Der Gender-Gap zwischen Gründerinnen und Gründern bleibt bestehen – trotz positivem Trend. Warum es notwendig ist, weibliche Vorbilder sichtbarer zu machen. Und wieso es einfacher werden muss, Unternehmertum und Familie zu vereinbaren.
„Es ist wichtig, dass wir Frauen Vorbilder präsentieren – vor allem in jungen Jahren“, erklärt Ulrike Weber. „Auch Mädchen und Frauen sollten Unternehmensgründungen als berufliche Option in Betracht ziehen.“ Ulrike Weber ist Leiterin der Initiative „FRAUEN unternehmen“. Mit ihrem Team organisiert sie Veranstaltung von und für Frauen, damit sich angehende Gründerinnen auf Augenhöhe mit erfolgreichen Unternehmerinnen austauschen können. Frauen sollen so die Möglichkeit bekommen, Vorbilder zu finden und ein breites Netzwerk aufzubauen.
Dass Vorbilder eine entscheidende Rolle spielen, zeigt der Gründungsmonitor. Die Studie hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau 2023 durchgeführt. Sie belegt, dass die Gründungsbereitschaft steigt, wenn erfolgreiche Unternehmer*innen sichtbarer sind: Im Schnitt ist sie bei Frauen und Männern mit Vorbildern fast doppelt so hoch als bei Personen ohne solche Leitfiguren. Der „Entrepreneurial Role Model-Effect“ zeigt, dass der Effekt bei Frauen deutlich stärker ist, da sie sich häufiger mit Vorbildern identifizieren. Deshalb spielt auch das soziale Umfeld eine Rolle: Frauen mit selbstständig tätigen Personen in ihrem Familien- oder Bekanntenkreis gründen häufiger.
Gründerinnen zwischen Sicherheit und Wachstum

Neben fehlenden Vorbildern gibt es weitere Gründe, die Frauen von einer Unternehmensgründung abhalten. „Eine Gründung ist immer ein Risiko und Frauen haben häufig die Tendenz, eher nach Sicherheit zu streben“, erklärt Alena Wiegel. Sie ist Mitarbeiterin des Centrums für Entrepreneurship & Transfer, einem Projekt der TU Dortmund, das Gründungsinteressierte unterstützt. Diese unterschiedliche Risikobereitschaft spiegelt sich auch in den Zahlen des Female Founders Monitors wider, einer 2022 veröffentlichten Studie des Start-up Verbands. Frauen setzten häufiger auf nachhaltiges Wachstum anstatt auf schnellen Erfolg. Sie gründen oft strukturierter, aber auch vorsichtiger. „Das birgt die Gefahr, dass Ideen lange liegenbleiben“, ergänzt Alena Wiegel. Zudem hat sie den Eindruck, dass Frauen unternehmerisch kleiner denken. Auch das belegt der Female Founders Monitor: Im Schnitt haben Gründerinnen ein deutlich kleineres Team als ihre männlichen Kollegen.
Familienplanung im Gründungsprozess

Eine weitere große Hürde für Frauen im Gründungsprozess ist die Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum. 81 Prozent der Gründerinnen finden es notwendig, diesen Bereich zu verbessern, um mehr Frauen zur Unternehmensgründung zu motivieren.
Die Zahlen zeigen: Gründerinnen mit Kindern reduzieren ihre Arbeitszeit im Durchschnitt um fast sechs Stunden pro Woche, während Männer mit Nachwuchs kaum kürzertreten. Dies kann langfristig die Wachstumschancen weiblicher Start-ups einschränken und erschwert es Frauen, mit männlichen Gründern zu konkurrieren.
„Das Thema Kinder ist bei Gründerinnen viel präsenter als bei Gründern“, erzählt Ronja Weidemann von ihren Erfahrungen. Sie steckt gerade mitten im Gründungsprozess. Mit ihrem Unternehmen „PhosFad“ möchte sie Phosphat aus Abwasser recyclen. Die Idee entwickelte Ronja Weidemann während ihres Studiums. „Wenn ich mit Gründerinnen spreche, kommt das Thema Familienplanung schonmal auf – aber mit einem Mann habe ich noch nie darüber gesprochen“, sagt sie.

Frauen in Führung
Aber: Immer mehr Frauen wagen es doch. Laut Gründungsmonitor erreichte der Gründerinnenanteil 2023 mit 44 Prozent seinen bisher höchsten Wert. Das liegt leicht über der langfristigen Entwicklung von durchschnittlich 39 Prozent. Die Zahlen berücksichtigen dabei alle Arten der Unternehmensgründungen. Der Female Founders Monitor fokussiert sich hingegen speziell auf Start-ups – also Unternehmen mit innovativen Geschäftsideen, die besonders schnell wachsen. Zwar lässt sich auch hier ein positiver Trend verzeichnen, der Anteil weiblicher Gründerinnen liegt mit 20 Prozent jedoch deutlich unter dem Anteil, der alle Gründungsformen berücksichtigt.
Katharina Schmidt gehört zu den Frauen, die diesen Schritt bereits erfolgreich gegangen sind. Mit ihrem Freund gründete sie 2019 das Start-up „Sperling“, das nachhaltige Rucksäcke aus recycelten und natürlichen Materialen produziert. „Es wird Zeit, dass auch im Unternehmertum echte Gleichberechtigung herrscht“, fordert die Unternehmerin. Sie sieht gesellschaftliche Rollenbilder und fehlendes Selbstvertrauen als zentrale Hindernisse für Frauen, Unternehmerinnen zu werden. Deshalb wünscht sich Katharina Schmidt mehr „große, starke Frauen“, die erfolgreiche Unternehmen gründen und damit zu Vorbildern werden – vor allem für kommende Generationen.
Beitragsbild: Adobe Stock, Jannissimo, KI-generiert, keine echte Abbildung