Pflanzenschutz: Abwägen zwischen Umweltschutz und Effizienz?

Obst und Gemüse sollen künftig ökologischer angebaut werden. Die EU verbietet immer mehr Stoffe, die als Pestizide bekannt sind. Ökologischer Pflanzenschutz ist umweltfreundlicher, aber für Landwirt*innen oft eine Herausforderung.

Bakterien und Pilze können dabei helfen, dass die Landwirtschaft ökologischer wird. Im Pflanzenanbau können solche Nützlinge als natürliche Gegenspieler dazu beitragen, tierische Schädlinge von Ernteflächen zu beseitigen – und das so umweltschonend wie möglich.

Bis 2030 sollen 30 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland ökologisch bewirtschaftet werden. 2020 lag dieser Wert laut Statistischem Bundesamt bei 9,6 Prozent. Besonders der Pflanzenschutz soll ökologischer werden. Die Liste der zugelassenen chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel innerhalb der EU wird kürzer. Viele deutsche Landwirt*innen sehen den Umstieg auf ökologischen Pflanzenschutz jedoch immer noch als ein Risiko, zu groß scheint die finanzielle Ungewissheit.

Höhere Risiken im Ökolandbau

Landwirt Dirk Liedmann betreibt seinen Hof in Witten seit 1987 nach den Vorschriften des Bioland-Verbandes. Neben dem Pflanzenschutz umfassen diese Richtlinien auch den Einsatz von Gentechnik und Düngemittel und gehen über die gesetzlichen Maßstäbe für deutsche Bioprodukte hinaus. Inzwischen bewirtschaftet Liedmann rund 100 Hektar im Ruhrgebiet. Überwiegend baut er Kartoffeln und Getreide an. Dabei verzichtet der Landwirt auf Kunstdünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. Stattdessen versucht er, auf präventive Maßnahmen zurückzugreifen. Weil Liedmann keine chemisch-synthetischen Mittel einsetzt, könne er beispielsweise Unkraut nur maschinell mit Scharhaken und Striegel entwurzeln und verschütten. Dadurch sei der Arbeitsaufwand deutlich höher. „So ein chemischer Baukasten ist eine ziemliche Versicherung. Man kann fast jedes Problem, das man im Ackerbaut hat, damit reparieren“, sagt Liedmann. „Wenn ich einen Fehler mache, sei es in der Saattechnik oder in der Fruchtfolgeplanung, kann ich das nicht so einfach reparieren und muss das praktisch der Natur überlassen.”

Neben Getreide und Kartoffeln baut Landwirt Dirk Liedmann beispielsweise auch Grünkohl an. Foto: Nina Feldmann

Um seine Felder vor Krankheiten und Schadinsekten zu schützen, bepflanzt Liedmann seine Flächen im Sechs-Jahres-Zyklus. So sorge er dafür, dass sich keine artverwandten Krankheiten übertragen. Im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft sei das Risiko, dass die Ernte weniger Ertrag bringe als geplant, aber deutlich höher. Pro Ernte habe er deshalb im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft rund ein Drittel weniger Ertrag. Trotzdem entschied sich Liedmann von Beginn für die ökologische Landwirtschaft. Der Anspruch seines Betriebes sei, den Landbau auch für künftige Generationen zu erhalten.

Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine ist die Nachfrage nach Bio-Produkten laut Liedmann stark gesunken. Aufgrund der gestiegenen Preise versuchen Verbraucher*innen, im Supermarkt zu sparen – besonders bei Bio-Ware. Nach Angaben des Bundesverbands für Naturkostwaren waren die Tagesumsätze von Bio-Produkten im März 2022 18 Prozent niedriger als im Vorjahr.

Starker Wandel im Pflanzenschutz innerhalb der EU

Klaus Schlüter bestätigt, dass biologischer Pflanzenschutz weniger Ernteertrag bringen kann. Er ist ehemaliger Professor für Phytomedizin und Biotanik an der Fachhochschule Kiel und hat bis zum Frühjahr 2022 über ökologischen Pflanzenschutz gelehrt. „Im Bereich der biologischen Pflanzenschutzmethoden werden wir nie die Wirksamkeit und die Sicherheit erreichen, die wir bisher mit herkömmlichen Pflanzenschutzverfahren erreicht haben“, erklärt er. In den kommenden Jahren werden die Restriktionen der Europäischen Kommission bei chemisch-synthetischen Mitteln den Pflanzenschutz in der europäischen Landwirtschaft stark verändern, so prophezeit es Schlüter. Auch wenn die Forschung im Bereich des biologischen Pflanzenschutzes schrittweise vorangehe, gebe es derzeit wenige ökologische Pflanzenschutzverfahren, die für die Landwirtschaft geeignet sind. Sie seien nämlich oft nicht so wirksam wie chemisch-synthetische Wirkstoffe. Weil für diese Mittel aber immer mehr Zulassungen wegfallen, könne es in den kommenden Jahren zu großen Ernteausfällen kommen.

Laut Schlüter ist es daher wichtig, in die Entwicklung umweltschonender chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmethoden für den europäischen Raum zu investieren. Um die Landwirtschaft so effizient und umweltschonend wie möglich zu gestalten, müsse man langfristig ökologischen Pflanzenschutz mit sehr wenigen, chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmethoden vereinen. Außerdem müssten Landwirt*innen umdenken: Mit präventiven Maßnahmen wie Aussaatterminen, Sortenwahl und Fruchtfolge könnten sie vielen Ernteverlusten vorbeugen. Insgesamt komme es auf das Zusammenspiel an. Klaus Schlüter ist der Meinung: „Es wäre zu einfach, zu sagen: Bio ist gut, der Rest ist böse.“

 

Beitragsbild: Nina Feldmann

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