Uni hybrid: „Das Beste aus beiden Welten“

Lernen an der Uni oder von zu Hause – beim Hybridmodell wird beides kombiniert. Nach den vergangenen Online-Semestern soll das Digitale auch weiterhin in den Lehralltag integriert werden. Bleibt das ein Kompromiss oder ist es ein Modell für die Zukunft?

Seit Beginn der Corona-Pandemie mussten sich Universitäten und Hochschulen in ganz Deutschland mit dem Konzept der digitalen Lehre auseinandersetzen. Auch für die aktuelle Prüfungsphase gelten die Regeln der Corona-Schutzverordnung:  Prüfungen können mindestens bis 31. März in Präsenz oder online durchgeführt werden. Diese Kombination ist inzwischen als Hybridmodell im Wortschatz vieler Student*innen und Professor*innen verankert.

Lernort wechsle dich

Besonders in den vergangenen Semestern haben viele Student*innen an den verschiedensten Orten gelernt. Auch wenn die Kamera in den meisten Vorlesungen ausbleiben durfte: Den ein oder anderen kurzen Einblick in die Umgebung der Mitstudent*innen gab es dann doch. Live aus dem Bett, dem Garten oder vom Frühstückstisch – solange die Internetverbindung stabil blieb, konnte gestreamt werden. Bleibt das Hybridmodell auch nach der Pandemie, könnten die Vorlesungen bald wohl auch aus dem Café um die Ecke oder dem Urlaub verfolgt werden.

Joachim Wirth ist Professor für Lehr-Lernforschung an der Ruhr-Universität Bochum. Er erklärt, warum Menschen an neuen Orten sogar besser auswendig lernen können: „Wenn es zum Beispiel darum geht, Vokabeln zu lernen, ist das wie ohne Sinn und Verstand zu lernen. Da müssen wir erst einmal stumpf auswendig lernen. Wir verbinden das Wort in der Fremdsprache mit dem Wort in der Muttersprache. Dabei kann es hilfreich sein, Wörter an neue Orte zu koppeln.“ Wirth nennt das assoziatives Lernen. „Wir haben die Augen und die Ohren nicht zu, wenn wir lernen. Wir sehen etwas, wir hören, riechen und schmecken. Diese Eindrücke werden mit den neu gelernten Wörtern verknüpft und können dann später als Abrufanker dienen.“

Für Prüfungen sei es daher zum Beispiel sinnvoll, an dem Ort zu lernen, an dem die Prüfung hinterher geschrieben wird. Für Präsenz-Klausuren biete sich somit der Hörsaal an. Für die Online-Klausur der Platz, an dem man sich zu Hause am besten konzentrieren kann. Wichtig sei es, dass sich dieser Ort auch wirklich zum Lernen eigne: „Sprich, dass er ablenkungsfrei ist, damit man sich eben auf den Lehrinhalt konzentrieren kann. Und dann ist es vom Grundsatz her erst einmal egal, ob wir mal hier und mal dort sind oder immer am gleichen Ort“, so Wirth.

Hybride Labore

Durch hybride Laborkonzepte sollen Student*innen bald auch von zu Hause aus Praxiserfahrungen sammeln können. Foto: Pixabay.com

Für Vorlesungen, Seminare und Gruppenarbeiten gibt es inzwischen verschiedene Online-Plattformen. Dennoch lassen sich noch nicht alle Studieninhalte in digitale Formate übertragen. Gerade die Praxis kommt oft zu kurz. Für Student*innen aus den Ingenieur- und Naturwissenschaften ist die Arbeit im Labor zum Beispiel essenziell. So lernen sie etwa, Geräte zu bedienen, die in Industrie und Forschung eingesetzt werden.

Bisher gibt es noch kein einheitliches Konzept, um die Arbeit im Labor digital zu ersetzen. Das Verbundprojekt „CrossLab“ soll dabei Abhilfe schaffen. Der Name leitet sich von dem Sammelbegriff Cross-Reality-Labore ab und beschreibt Konzepte, die sowohl digital als auch analog oder in der virtuellen Welt durchgeführt werden. Ziel des Projekts ist es, dass Student*innen hybrid experimentieren können. Dabei helfen zum einen virtuelle Labore. Also ein simulierter Arbeitsplatz, den Student*innen vom Computer aus bedienen können. Zum anderen können auch Geräte in einem realen Labor von zu Hause aus über das Internet gesteuert werden. Dieses Konzept bezeichnet man als Remote-Labor. Remote stammt hierbei aus dem Englischen und bedeutet „Fern“ oder auch „entfernt“.

Mit den Cross-Reality-Laboren sollen Student*innen künftig zeit- und ortsunabhängig experimentieren können. Da die Zeit für die Versuche in Präsenz oft begrenzt ist, bringt ein CrossLab viele Vorteile. So können zum Beispiel Versuche wiederholt und Student*innen individuell gefördert werden.

Aktuell werden verschiedene Formen von digitalen Laboren schon an Universitäten angewandt. Dafür filmen Laborassistent*innen die Experimente ab, senden Livestreams aus dem Labor und vereinzelt können Student*innen auch schon mit Remote-Laboren und virtuelle Simulationen arbeiten. Schon vor Corona sei bereits viel an diesen Formaten gearbeitet worden. Durch die Pandemie habe es aber eine Art Aufschwung in der Entwicklung gegeben, ergänzt CrossLab-Projektkoordinator Claudius Terkowsky.

Ab dem Sommer 2022 wird das Projekt den Aufbau von bis zu zehn weiteren digitalen Laboren an der TU Dortmund unterstützen. Wer genau den Zuschuss erhält, wird aktuell in einem Wettbewerb entschieden.

Hybride Zukunft an der TU-Dortmund

„Die TU-Dortmund versteht sich als Präsenzuni. Als ein Ort, an dem wir uns direkt begegnen, und das ist gut so. Sie möchte aber darüber hinaus auch die digitalen Angebote für die Lehre nutzen, da wo es sinnvoll ist“, sagt Projektkoordinator Terkowsky.  „Ich glaube, dass sich das auch die Student*innen wünschen. Verschiedene Erhebungen zeigen, dass man gute digitalisierte Konzepte beibehalten sollte. Und unserer Meinung nach zählen da auch die Labore dazu.“

Auf Dauer werden digitale Laborkonzepte die Präsenzlehre wohl nicht vollständig ablösen – was auch gar nicht das Ziel von digitalen Laboren ist, sagt Tobias Ortelt. Er koordiniert die digitale Lehre an der TU-Dortmund: „Es wird sicherlich Personen geben, die später an der Maschine selbst stehen und diese bedienen. Aber es wird auch Leute geben, die eine Maschine gebaut haben, die jetzt zum Beispiel in Indien eingesetzt wird. Diese Maschine muss dann über große Distanz bedient oder gewartet werden.“ Aus diesem Grund reiche weder die rein digitale Lehre noch die rein analoge Lehre aus. Man müsse Student*innen auf beide Szenarien vorbereiten.

„Beides miteinander zu verbinden, sollte immer das Ziel sein. Wir können die Vorteile von direkten Begegnungen zwischen Menschen und zwischen Mensch und Technik nutzen und haben darüber hinaus die Möglichkeiten der Interface-Begegnungen“, so Terkowsky.

Beitragsbilde: Pixabay.com

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