Gender-Gap statt Gleichberechtigung: Warum Frauen weniger Unternehmen gründen

Der Gender-Gap zwischen Gründerinnen und Gründern bleibt bestehen – trotz positivem Trend. Warum es notwendig ist, weibliche Vorbilder sichtbarer zu machen. Und wieso es einfacher werden muss, Unternehmertum und Familie zu vereinbaren.

„Es ist wichtig, dass wir Frauen Vorbilder präsentieren – vor allem in jungen Jahren“, erklärt Ulrike Weber. „Auch Mädchen und Frauen sollten Unternehmensgründungen als berufliche Option in Betracht ziehen.“ Ulrike Weber ist Leiterin der Initiative „FRAUEN unternehmen“. Mit ihrem Team organisiert sie Veranstaltung von und für Frauen, damit sich angehende Gründerinnen auf Augenhöhe mit erfolgreichen Unternehmerinnen austauschen können. Frauen sollen so die Möglichkeit bekommen, Vorbilder zu finden und ein breites Netzwerk aufzubauen.

Initiative FRAUEN unternehmen
Die Initiative „FRAUEN unternehmen“ wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gegründet, um Frauen zur Selbstständigkeit zu ermutigen und Mädchen für das Berufsbild „Unternehmerin“ zu sensibilisieren. Die Initiative bietet verschiedene Veranstaltungen für Frauen an, die an Gründung oder Unternehmensnachfolge interessiert sind. Ein wichtiger Bestandteil sind die Vorbild-Unternehmerinnen, die ihre Erfahrungen teilen und über die Chancen und Herausforderungen der Selbstständigkeit sprechen – häufig in Bildungseinrichtungen wie Schulen, Hochschulen oder Universitäten. Die Initiative möchte dadurch die Vielfalt des Unternehmertums sichtbar machen und den Austausch zwischen erfahrenen Unternehmerinnen und angehenden Gründerinnen fördern.

Dass Vorbilder eine entscheidende Rolle spielen, zeigt der Gründungsmonitor. Die Studie hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau 2023 durchgeführt. Sie belegt, dass die Gründungsbereitschaft steigt, wenn erfolgreiche Unternehmer*innen sichtbarer sind: Im Schnitt ist sie bei Frauen und Männern mit Vorbildern fast doppelt so hoch als bei Personen ohne solche Leitfiguren. Der „Entrepreneurial Role Model-Effect“ zeigt, dass der Effekt bei Frauen deutlich stärker ist, da sie sich häufiger mit Vorbildern identifizieren. Deshalb spielt auch das soziale Umfeld eine Rolle: Frauen mit selbstständig tätigen Personen in ihrem Familien- oder Bekanntenkreis gründen häufiger.

Gründerinnen zwischen Sicherheit und Wachstum

Alena Wiegel begleitet das Female Founders Programm. Foto: Cynthia Ruf 

Neben fehlenden Vorbildern gibt es weitere Gründe, die Frauen von einer Unternehmensgründung abhalten. „Eine Gründung ist immer ein Risiko und Frauen haben häufig die Tendenz, eher nach Sicherheit zu streben“, erklärt Alena Wiegel. Sie ist Mitarbeiterin des Centrums für Entrepreneurship & Transfer, einem Projekt der TU Dortmund, das Gründungsinteressierte unterstützt. Diese unterschiedliche Risikobereitschaft spiegelt sich auch in den Zahlen des Female Founders Monitors wider, einer 2022 veröffentlichten Studie des Start-up Verbands. Frauen setzten häufiger auf nachhaltiges Wachstum anstatt auf schnellen Erfolg. Sie gründen oft strukturierter, aber auch vorsichtiger. „Das birgt die Gefahr, dass Ideen lange liegenbleiben“, ergänzt Alena Wiegel. Zudem hat sie den Eindruck, dass Frauen unternehmerisch kleiner denken. Auch das belegt der Female Founders Monitor: Im Schnitt haben Gründerinnen ein deutlich kleineres Team als ihre männlichen Kollegen.

Centrum für Entrepreneurship und Transfer (CET)
Das Centrum für Entrepreneurship und Transfer (CET) der TU Dortmund ist 2017 gegründet worden, um den Austausch zwischen Universität, Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern. Ziel des CET ist es, die Gründungskultur auf dem Campus und in der Region zu stärken. Dafür will es Wissenschaft mit Praxis verbinden: Laut der Website des CET werden unternehmerische Kompetenzen vermittelt und Studierende sowie Alumni begleitet, um Geschäftsideen zu entwickeln und zu evaluieren. Neben Workshops und Lehrveranstaltungen zu Themen wie Entrepreneurship, Technologie und Innovation bietet das CET auch Beratungs- und Vernetzungsmöglichkeiten.

Familienplanung im Gründungsprozess

Ronja Weidemann (29) ist angehende Gründerin von PhosFad. Foto: Richard Alfsmann

Eine weitere große Hürde für Frauen im Gründungsprozess ist die Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum. 81 Prozent der Gründerinnen finden es notwendig, diesen Bereich zu verbessern, um mehr Frauen zur Unternehmensgründung zu motivieren.

Die Zahlen zeigen: Gründerinnen mit Kindern reduzieren ihre Arbeitszeit im Durchschnitt um fast sechs Stunden pro Woche, während Männer mit Nachwuchs kaum kürzertreten. Dies kann langfristig die Wachstumschancen weiblicher Start-ups einschränken und erschwert es Frauen, mit männlichen Gründern zu konkurrieren.

„Das Thema Kinder ist bei Gründerinnen viel präsenter als bei Gründern“, erzählt Ronja Weidemann von ihren Erfahrungen. Sie steckt gerade mitten im Gründungsprozess. Mit ihrem Unternehmen „PhosFad“ möchte sie Phosphat aus Abwasser recyclen. Die Idee entwickelte Ronja Weidemann während ihres Studiums. „Wenn ich mit Gründerinnen spreche, kommt das Thema Familienplanung schonmal auf – aber mit einem Mann habe ich noch nie darüber gesprochen“, sagt sie.

Katharina Schmidt (28) ist Geschäftsführerin von Sperling. Foto: Donna und der Blitz GmbH

Frauen in Führung

Aber: Immer mehr Frauen wagen es doch. Laut Gründungsmonitor erreichte der Gründerinnenanteil 2023 mit 44 Prozent seinen bisher höchsten Wert. Das liegt leicht über der langfristigen Entwicklung von durchschnittlich 39 Prozent. Die Zahlen berücksichtigen dabei alle Arten der Unternehmensgründungen. Der Female Founders Monitor fokussiert sich hingegen speziell auf Start-ups – also Unternehmen mit innovativen Geschäftsideen, die besonders schnell wachsen. Zwar lässt sich auch hier ein positiver Trend verzeichnen, der Anteil weiblicher Gründerinnen liegt mit 20 Prozent jedoch deutlich unter dem Anteil, der alle Gründungsformen berücksichtigt.

Katharina Schmidt gehört zu den Frauen, die diesen Schritt bereits erfolgreich gegangen sind. Mit ihrem Freund gründete sie 2019 das Start-up „Sperling“, das nachhaltige Rucksäcke aus recycelten und natürlichen Materialen produziert. „Es wird Zeit, dass auch im Unternehmertum echte Gleichberechtigung herrscht“, fordert die Unternehmerin.  Sie sieht gesellschaftliche Rollenbilder und fehlendes Selbstvertrauen als zentrale Hindernisse für Frauen, Unternehmerinnen zu werden. Deshalb wünscht sich Katharina Schmidt mehr „große, starke Frauen“, die erfolgreiche Unternehmen gründen und damit zu Vorbildern werden – vor allem für kommende Generationen.

Eine Anlaufstelle für gründungsinteressierte Studentinnen der TU Dortmund

Alena Wiegel ist Mitarbeiterin des Centrums für Entrepreneurship & Transfer (CET). Sie ist Teil des Projektteams des Female Founders Programms, einem Projekt der TU Dortmund, das gründungsinteressierte Studentinnen in ihrem Vorhaben unterstützt.

Wer kann am Programm teilnehmen?

Das Programm ist sowohl für Bachelor- als auch Masterstudierende. Aber auch Alumni, die bereits ihr Studium abgeschlossen haben, können gerne teilnehmen. Dadurch kamen sehr unterschiedliche Gründungsvorhaben zusammen: Es gab Ideen für nachhaltige Kosmetikverpackungen, eine Community für Buchliebhaberinnen oder eine Reiseplattform.

Wie läuft das Programm ab?

Nach der Bewerbungsphase gibt es eine Auftaktveranstaltung, bei der die Teilnehmerinnen ihre Ansprechpartnerinnen kennenlernen. Anschließend können die Teilnehmerinnen mitentscheiden, welche Mentorin am besten zu ihnen passt. Danach starten die Coaching-Sitzungen und Workshops. Ein zentraler Punkt im Prozess ist vor allem die Marktvalidierung. Wir ermutigen die Teilnehmerinnen dazu, mit potenziellen Kund*innen zu sprechen und Wettbewerbsanalysen durchzuführen.

Was passiert nach dem Programm?

Wir bleiben als Ansprechpersonen erhalten, wenn die angehenden Gründerinnen das wollen. Die Teilnehmerinnen können auch an anderen Programmen des CET teilnehmen und ihre Unternehmensgründung weiter ausarbeiten. Außerdem bleiben viele der Studentinnen mit ihren Mentorinnen in Kontakt. Durch das Programm haben die Teilnehmerinnen ein Netzwerk aufgebaut, dass sie langfristig bei ihrer Unternehmensgründung unterstützt und das sie nutzen können.

Wieso hat das CET dieses Programm in Leben gerufen?

Noch immer gründen mehr Männer als Frauen Unternehmen. Das sehen wir zum einen an den Zahlen des Female Founders Monitors, aber wir haben auch in unserem Arbeitsalltag am CET gemerkt, dass deutlich mehr Studenten für Gründungsberatungen als Studentinnen zu uns kommen. Deshalb war es uns wichtig, ein Programm nur für Studentinnen anzubieten. Wir wollen mehr Frauen – vor allem jungen Frauen – Mut machen und sie in diesem Prozess unterstützen. Es ist wichtig, dass auch Frauen Unternehmensgründungen in Betracht ziehen.

 

 

Beitragsbild: Adobe Stock, Jannissimo, KI-generiert, keine echte Abbildung

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