Olympische Spiele mit aller Macht – aber ohne ausländische Zuschauer

Leere Plätze wird es bei den Olympischen Sommerspielen reichlich geben. Bild: Wikimedia.org/Guilhem Vellut

Der Olympische Fackellauf darf vor Zuschauern stattfinden – für die Olympischen Sommerspiele ist das noch nicht beschlossen. Doch schon jetzt steht fest: Ausländische Fans dürfen nicht einreisen. Damit geht die Olympia-Farce in eine neue Runde. KURT-Autor Arne Draheim ist der Meinung, dass man sich die Spiele ohne Zuschauer besser sparen sollte, so weh es auch tut. Am Ende wird es sowieso nur Verlierer geben.

Es gleicht sprichwörtlich dem Spiel mit dem Feuer. Am 25. März soll das Olympische Feuer entzündet und dabei insgesamt 47 Präfekturen Japans durchqueren. Zuschauer dürfen dabei sein. Solange sie sich an Vorgaben halten, die angesichts der Situation in Japan eher wie ein ganz schlechter Kompromiss wirken.
Zahlreiche Kameras werden den feierlichen Auftakt der Olympischen Sommerspiele 2021 dokumentieren, die mittlerweile ungefähr genauso überflüssig erscheinen wie das Coronavirus selbst. Weder Jubel noch Anfeuerungsrufe sind erlaubt, wenn das Feuer auf Reisen geht. Die Zuschauerzahl wird begrenzt und es herrscht eine verschärfte Maskenpflicht. Ein Sportfest mit Fans aus aller Welt sieht anders aus – und die akute Ansteckungsgefahr verschwindet ja nicht einfach. Beim Fackellauf sowie auch bei den Olympischen und Paralympischen Spielen ab dem 23. Juli wären Zuschauer vor dem Fernseher definitiv besser aufgehoben als an der Strecke oder im Stadion. Sonst droht das größte internationale Sportevent zum größten internationalen Superspreader-Event zu verkommen. Ein klares Konzept sieht anders aus. Nicht aber, wenn das Internationale Olympische Komitee (IOC) und das japanische Organisationskomitee die Spiele um jeden Preis über die Bühne bringen wollen.
Vorsitzende des Organisationskomitees, Seiko Hashimoto
Bild: wikimedia.org/内閣官房内閣広報室

NOlympia statt Olympia

Um jeden Preis über die Bühne und um jeden Preis mit zahlreichen Zuschauern in den Stadien – das scheint das Credo der Ausrichter zu sein. Auch, wenn man dafür ausländische Sportfans ausschließt. Die neue Organisationskomitee-Vorsitzende, Seiko Hashimoto, hatte diesen Gedanken auch schon längst zur öffentlichen Diskussion gestellt. Nun ist offiziell – ausländische Fans dürfen im Sommer nicht zu den Spielen nach Japan einreisen. Die olympischen Spiele 2020 – oder 2021 – gehen als die ersten ein, die in Friedenszeiten verschoben wurden und sie werden wahrscheinlich auch die ersten sein, bei denen Sportbegeisterte aus aller Welt zu Hause vor der Mattscheibe kleben müssen.

Wenn also nur Einheimische in die Sportstätten dürfen, sollten doch alle Tickets binnen weniger Tage vergriffen sein. Weit gefehlt! In Japan sprachen sich in einer Umfrage 56 Prozent der Befragten gegen die Olympischen Spiele in diesem Sommer aus. NOlympia statt Olympia heißt es im Land der aufgehenden Sonne. International lässt sich ein ähnlicher Umfragetrend erkennen. Wirklich interessieren tut das aber auch keinen der Entscheidungsträger. Konkrete Warnzeichen werden vom Organisationskommitee gekonnt ignoriert. Erst kürzlich wurde im Großraum Tokyo der Notstand verlängert, die Infektionszahlen in der Metropole steigen. Doch all das bringt die Olympischen Spiele trotzdem nicht ins Wanken.

Absolut weltfremde Ideen

Die Frage, wozu das IOC-Premiumprodukt Olympische Spiele mittlerweile verkommen ist, lässt sich durch die bloße Betrachtung nackter Zahlen erklären. Umgerechnet 13 Milliarden Euro haben die Spiele bereits gekostet. Eine Milliarde Euro soll sich durch die Erstattung bereits gekaufter Tickets zudem noch addieren. Aber egal, denn den Großteil der verursachten Kosten tragen ja sowieso die Steuerzahler in Japan. Seit den Boykott-Spielen von Moskau im Jahr 1980 hat sich das IOC gegen Ausfälle versichert und ist somit auf der sicheren Seite. Das Festhalten am Sportevent lässt sich demnach nur monetär erklären. Oder wer baut sich schon ein Schloss, nur um es anschließend aus der Ferne zu betrachten?

Bei keinem anderen internationalen Sportevent kommen so viele Nationen konzentriert zusammen wie bei den Olympischen Spielen. Damit das auch wirklich gewährleistet wird, hatten die Veranstalter einen wahren Geistesblitz. Jeder der 
knapp 11.000 Sportler*innen aus der ganzen Welt sollen bereits geimpft anreisen und sich anschließend in eine Quarantäne begeben. Damit greifen die Olympia-Macher ja nur indirekt in die Impfstrategien der Teilnehmerländer. Damit müsste die Impfreihenfolge in vielen Ländern komplett verworfen werden. Denn weltweit ist noch längst nicht genug Impfstoff vorhanden, um überhaupt erst mal die akut gefährdeten Menschen zu impfen. Chapeau dafür!

An dieser Stelle muss zumindest auf nationaler Ebene auch sachlich argumentiert werden. Olympia-Teilnehmer*innen, die auf den Höhepunkt ihrer sportlichen Karriere hingearbeitet haben – diesen sogar um ein weiteres Jahr verschieben mussten – sollten ihren Traum von Olympia nun auch verwirklichen dürfen. Dass dafür die Impfreihenfolge geändert werden müsste, mag vielleicht auf den ersten Blick unethisch wirken. Dabei ist es aber vor allem eines: solidarisch. Und wenn in Zeiten der Covid-19-Pandemie schon Solidarität gefordert wird, warum sollte dies nicht auch für Sportler gelten, mit deren Erfolgen sich schließlich eine ganze Nation dekoriert?

Ein aussichtsloser Aufstand

Zuschauer, die das größte globale Sportspektakel nur von zu Hause aus verfolgen dürfen. Eine völlig gespaltene japanische Bevölkerung, die nun auch noch für das Versagen Anderer finanziell geschröpft wird. Und Athlet*innen, die sich unsicher sind, ob sie ihren ‘Traum von Olympia’ überhaupt leben sollten. Das sind die völlig ramponierten Olympischen Spiele, auf die wir uns in diesem Sommer freuen dürfen. Denn Japans Machthaber werden sich nicht die Blöße geben, die Olympia abzusagen. Und das IOC? Das erst recht nicht.

Eine Alternative zur Durchführung gibt es ja auch nicht, wenn selbst internationale Proteste in der Vergangenheit schon auf taube Ohren seitens der Organisationen gestoßen sind. Bleibt letztlich nur der eigene Boykott – auch der würde bis auf ein besseres Gewissen rein gar nichts ändern. Prägend wird diese begleitende Debatte aber allemal. Sie zeigt, wie hoch der Elfenbeinturm der Ausrichter tatsächlich ist: Wir hier, ihr da. Nun denn, lasset die Spiele beginnen.

 

 

 

 

 

 

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