Regelmäßig fragen wir hier die, die uns im Hörsaal die Welt erklären: unsere Professor*innen und Doktorand*innen. Können sie uns auch alltägliche Fragen beantworten? Sag mal, Prof, wieso werde ich in den Ferien oft krank? Dieses Mal erklärt der klinische Psychologe Ad Vingerhoets von der Tilburg University in den Niederlanden.
Tatsächlich kommt es relativ oft vor, dass wir gerade in den ersten freien Tagen nach einer stressigen Zeit krank oder überdurchschnittlich müde sind. Dieses Phänomen heißt „Leisure Sickness“ – übersetzt „Freizeitkrankheit“. Welche Beschwerden auftreten, ist dabei nicht entscheidend, sondern, wann sie sich zeigen. Betroffene fühlen sich schlecht, wenn die Entspannung einsetzt, nicht während der Stressphase.
Ist der Körper gestresst, schüttet er das Hormon Adrenalin aus. Dadurch kann er Energie leichter in Arbeit umsetzen. Das Herz schlägt schneller, wir bekommen besser Luft und der Blutzuckerspiegel steigt. Kurz: Der Motor des Körpers läuft auf Hochtouren. Stress kann so dazu beitragen, dass das Immunsystem effektiver arbeitet. Dadurch kann es Krankheitserreger vorläufig in Schach halten. Krank werden wir erst in der Ruhephase, wenn das Adrenalin abgebaut ist. Es kommt vor, dass der hohe Adrenalinspiegel auch in der Entspannungszeit bestehen bleibt. Das passiert vor allem bei Menschen, die dauerhaft unter Stress stehen. Ob manche Berufsgruppen stärker davon betroffen sind, lässt sich anhand der momentanen Studienlage nicht eindeutig sagen. Menschen ohne geregelte Arbeitszeiten scheinen aber besonders gefährdet zu sein, ihr Adrenalin nicht rechtzeitig abbauen zu können. Dazu zählen zum Beispiel Lehrer*innen oder Journalist*innen.
Ein hoher Adrenalinspiegel kann also kurzfristig dafür sorgen, dass das Immunsystem Infektionskrankheiten besser abwehren kann. Bleibt er über Ruhezeiten hinweg bestehen, kann es zu einem Ungleichgewicht im Körper kommen. Das macht uns wiederum anfälliger für Infektionen. Es ist wie bei einer Waage: Auf der einen Seite steht der Stress, auf die andere legt der Körper das Adrenalin, um die Waage auszubalancieren. Wenn jetzt plötzlich der Stress wegfällt, zum Beispiel nach der Klausurenphase, gerät die Waage ins Ungleichgewicht. In diesem Fall hilft das überschüssige Adrenalin dem Immunsystem nicht, sondern bringt es durcheinander.
Müdigkeit oder Rückenschmerzen in der Erholungsphase haben eine andere Ursache als Infektionskrankheiten. Das Gehirn hat eine begrenzte Verarbeitungskapazität. Daher müssen zum Beispiel manche Menschen beim Einparken die Musik leiser stellen, um besser sehen zu können. Das, was für zwei verschiedene Sinne gilt, gilt auch für innere und äußere Eindrücke. Beansprucht die Arbeit die ganze Aufmerksamkeit des Gehirns für sich, ist nichts mehr übrig für leichtere Schmerzen oder Müdigkeit. Erst, wenn die Klausur geschrieben ist, drängen sich die Leiden ins Bewusstsein.
Besonders anfällig für „Leisure Sickness“ sind Personen, die viel arbeiten und Pausen nur in größeren Abständen einlegen. Die Symptome fallen stärker aus, je größer und länger der Stress vor der Entspannungsphase war.
Sport ist ein gutes Mittel, um dem vorzubeugen. Er hilft, den Hormonhaushalt des Körpers zu normalisieren und schafft einen Ausgleich zum Alltag. Es bietet sich an, Sport direkt nach der Arbeit oder dem Lernen zu machen, weil das dabei produzierte Adrenalin dann schnell wieder abgebaut wird. Gegen allgemeine Müdigkeit helfen aber nur regelmäßige Pausen – auch in stressigen Phasen.
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Kranksein einfach vermeiden! Ja das geht!