Bundestag und Bundesrat beschließen heute die zentralen Gesetze zum Kohleausstieg. Die große Koalition hatte sich am Montag (29.06.2020) auf die letzten strittigen Punkte geeinigt. Dabei ging es vor allem um höhere Entschädigungen für Betreiber*innen von Steinkohlekraftwerken.
Rund 40 Milliarden Euro sollen für den Umbau der Wirtschaft in den Kohleregionen investiert werden. Das ist Teil der neuen Einigung zwischen Union und SPD. Zusätzlich soll es eine Härtefallregelung für Betreiber*innen von jungen Steinkohlekraftwerken geben. Hauptkritikpunkt am bisherige Gesetzesentwurf war, dass Steinkohlekraftwerke ab 2027 entschädigungslos abgeschaltet werden sollten. Der neue Entwurf sieht vor, dass sich Steinkohlebetreiber*innen bis 2026 darauf bewerben können, ihre Kraftwerke gegen eine Entschädigung abzuschalten.
Für junge Steinkohleanlagen gibt es zudem eine Härtefallregelung. Diese tritt in Kraft, falls die entsprechenden Kraftwerksbetreiber*innen keine Entschädigung im Zuge der Ausschreibung erhalten. Solche Kraftwerke könnten auf Wasserstoff oder Biomasse umgerüstet werden, so die Nachrichtenagentur dpa. Damit hätten die Betreiber*innen weiterhin eine Perspektive für die Energieversorgung. Durch die Einigung von Union und SPD können die dafür notwendigen Gesetze noch vor der parlamentarischen Sommerpause beschlossen werden.
Historisch: Mit dem Kohleausstiegsgesetz schaffen wir heute in Bundestag und Bundesrat Sicherheit für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Allei dadurch reduzieren wir den CO2-Ausstoß um ein Drittel! Und schaffen Neue Arbeitsplätze für die Betroffenen!
— Peter Altmaier (@peteraltmaier) July 3, 2020
Strukturstärkung in den Kohleregionen
Neben dem konkreten Fahrplan zum Kohleaustieg bis 2038 beinhaltet der Plan der Bundesregierung auch ein Gesetz zur Strukturstärkung. 40 Milliarden Euro erhalten die Länder NRW, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg. Ein Großteil davon kommt den Braunkohlerevieren zugute, aber auch einige Steinkohleanlagen profitieren von den Hilfen. 26 Milliarden Euro sollen in Infrastrukturmaßnahmen in den betroffenen Gegenden fließen. Das umfasst vor allem den Ausbau von Autobahnen, Bundesstraßen und Bahnstrecken. 14 Milliarden Euro sollen die Länder für eigene Projekte bekommen.
Kritik kommt dabei aus verschiedenen Richtungen. Die AfD kritisiert, dass es insgesamt noch zu wenig Geld sei, da rund 18.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen würden. 40 Milliarden Euro aufgeteilt auf alle Regionen – da bleibe nicht mehr viel für den Einzelnen. Und auch die Grünen sehen das Geld falsch angelegt. Die großen Tagebauflächen der Kohleregionen könnten zum Ausbau der erneuerbaren Energien genutzt werden, anstatt die Infrastruktur zu erweitern, heißt es aus der Partei. Die Grünen wollen heute dem Kohleausstiegsgesetz nicht zustimmen, den Strukturhilfen für die Regionen schon.
Viele Kohle-Gegner hatten bei den Verhandlungen der großen Koalition vor dem Bundestag demonstriert. Für sie käme der Ausstieg nach wie vor zu spät. Zusätzlich sende die Inbetriebnahme von Datteln IV falsche Signale und mache die Bundesregierung unglaubwürdig, heißt es beispielsweise vom BUND. Das Steinkohlekraftwerk war zu Beginn des Jahres stark in die Kritik geraten, da es trotz des beschlossenen Kohleausstiegs noch ans Netz gehen sollte. Seitdem versammeln sich regelmäßig zahlreiche Demonstranten vor dem Kraftwerk, um dagegen zu protestieren.
Die #GrosseKohleKoalition sollte sich schämen. Das #Kohlegesetz ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich engagiert für das #Klima einsetzen und führt den Kohlekompromiss vor. Wir protestieren draußen gegen den Klimakiller #Kohle, während drinnen das Parlament entscheidet
— BUND (@bund_net) July 3, 2020
Fahrplan zum Kohleausstieg
Vor anderthalb Jahren hatte eine von der Regierung eingesetzte Kommission einen Plan zum Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung entworfen. Bis 2038 sollten demnach alle Kohlekraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden. Die Bundesregierung hatte schließlich im Januar diesen Jahres bekanntgegeben, sich an den Fahrplan zum Kohleausstieg zu halten. Die Ministerpräsidenten der vier betroffenen Bundesländer hatten dem ebenfalls zugestimmt.
„Die Einigung schafft Rechtssicherheit und Planbarkeit, die sicherstellt, dass wir unsere Klimaziele einhalten und dass trotzdem die Versorgungssicherheit gewährleistet ist“, so Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier damals gegenüber der Tagesschau.
Umweltministerin Svenja Schulze sagte der dpa, Deutschland sei das erste Land das verbindlich aus Atom und Kohle aussteige. Zudem würde man sich bemühen, diesen Ausstieg so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. “Wir haben jetzt Sicherheit, dass wir aussteigen und wie wir aussteigen. Sicherheit für die Regionen, dass geholfen wird, und dass auch etwas Neues passiert, dass erneuerbare Energien vorangebracht werden.”
Die acht ältesten Kohlekraftwerke sollen laut Plan so schnell wie möglich vom Netz gehen, das Erste bereits in diesem Jahr. Bis 2030 sollen dann mindestens 65 Prozent des Stroms in Deutschland aus Erneuerbarer Energie kommen.
Beitragsbild: Pixabay//Benita Welter