Kommentar: Wirtschaft for Klimaschutz

Klimaschutz und eine blühende Wirtschaft – das geht nicht zusammen, oder? Doch, das geht sehr wohl. Mit verlässlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft. Denn so gehen wir die großen Verursacher an. Ein Kommentar.

Als sich Bundesrat und Bundestag vor Weihnachten auf den Kompromiss zum Klimapaket geeinigt haben, gab es Lob, aber auch Kritik – auch aus Sorge um den Mittelstand. Ein höherer CO2-Preis ab 2021 ist Teil des Kompromisses, muss aber im neuen Jahr noch in ein Gesetz gegossen werden. Dieser höhere Preis soll Menschen und Unternehmen dazu bringen, sich klimafreundlicher zu verhalten.

Der Präsident des Industrie- und Handelskammertags Eric Schweitzer fordert Kompensationen für den Mittelstand. Er sagt, viele Mittelständler seien noch stark auf Diesel und Gas angewiesen, die durch den Co2-Preis teurer werden. „Sie können die beschlossenen Mehrbelastungen deshalb nicht über sinkende Strompreise auffangen.“ Er sagt weiter: „Diese Unternehmen brauchen rasch Klarheit, ob sie am Standort Deutschland noch eine Zukunft haben.“

Um einen Lenkungseffekt zu erzielen, muss der Preis aber spürbar sein. Schon länger haben Unternehmen kleine grüne Projekte gehabt, die waren oft aber eher fürs Marketing gedacht. Bislang hat für die meisten Unternehmen das Kostenargument überwogen, das auch Schweitzer nennt.

Die Wirtschaft will Rahmenbedingungen

Mittlerweile aber haben 135 Menschen im Namen ihrer Unternehmen die Stellungnahme von Wirtschaft pro Klima zu den Fridays for Future unterzeichnet. Darin geloben sie, weitere Anstrengungen für den Klimaschutz zu unternehmen und sich für Rahmenbedingungen einzusetzen, „die wirtschaftliches Handeln und Klimaschutz gleichermaßen begünstigen“. Auch die Stiftung 2° fordert verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen, damit der Klimaschutz gelingt.

Stiftung 2°
Die „Stiftung 2° – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz“ ist ein Zusammenschluss von Vorstandsvorständen, Familienunternehmern und Geschäftsführern. Unterstützer sind unter anderem die Otto Group und die Telekom. Es gibt die Stiftung schon seit 2007. Sie versteht sich auch als „Plattform zur aktiven Zusammenarbeit“, um Lösungen für den Klimaschutz in Unternehmen zu erarbeiten.

Denn den Klimaschutz könne man nicht einfach verschieben, sagt die Stiftung 2°, wie auch nahezu alle Wissenschaftler. Überschreitet die Erderwärmung die Zwei-Grad-Schwelle, verändert sich die Umwelt schnell und unberechenbar. Das wiederum macht Investitionen nicht mehr gut planbar und schadet der Wirtschaft – Argumente, die nicht aufs Mitleid abzielen wie die sterbenden Eisbären oder die untergehenden Landstriche, sondern knallhart aufs Geld gehen.

Kritiker fürchten höhere Kosten

Wachstum und CO2-Emissionen lassen sich voneinander trennen, sagt die Stiftung 2° – und mit Klimaschutz lasse sich sogar die internationale Wettbewerbsfähigkeit steigern. Kritiker vermuten das Gegenteil, sie befürchten, dass durch höhere Kosten in Deutschland die Unternehmen ins Ausland abwandern. Allerdings dürften sich durch ausreichend enge Rahmenbedingungen die deutschen Unternehmen schneller daran gewöhnen, klimafreundlich zu produzieren, sogar neue Technologien und Geschäftsmodelle entwickeln – das wäre in der Zukunft ein Vorteil.

Ein verlässlicher Rahmen für die Wirtschaft, statt immer wieder einzelne Maßnahmen zu beschließen, ist auch aus einem anderen Grund wichtig: Unternehmen (und Normalbürger, die zum Beispiel überlegen, welches Auto sie kaufen) müssen langfristig planen können. Bei Kraftwerken beträgt der Planungszeitraum oft 20 Jahre oder mehr. Selbst bei der Frage, welche neue Maschine gekauft wird, müssen mindestens die nächsten drei bis fünf Jahre berücksichtigt werden. Ist die Unsicherheit zu groß, bleiben Investitionen liegen. Das ist schlecht für die Wirtschaft.

Wir brauchen den großen Wurf

Natürlich gibt es auch Angst vor Verlust der Wettbewerbsfähigkeit, vor steigenden Kosten und verlorenen Arbeitsplätzen, und auch das ist gerechtfertigt. Die Energieversorgung muss sichergestellt sein, selbst wenn die Sonne nicht scheint. Die Menschen auf dem Land müssen es sich nach wie vor leisten können, zum Einkaufen und zur Arbeit zu fahren.

Der notwendige Komplettumbau unserer Wirtschaft wird wehtun, das ist keine Frage. Deshalb muss der Klimaschutz sozialverträglich vonstattengehen und darf auch dem Mittelstand nicht zu viel zumuten. Aber am Ende ist es wichtig, den Klimaschutz jetzt anzugehen und den Strukturwandel nicht aufhalten zu wollen. Denn selbst bei einer Erderwärmung um 1,5 Grad werden Kipppunkte erreicht, die kaum kalkulierbare Folgen haben.

Schluss mit symbolischen Gesetzen

Es reicht nicht, den Einzelnen ihre Strohhalme wegzunehmen, aber den Unternehmen keine ausreichenden Rahmenbedingungen vorzugeben. In der Wirtschaft wünschen sich einige viel eher Klarheit und Planungssicherheit, als dass alles so bleibt, wie es ist. Ohne Planungssicherheit bleiben Investitionen liegen. Statt überwiegend symbolpolitischer Gesetze, die den Einzelnen betreffen, sollte die Politik sich nicht vor dem großen Wurf fürchten und einen verlässlichen Rahmen für die Großen schaffen – der dann auch für die nächsten Jahre verbindlich bleibt. Der Kompromiss zum Klimapaket ist ein guter Schritt in die richtige Richtung.

Ein CO2-Preis, der auch einen Effekt hat, eine LKW-Maut, die diesen Namen verdient, ein generelles Tempolimit (das alles empfiehlt das Umweltbundesamt), Umweltauflagen und ein schneller Kohleausstieg – wir müssen groß denken und handeln. Und wir müssen aufhören, Klimaschutz und Wirtschaft gegeneinander auszuspielen. Das ist besser fürs Klima und für die Wirtschaft.

Beitragsbild: Grunpfnul / Sascha Faber (CC BY-SA 4.0)

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