Urheberrechtsreform: Kompromiss ohne Gewinner

Gewaltige Änderungen für Internet-Plattformen wie YouTube oder Instagram: Am Donnerstagabend hat der Bundestag die umstrittene Urheberrechtsreform verabschiedet. Sie wurde schon 2018 von der Europäischen Union (EU) beschlossen, der Bundestag einigte sich nun auf die Details für Deutschland. So richtig zufrieden ist damit aber kaum jemand.

Für den Entwurf stimmten die CDU und SPD. FDP, Linke und AfD waren dagegen. Die Grünen enthielten sich bei der Abstimmung. Das neue Gesetz wird in Deutschland ab dem 1. August in Kraft treten. Für Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sieht der Entwurf “einen fairen Interessenausgleich vor, von dem Kreative, Rechteverwerter und Nutzer gleichermaßen profitieren werden.”

Internet-Plattformen wie YouTube, Instagram oder Facebook sind künftig urheberrechtlich für alle Inhalte verantwortlich sind, die bei ihnen hochgeladen werden. Außerdem dürfen Film- und Tonaufnahmen nur noch bis zu 15 Sekunden genutzt werden, Texte nicht länger als 160 Zeichen sowie Bilder und Grafiken nicht mehr größer als 125 Kilobyte sein. Im Zentrum um die Diskussion des Gesetzes stehen mögliche Uploadfilter.

Uploadfilter
Uploadfilter funktionieren so, dass sie neue Inhalte überprüfen und bei möglichen Verstößen dann blockieren. Sie sind nach dem Gesetzentwurf zwar nicht verpflichtend, allerdings ist es für YouTube, Instagram und Co. zunächst wohl die einfachste Lösung, alle Regeln einhalten zu können. Der größte Kritikpunkt daran ist, dass sie häufig fehlerhaft sein und auch rechtlich unbedenkliche Uploads verhindern könnten.

Im Frühjahr 2019 hatte es europaweit viele Proteste gegen mögliche Uploadfilter und den “Artikel 13” der EU-Urheberrechtsreform gegeben. In diesem wurden die Änderungen verankert, mittlerweile ist es der Artikel 17. Der Hauptkritikpunkt damals: Die Meinungsfreiheit im Internet würde durch das Gesetz extrem eingeschränkt werden. Es wurde sogar vom “Ende des Internets” gesprochen (ein Faktencheck zur damaligen Debatte). Ganz so drastisch sind die neuen Maßnahmen wohl nicht, sie stoßen aber weiterhin auf viel Kritik – und das nicht nur von Gegner*innen.

Viele befürchten Freiheitseinschränkungen

Eine Petition der Initiative “Save the Internet” macht deutlich, wie viele Menschen sich gegen das neue Gesetz wehren wollen. Weit über fünf Millionen Menschen unterstützen die Forderung, dass die “Zensurmaschine” gestoppt werden soll, also die Urheberrechtlinie nicht ins Gesetz aufgenommen wird. Unterstützung bekommen diese Menschen auch teilweise aus der Politik.

Julia Reda war bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments innerhalb der Fraktion Die Grünen/EFA und ist Projektleiterin für die Urheberrechtsreform der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Foto: Julia Reda

Eine der führenden Kritikerinnen des neuen Gesetzes ist Julia Reda. Sie war bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments innerhalb der Fraktion Die Grünen/EFA. Außerdem ist Reda Projektleiterin für die Urheberrechtsreform der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Die Expertin sieht im Engagement der Internet-Community einen direkten Einfluss auf die Änderungen im neuen Gesetz:

Der Bundestag nimmt zentrale Forderungen der Zivilgesellschaft auf und schafft Rechtssicherheit für Fan Fiction, Memes und andere Formen der Netzkultur, die bislang in einer rechtlichen Grauzone stattfanden.

Dennoch befürchtet sie im Gespräch mit KURT, dass “es trotz einiger Nachbesserungen am Gesetzentwurf durch den Bundestag in Zukunft vermehrt zur Sperrung legaler Inhalte kommen wird”. Beispielsweise seien nicht-kommerzielle Wissenschaftsplattformen nicht betroffen (wie z.B. Wikipedia) und auch die Parodiefreiheit werde nicht komplett aufgehoben.

Professor*innen mit Teilerfolg durch Stellungnahme

Auch von Expert*innen für Urheberrecht gab es viele Kritikpunkte an der Reform. Im November des vergangenen Jahres haben 19 Professor*innen gemeinsam eine Stellungnahme bei der Bundesregierung eingereicht. Darin forderten sie, dass Zitate und Parodien weiterhin nicht eingeschränkt werden sollten, da sie “zum Kern grundrechtlich geschützter Kommunikationsfreiheit” gehören würden.

Eine der daran beteiligten Personen ist die Datenrechts-Professorin Louisa Specht-Riemenschneider. Sie sieht die Reform als alternativlos an, da Deutschland durch die Europäische Union zur Umsetzung verpflichtet ist. Trotzdem hätten in der Reform ihrer Meinung nach die Nutzerrechte “weitreichender ausfallen können”, betont sie gegenüber KURT.

Als komplett erfolglos empfindet Specht-Riemenschneider die Stellungnahme vom November allerdings nicht. “Immerhin bleiben jedenfalls Zitate auch zukünftig vergütungsfrei. Hier wurde das Gesetz noch einmal geändert. Dasselbe hätte ich mir mit Blick auf Parodien und Karikaturen gewünscht”, so die Professorin. Parodien und Karikaturen sind zwar so wie Zitate weiterhin frei verwendbar, für sie muss man aber zukünftig auch Geld an die Urheber*innen zahlen.

Warum auch die Urheber*innen mit dem Gesetz nicht zufrieden sind

Nun könnte man meinen, dass die neuen Regelungen wenigstens die Gegenseite positiv stimmen. Doch auch der “Bundesverband Musikindustrie (BVMI)” ist mit dem Gesetz nicht zufrieden. Er kritisiert, dass sich Deutschland mit dem Entwurf zu weit von der EU-Vorgabe wegbewegt habe und die eigentlichen Ziele nicht mehr erreicht werden könnten. “Der Entwurf widerspricht dem Gedanken der europäischen Harmonisierung und führt zur Schwächung des Standortes Deutschland für die Kultur- und Kreativwirtschaft”, heißt es in einer Stellungnahme auf der Website.

Dabei kritisiert der Verband beispielsweise die sogenannten “Bagatell-Schranken”. Damit ist die Möglichkeit gemeint, dass auch Videos weiterhin geringfügig – also nur für 15 Sekunden – verwendet werden dürfen. Das sei vor allem problematisch, da “neue Plattformen (wie z.B. TikTok) ihr Geschäftsmodell auf solch kurze Sequenzen aufbauen.”

Wer neben der Musikindustrie noch betroffen ist
Es sind übrigens nicht nur Soziale Medien und die Musikindustrie betroffen. Auch für journalistische Produkte gibt es ein “Leistungsschutzrecht”. Dieses Recht soll zum Beispiel dafür sorgen, dass Redaktionen an Gewinnen beteiligt werden, die Drittanbieter (wie bspw. Google) verdienen. Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) begrüßen diese Entscheidung. Für sie sei das Gesetz “ein Schlüssel, um die Ausbeutung journalistischer Inhalte durch kommerzielle Plattformen künftig einzudämmen.”

Uploadfilter werden wohl kommen

Auch wenn es für die deutsche Musikindustrie nicht weit genug geht, sind die neuen Regeln vor allem für die betroffenen Plattformen spürbar. Um Verstöße zu vermeiden werden sie wohl auf die kritisierten Uploadfilter zurückgreifen müssen. Julia Reda und die Gesellschaft für Freiheitsrechte gehen davon aus, dass dabei viele Fehler auftreten werden:

Wir werden solche Fälle sammeln und nötigenfalls von dem neuen Verbandsklagerecht Gebrauch machen, um die Nutzungsrechte gerichtlich durchzusetzen.

Außerdem müsse der Europäische Gerichtshof ohnehin noch darüber entscheiden, ob die in der EU-Urheberrechtsrichtlinie enthaltenen Uploadfilter überhaupt mit der Grundrechte-Charta vereinbar seien. Mit einer Entscheidung rechne sie in Kürze, so Reda.

Es bleibt also abzuwarten, inwiefern das Gesetz das Internet und speziell Soziale Medien verändern wird. Dass die Diskussionen in Deutschland nach der aktuellen Entscheidung vorbei sind, ist aber nur schwer vorstellbar.

Beitragsbild: David Rückle

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