Homeoffice-Hunde: einmal kuscheln und zurück?

Canvahund5 ist einsam und traurig

In der Corona-Pandemie haben sich sehr viele Menschen einen Hund angeschafft. Mitunter waren die Tierheime wie leer gefegt. Jetzt, nach Ende des Lockdowns, befürchten viele Tierheime jedoch eine Abgabewelle der Vierbeiner. Was steckt dahinter?

Am 27. Januar 2020 gab es den ersten öffentlichen Corona-Fall in Deutschland. Im März 2020 begann der erste Lockdown. Das Homeoffice wurde dadurch für viele zum Arbeitsplatz und das öffentliche Leben verringerte sich stark. Viele Deutsche fühlten sich einsam — und legten sich einen Hund zu. So einen Ansturm auf Haustiere wie im April und Mai 2020 habe sie noch nie erlebt, erzählt Catharina Seelig. Sie ist Chefin im Tierheim Schwerte.

Catharina Seelig und Chicco (1 Jahr alt)
Catharina Seelig und Chicco (Foto: privat)

 

„Bei uns im Tierheim stand das Telefon teilweise nicht still. Gerade die Nachfrage nach jungen Hunden war unglaublich.“

Das Tierheim in Schwerte ist kein Einzelfall. Im Juni 2020 wurden etwa 39.000 Hunde bei der Tierschutzorganisation Tasso e.V. neu registriert. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Anstieg um circa 25 Prozent.

Die gestiegene Nachfrage konnte das Tierheim in Schwerte nicht mehr bewältigen. Obwohl Seelig und ihr Team sorgfältig darauf achteten, ihre Tiere nur an ausgewählte Menschen zu vermitteln, war das Tierheim schnell leer gefegt. Der Hundewunsch vieler Menschen blieb daher unerfüllt. So erging es auch vielen anderen Tierheimen. Das führte unter anderem dazu, dass der illegale Welpenhandel stark zunahm. Das belegen Zahlen des Deutschen Tierschutzbundes:

Der illegale Welpenhandel boomt

Gerade in Corona-Zeiten ist der illegale Welpenhandel ein Millionen-Geschäft. Diese Tiere stammen oft aus Massenvermehrungen aus Osteuropa. Sie sind häufig unterernährt und nicht geimpft. Dazu werden die Welpen in der Regel zu früh von ihrer Mutter getrennt. Das kann etwa zu massiven Verhaltensstörungen führen. Manchmal sind die Welpen aber auch so krank, dass sie schon wenige Tage nach dem Verkauf sterben. Das ZDF hat zum Thema Welpenhandel in der Pandemie berichtet.

Wie erkenne ich einen Welpen aus illegalem Handel?
  • der Kaufpreis ist vergleichsweise niedrig (nicht mehr als ca. 600€)
  • Welpe ist sehr jung und kann die Augen kaum öffnen. Laut Tierschutz-Verordnung dürfen Welpen erst im Alter von acht bis zwölf Wochen von ihrer Mutter getrennt werden.
  • der Händler will den Welpen direkt ans Haus liefern oder an einem öffentlichen Ort übergeben
  • schlechter Gesundheitszustand des Welpen – Ausfluss aus Augen oder Nase
  • Mikrochip, Begleitpapiere mit Zuchtbuchnummer oder der Heimtierausweis fehlt
  • niedrige Preise, die innerhalb weniger Tage stark sinken. Der Händler möchte einen kranken Welpen womöglich schnell verkaufen.

Bei einem Verdacht sollte schnell die Polizei alarmiert werden. Auch der örtliche Tierschutzverein sollte informiert werden.

Vereinbarkeit von Hund und Job

Inzwischen werden die Corona-Regeln gelockert. Viele Menschen kehren aus dem Homeoffice in den beruflichen Alltag zurück. Sie sind daher weniger zuhause und haben kaum noch Zeit für ihre Fellnasen. Ein Hund ist jedoch ein sehr zeitintensives Haustier. So sollte ein Hund etwa pro Tag maximal fünf Stunden allein sein, so der Verband für das Deutsche Hundewesen.

Als Ergebnis verzeichnen bereits die ersten Tierheime einen Anstieg von abgegebenen Tieren, bestätigt Catharina Seelig. Sie kritisiert daher die voreilige Entscheidung vieler Menschen, sich einen Hund angeschafft zu haben. Ein Hund sei eben kein Verbrauchsgegenstand wie ein Handy, das man mal eben weglegen kann.

,,Einen Hund anzuschaffen ist wie ein eigenes Kind zu haben. Er ist auf Biegen und Brechen auf dich angewiesen.“

 

Sozialisierungsphase des Welpen

Wie bei einem Kind ist auch bei Welpen die Sozialisierung sehr wichtig. Eine gute Sozialisation sorgt dafür, dass der Hund in Zukunft gut mit anderen Menschen und Tieren umgeht. Außerdem reagiert er so gelassener auf Veränderungen in der Umgebung.

Bis zur achten Lebenswoche des Welpen gibt es viel zu beachten. In diesem Zeitraum sollte der Welpe schon beim Züchter viele Erfahrungen machen. Im Idealfall wächst er „mitten in einer Familie“ auf. Küchenlärm, Staubsaugergeräusche und viele andere Dinge lernt er dadurch kennen, anstatt abgelegen in einem Zwinger aufzuwachsen.

Im neuen Zuhause findet dann die weitere Sozialisierungsphase statt. Wichtig ist dabei vor allem das Kennenlernen von Menschen. Für kleine Welpen gibt es viele verschiedene Arten von uns Menschen: Große, kleine, dicke, mit hohen oder tiefen Stimmen, tollpatschig oder distanzierte Menschen. Er sollte langsam verschiedenen Menschen begegnen und lernen, dass er vor ihnen keine Angst haben muss. Nur mit ihm im Homeoffice zu kuscheln wäre völlig falsch.

Im Gegenteil, der Welpe muss gefördert und gefordert werden. Bis zum sechsten Lebensmonat sollte der Welpe beispielsweise an Autofahrten, öffentliche Verkehrsmittel und größere Menschenmengen gewöhnt werden. Einen Welpen stubenrein zu bekommen, bedarf ebenfalls viel Zeit. Regelmäßige Besuche bei Hundertrainer*innen sind gerade für Erstbesitzer*innen sinnvoll. Hundetrainer Martin Rütter gibt sinnvolle Tipps.

Sorge um Abgabewelle

Aktuell hält sich in Dortmund die Zahl der Hundeabmeldungen allerdings noch in Grenzen, wie die Stadt auf telefonische Anfrage bestätigt. Einen großen Abgabetrend gebe es derzeit nicht, sagte ein Sprecher der Stadt. Die Sorge vor einer Abgabewelle ist dennoch groß. Die Tierheime machen sich auf jeden Fall auf alles gefasst. „Wenn zum Ende der Pandemie bundesweit viele Tiere auf einmal abgegeben werden sollten, könnte es schnell bedrohlich werden.“, sagte Lea Schmitz vom Tierschutzbund der FAZ. Außerdem ist im Sommer sowieso meistens die Zeit, in der Tierheime Hunde von Menschen in Pension nehmen, die in den Urlaub fahren. So könnten die Tierheime schnell an ihre Grenzen kommen.

Catharina Seelig und ihr Team in Schwerte werden auf jeden Fall versuchen, mögliche Engpässe im Sommer zu bewältigen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sie dabei zu unterstützen.

Teaser- und Beitragsbild: Canva

Ein Beitrag von
Mehr von Julian Hirmke
Ruhrgebiet: Entwarnung nach Kolibakterien im Trinkwasser
Die Stadt Mühlheim hat bei einer Kontrolle Kolibakterien im Trinkwasser entdeckt. Das...
Mehr
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert