie würden seit ein paar Tagen mit den anderen ca. 120 Männern in der Bauruine, die wir das „Building“ nennen, wohnen. Sie sei zu uns gekommen, weil sie schwanger sei und plötzlich Blutungen habe. Sofort sei Shafiq mit ihr ins Krankenhaus gefahren. Dort habe man sie untersucht und den Verlust des Kindes festgestellt. Ihr wurde eine Tablette gegeben, die die restliche Schleimhaut lösen soll. Am Wochenende solle sie zur erneuten Kontrolle ins Krankenhaus kommen, damit man das Schwangerschaftshormon Beta-hCG erneut bestimmen kann. Dieser sollte binnen weniger Tage nach einer Fehlgeburt sinken. Wenn er nicht drastisch sinkt, haben sich der Embryo und die Schleimhäute nicht vollständig gelöst, was im schlimmsten Fall zu Entzündungen führen kann, die unter anderem zu Unfruchtbarkeit führen können. Wenn man dies feststellt, wird eine Abrasio, eine Ausschabung, durchgeführt. Diverse Organisationen wurden schon von dem Arzt und dem Koordinator über die Familie in Kenntnis gesetzt. Darunter das Mobile Info Team (MIT), eine NRO, die Hilfesuchende und Flüchtlinge juristisch berät.
Ein langer Weg zum Krankenhaus
Am Dienstag treffe ich mich mit Shafiq und der Familie am Hauptbahnhof, um die Blutwerte endlich kontrollieren zu lassen, nachdem sie ein paar Tage zuvor im selben Krankenhaus abgewiesen wurden. Der Vater trägt seinen kleineren Sohn, der 18 Monate alt ist. Der ältere Sohn ist vier Jahre alt und geht an der Hand der Mutter.
Wir steigen in einen der nächsten Busse und kommen nach langer Fahrt nord-östlich der Innenstadt am Krankenhaus an. Wir sind nicht die Einzigen auf dem Weg dorthin. Der Weg führt weiter auf einen Berg hinauf.
Es ähnelt einem Pilgerweg. Auf dem Gipfel thront das Krankenhaus. Wir gehen durch eine automatische Schiebetür in eine völlig überfüllte Halle. Links und rechts gibt es Informationsschalter, die Schlangen gehen bis zum Eingang der Tür, hinter den Schaltern geht es in eine weitere Wartehalle, in der Unmengen an Menschen sitzen und stehen. Shafiq zeigt auf die längste Schlange und sagt, dass wir uns dort anstellen müssen. Die Mutter zieht ihre „White Card“ für vorregistrierte und drückt sie mir in die Hand. Ich gucke mir die „White Card“ an. Sie heißt Merwe*.
Diskussionen um ein bisschen Blut
An dem Schalter fragt ein Mann, was wir wollen. Ich erkläre ihm, dass Merwe letzte Woche schon hier war und sie eine Kontrolluntersuchung haben soll. „Das können wir hier nicht machen.“ sagt er direkt. Ich versuche ihm die Lage zu erklären, aber er unterbricht mich: „Das ist ja sehr schön, aber hat sie auch einen Termin?“ „Nein, aber-“ „Dann kann ich Ihnen hier nicht helfen.“ sagt er durch sein Sprechfenster. „Sie braucht die Kontrolle dringend, weil sie obdachlos ist und zwei kleine Kinder zu versorgen hat! Sie haben Sie am Samstag schon weggeschickt und gesagt wir sollen heute wiederkommen.“ sage ich ruhig. Diesmal wartet er kurz ab, bevor er etwas sagt und schickt uns dann in die gynäkologische Ambulanz, die am Ende eines langen Flures liegt. Dort sollen wir uns melden. Mit einer Handbewegung gebe ich Merwe zu verstehen, dass sie mir folgen soll.
Als wir in der Ambulanz ankommen, kommt eine Schwester aus einem der Untersuchungszimmer und grüßt die Mutter kurz. Ich gehe auf einen Tisch zu, an dem eine andere sehr kleine, dunkelhaarige und braun gebrannte Krankenschwester am Computer arbeitet. Sie guckt mich fragend an und sagt irgendwas auf griechisch. Ich erkläre ihr mein Anliegen auf englisch. „Das können wir hier nicht machen“, antwortet sie. Ich erläutere ihr die Problematik. „Moment, Moment, Moment, woher kommen Sie?“, unterbricht auch sie mich. Ich stutze und antworte: „Aus Deutschland.“ „Ach ja suppa, dann können wir dat auf Deutsch klären“, sagt die Schwester auf lupenreinem ruhrgebiets-deutsch. Zum dritten Mal erkläre ich mein Anliegen und nach langer Diskussion und vielen Telefonaten der Schwester schickt sie uns zum Labor, wo Merwe der Beta-hCG-Wert abgenommen werden soll. Dort nimmt eine Mitarbeiterin der Mutter Blut ab. Sie klebt einen der Strichcode-Sticker auf das Röhrchen. Sie dreht sich zu mir um und sagt: „Fehlgeburt?“, ich nicke. Die Schwester dreht sich zu Merwe und guckt sie mitleidig an, während sie entspannt auf der Liege sitzt. „Wann kann man die Ergebnisse bekommen?“, frage ich, bevor wir den Raum verlassen. „Das dauert so zwei Stunden, dann können Sie die an der Information abholen.“
Ahnungslos ins Krankenhaus geschleppt
Merwe und ich gehen raus, wo der Vater mit den zwei Söhnen im Schatten steht. Die nächsten zwei Stunden sitzen wir schwitzend im Schatten und warten. Merwe ist die einzige Frau vor der Klinik, die ein Kopftuch trägt. Wenn Leute an uns vorbei gehen betrachten sie sie argwöhnisch. Eine blondierte Frau, die eine Bank weiter sitzt, steht auf und setzt sich auf eine andere Bank.
Nach den zwei Stunden stehe ich auf, um zu fragen, ob die Blutwerte fertig sind. Sind sie nicht. „Wir können Ihnen die Ergebnisse per E-Mail zuschicken.“, sagt die Frau in akzentfreiem Englisch. Sie erklärt mir, dass die E-Mail passwortgeschützt ist. Damit ich die E-Mail erhalten kann, muss Merwe eine Einverständniserklärung unterschreiben. Danach machen wir uns auf den Weg zur Bushaltestelle.
Der Weg führt nach unten und ausnahmsweise weht eine leichte Brise. Der ältere Sohn animiert mich zum Fangen spielen und ich täusche immer wieder an ihm gleich hinterher zu rennen. Er rennt dann quietschend und lachend davon. Merwe hat den kleineren auf dem Arm. Sie unterhält sich mit Shafiq und ihrem Mann auf Farsi. Das Gespräch ist locker, sie Lachen gelöst. Irgendwann zeigt der Vater auf mich und er scheint einen Witz zu machen, denn alle Lachen – außer mir, denn ich verstehe nichts. „Wieso lacht ihr?“, frage ich Shafiq. Er lacht so sehr, dass er sich krümmt. „Er hat gerade gesagt, dass du, wenn es Zwillinge werden, einen davon bekommst.“, antwortet er und lacht weiter. Ich finde das überhaupt nicht witzig. „Wissen die nicht, dass sie ihr Kind verloren hat?!“, frage ich. Shafiq entgleist das Gesicht. „Ich weiß nicht, ich glaube nicht.“, sagt er. „Soll ich sie fragen?“ „Bloß nicht!“, sage ich schnell und muss kurz nachdenken. Mir wird schlecht. Tagelang haben wir sie anscheinend zu Untersuchungen gebracht und sie weiß nicht wieso. „Ich spreche mit Leonardo, der soll ihr das in Ruhe sagen.“, sage ich. Leonardo ist derzeit unser Arzt und er kennt die Familie. Er ist einfühlsam, nimmt sich für jeden viel Zeit und ist sehr gründlich.
Das Building – keine Umgebung für Kinder
Am Donnerstag gehen Shafiq und ich zum Building, um zu fragen, ob jemand Lust hat mit uns Fußball zu spielen. Das Building hat mehrere Etagen. Zur Straße hin ist es mit einem Bauzaun und Pappe abgeschirmt. Durch ein paar Schlitze kommt man dennoch in die Bauruine. Shafiq geht in das Gebäude rein. Ich folge ihm. Vor ein paar Wänden liegen Matratzen und Decken,
die mal weiß waren und jetzt einen grau-braunen Ton angenommen haben. In einer Ecke stehen drei Sofas zusammen, wo mehrere Männer zusammensitzen und neugierig gucken. Sie begrüßen uns. Aus dem Boden ragen Metallstreben, es ist staubig und überall liegt Plastikmüll. Die Familie wohnt unter einer aus Beton gegossenen Treppe, die sie mit Decken von den anderen Bewohnern abgeschirmt haben. Merwe steht unter der Treppe und hat den kleinen auf dem Arm. Wir gehen zu ihr. Ihr älterer Sohn hängt mittlerweile an meinem Bein. Ich gehe ein bisschen in dem Building rum. Am Rand des Hauses, gleich neben der Treppe, wo die Familie haust, klafft ein drei Meter tiefer Abgrund. Ich mache ein Foto und schicke es an das MIT, damit die bei anderen Organisationen und Behörden mehr Druck machen können.
Das Gespräch über den Verlust
Als es Zeit wird die Abendklinik zu beginnen kommt der ältere Junge um die Ecke gerannt, gefolgt von seinen Eltern und seinem kleinen Bruder.
Sie kommen zu mir und zeigen mir den Ausdruck von den Blutergebnissen. Ich zum Krankenwagen, wo Leonardo gerade einen Mann behandelt. „Die afghanische Familie ist gerade gekommen und würde gerne über die Blutergebnisse reden. Hast du da gleich Zeit für?“ frage ich Leonardo. „Ja, ehm, ja. Ich glaube nach ihm ist eh grade keiner mehr dran“, sagt er, nickt und guckt auf den Boden. Danach hebt er den Kopf und wendet sich seinem Patienten wieder zu. Ich springe aus dem Wagen und sage der Familie, dass Leonardo sie gleich holt. Mit Händen und Füßen bekomme ich das hin. Merwe nickt.
Kurz danach kommt der Patient aus dem Wagen und Shafiq steckt seinen Kopf raus. Er ruft irgendwas auf Farsi der Familie zu. Die Frau geht zu dem Wagen. „Willst du auch kommen?“ fragt er mich. „Das muss die Mutter entscheiden.“, antworte ich. Er fragt sie und sie nickt. Shafiq übersetzt hin und her. „Ja, ehm… ich muss leider sagen, dass das Kind verloren ist.“, sagt er und guckt erst zu Shafiq und dann zu Merwe. Während Shafiq das übersetzt guckt er sie weiter an. Sie guckt Shafiq an und nickt zwischendurch. Ihre Mimik versteinert. Als Shafiq fertig ist guckt sie Leonardo an und sagt: „Ok.“ Sie sitzt steif auf dem Stuhl. Es ist still. „Kann man ihr vielleicht psychologische Hilfe anbieten?“ frage ich nach einer Weile Leonardo. „Hm ja, das kann man machen.“, sagt er. „Wie geht es ihr jetzt gerade?“ fragt Leonardo Shafiq und dieser dann Merwe. „Würde es ihr helfen, wenn sie mit jemandem Reden kann? Nicht nur wegen des Kindes, sondern wegen der ganzen Situation?“ fragt Leonardo. „Ja, sie glaubt, dass ihr das helfen könnte. Sie hat viel Herzrasen und wird schnell wütend.“, antwortet Shafiq, nachdem sie ihm geantwortet hat.
Die Familie haut ab
Shafiq und ich wollen die Familie eine Woche später zusammen zum Psychologen begleiten. Als wir am Building ankommen ist die Familie verschwunden. Umgehend rufen wir sie an. Sie sind in Athen.
Sie seien am Abend zuvor in den Zug gestiegen um Bekannte in Athen zu treffen, diese seien aber bereits in Deutschland. Sie haben die Nacht in Athen auf der Straße verbracht und wollen am Abend zurück nach Thessaloniki kommen. Ich informiere das MIT. Sie hätten die Familie explizit davor gewarnt ohne Unterkunft nach Athen zu fahren. Sie haben es trotzdem gemacht. Ich sage den Termin bei dem Psychologen ab.
Am nächsten Tag sind sie wieder da. Ich sitze in einem Café als Merwe an mir vorbeiläuft. Am Tisch neben mir sitzt einer der Afghanen alleine. Er rutscht auf dem Stuhl hin und her, guckt sich nervös um. Er sagt, er ließe sich zurück nach Afghanistan bringen. Für Schutzsuchende und Geflüchtete, die Freiwillig in ihr Land zurückwollen, gibt es neben einem bezahlten Flug auch Geld von den Ämtern als Starthilfe. Ich frage ihn, wieso er zurück gehen will. „Ich will nicht. Ich muss.“ Er sei Soldat in der afghanischen Armee gewesen. Wegen der Taliban habe er das Land verlassen müssen. Sein Bruder sei erschossen worden, der Rest seiner Familie noch in Afghanistan. Jetzt habe ihm jemand geschrieben, dass sie seinen Vater entführt hätten und erst freilassen würden, wenn er zurück sei. Um seine Mutter und seine Schwester zu beschützen, müsse er zurück. Er guckt zur Seite, nimmt seine Hand vor den Mund und beißt auf seinen Finger, damit er nicht weinen muss. Shafiq kommt vorbei: „Heeey, Sarah! Na, wie geht es dir?“ fragt er fröhlich und setzt sich zu uns. „Gut, danke.“, sage ich kurz angebunden. „Ich habe tolle Neuigkeiten! Die afghanische Familie hat jetzt einen Termin mit UNHCR und die geben ihnen vielleicht eine Wohnung.“, sagt er. Das sind wirklich tolle Nachrichten. Mir steckt trotzdem ein massiver Kloß im Hals. „Oh, das ist ja toll.“, sage ich halbherzig. Shafiq schaut mich verdutzt an und blickt zu dem Afghanen rüber. Er steht auf und verabschiedet sich. Ich wende mich dem Afghanen zu. Wir schweigen. Ich sehe unseren Krankenwagen auf den Parkplatz fahren. Dann sagt er: „Wenn ich am Flughafen ankomme werde ich wahrscheinlich direkt erschossen. Wenn nicht da, dann kurz darauf.“
Nach vier Wochen ein Dach überm Kopf
Das MIT schafft es Kontakt mit der Flüchtlingshilfe der vereinten Nationen (UNHCR) aufzunehmen.
Ein paar Tage später hat die Familie ein Gespräch mit dem UNHCR und bekommt dann mitgeteilt, dass sie bald in einer Wohnung untergebracht werden. So lange dürfen sie in einem Flüchtlingscamp campen.
Ein paar Tage später bekomme ich einen Anruf: Die Campleitung will die Familie wegen Überfüllung rausschmeißen. Ich sitze in unserer Wohnung auf dem Boden und schmeiße mich nach dem Telefonat seufzend auf den Rücken, dabei klatsche ich ziemlich fest mit dem Hinterkopf auf den Boden. „Was ist los?“, will jemand wissen. „Die wollen die Familie aus dem Camp schmeißen“, antworte ich und füge entnervt hinzu: „Ich hasse Menschen.“ Ich rappele mich wieder auf, wähle die Nummer vom MIT und schildere ihnen die Situation. Das lohnt sich, denn danach darf die Familie im Camp bleiben, bis sie in ihrer Wohnung einziehen können. Am nächsten Abend kontaktiert mich das MIT und teilt mir mit, dass die Familie am folgenden Tag abgeholt wird und dann zu deren Wohnung gebracht wird.
Wir sitzen in der Pause in einem Café und unterhalten uns, als mein Handy vibriert. Eine fremde Nummer will einen Video-Anruf mit mir starten. Ich nehme ab und sehe das Gesicht des vierjährigen Jungen auf dem Bildschirm. Er hält das Handy viel zu nah an sein Gesicht und sagt: „Hallo Sarah.“ – ich lache. Sein Vater nimmt ihm das Handy ab, begrüßt mich und gibt mir eine Wohnungsführung. Die Kinder rennen immer wieder durch das Bild und winken. Nach dem Telefonat sitze ich mit Tränen in den Augen vor meinem Kaffee und schäme mich ein bisschen. „Das ist so toll, dass das geklappt hat.“, sagt eine der Freiwilligen. „Lass es raus. Das muss manchmal sein – ich kenn das!“, sagt sie auf deutsch zu mir.
*Name von der Redaktion geändert
Beitragsbild: Till Gläser Photography