Jusos und Junge Union: Sollten Rüstungsexporte stoppen?

In Berlin streitet die Groko um Entscheidungen, die bestimmen, wie wir in Zukunft leben werden. Was sagen die jungen Mitglieder der Parteien zu den Streitthemen? KURT hat zwei junge Dortmunder Politikerinnen an einen Tisch voller Themen gesetzt.

2018 hat die Bundesregierung Rüstungsexporte im Wert von 4,8 Milliarden Euro genehmigt. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD sich zunächst darauf geeinigt, die Richtlinien zum Rüstungsexport zu verschärfen: Es sollte keine Waffenlieferungen an Länder geben, die unmittelbar am Jemenkrieg beteiligt sind.

Saudi-Arabien ist an diesem Krieg beteiligt, der zahlreiche Zivilisten tötete und eine Hungersnot auslöste. Dennoch gingen nach der Vereinbarung, weiterhin Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien. Bis zur Ermordung des Journalisten Jamal Kashoggi in der Istanbuler Botschaft – seitdem liegen die Exporte als Sanktion dafür auf Eis. Erstmal war das Embargo bis Anfang März beschränkt.

Lange war keine Einigung zwischen SPD und Union in Sicht. Nun hat sich die SPD vorläufig durchgesetzt:  Mindestens bis zum 30. September will die Bundesregierung keine Waffen nach Saudi-Arabien liefern.

Welche Rolle spielen europäische Nachbarländer?
Deutsche Firmen stellen Einzelteile für Waffen wie Schrauben oder Funkgeräte her, die in Frankreich oder Großbritannien weiter verbaut und von dort nach Saudi-Arabien gehen. Diese Länder liefern trotz der kritischen Menschenrechtslage weiter dorthin und rechtfertigen das, indem sie sagen, es sei eine Möglichkeit, außenpolitisch Einfluss zu nehmen. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz im vergangenen Februar sagte Angela Merkel, Europa müsse einen gemeinsamen Weg bei der Sicherheits- und Verteidigungspolitik gehen. Sprich: Sie möchte gemeinsame Rüstungsexporte mit den europäischen Nachbarländern wieder ermöglichen.
Wie groß ist die deutsche Rüstungsindustrie?
Laut Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie für das Jahr 2014:

  • 136 000 Beschäftigte in der Rüstungsindustrie
  • Bruttowertschöpfung von 12,2 Milliarden Euro im Jahr 

Das Gespräch mit Indra und Sarah hat im Februar stattgefunden. Aber das Thema ist noch immer kontrovers – und eine endgültige Entscheidung nur aufgeschoben.

Findet ihr, dass es restriktivere Regeln zum Export von Waffen und anderen Rüstungsgütern geben sollte?

Sarah: Ich frag mich gerade so ein bisschen, wo da der Dissens zwischen den Parteien ist. Weil ich meine, Sigmar Gabriel hat auch kurz vor der Freilassung von Deniz Yücel die Rüstungsexporte an die Türkei freigegeben. Ich meine: Bei uns in der Partei gibt es Waffenlobbyisten, bei euch in der Partei auch.

Indra: Und die sind sich häufig sehr einig. Da kann man persönlich anderer Meinung sein. Die Jusos kritisieren das extrem. Insbesondere den Export von Kleinwaffen, weil die meisten Menschen tatsächlich durch das klassische Gewehr ums Leben kommen. Es ist gehopst wie gesprungen: Es ist immer eine super schwierige Geschichte mit den Rüstungsexporten.

Sarah: Ich finde, es gibt sehr große Unterschiede, ob ich nach Saudi-Arabien oder nach Norwegen liefere. Die Rechtslage ist immer unterschiedlich – wenn es überhaupt ein Rechtsstaat ist. Da gibt es ja auch Bewertungen der zuständigen Ministerien, ob das in dem Land zulässig ist. Ich bin nicht komplett dagegen, also weder auf der einen Seite, noch auf der anderen. Aber alles irgendwie mit Maß und Mitte.

Sarah Beckhoff

  • Kreisvorsitzende der Jungen Union Dortmund
  • 24 Jahre alt
  • studiert VWL
  • Seit 10 Jahren bei der JU
Indra Paas

  • Kreisvorsitzende der Jusos Dortmund
  • 26 Jahre alt
  • Sozialarbeiterin
  • Seit 10 Jahren bei den Jusos

Aber auch wenn Waffen in europäische Nachbarländer geliefert werden, können sie von dort wieder in Krisengebiete gelangen.

Sarah: Klar wiegt das Argument, dass Waffen in Krisengebieten auch immer irgendwie der anderen Seite in die Hand fallen können. Aber eine Welt ohne Waffen oder eine Welt, in der es keinen Krieg geben würde, halte ich doch für sehr utopisch.

Du hast eben angesprochen, es mache einen Unterschied nach Saudi-Arabien oder Norwegen zu liefern. Nach der Kashoggi-Ermordung sind die Exporte nach Saudi-Arabien erstmal bis März aufs Eis gelegt worden, aber wie soll es dann weiter gehen? 

Indra: Es geht ja immer um verantwortungsvollen Umgang damit. Ich würde mir wünschen, dass solche Hinterzimmer-Deals nicht gemacht werden. Wenn man schon an irgendein Land liefert, sollte auch klar gesagt werden: Wir tun das, um bestimmte Gruppen zu unterstützen oder eben, um die andere Gruppe zu schwächen. Ich hab das Gefühl, dass das Thema Rüstungsexporte immer mit so einem ganz dichten Schleier von Nicht-Information überhangen sind, der es dem durchschnittlichen Menschen und auch uns völlig unmöglich macht, zu beurteilen, was da passiert. Da kann man sagen: Das finde ich scheiße, das finde ich weniger scheiße, aber alle Informationen hat man in der Regel nicht.

Sarah, wie beurteilst du die Exporte nach Saudi-Arabien?

Sarah: Das mit dem Exportstopp zeigt ja, dass schon differenziert wird. Es ist ein diplomatischer Hebel, den man auch benutzen sollte. Mir geht es jetzt gar nicht um die Frage, ob die Waffen bekommen sollten oder nicht. Man kann es als Sanktion einsetzen für das, was in der Botschaft in Istanbul passiert ist. Finde ich richtig. Natürlich bleibt die Frage, wann man wieder Waffen liefert und unter welchen Bedingungen. Aber wenn Saudi-Arabien Auflagen erfüllen muss, ist das sicherlich ein guter Hebel, den man da in der Hand hat.

Indra: Zum Beispiel, wenn in dem Land keine Diplomaten mehr umgelegt werden, wäre das ein guter erster Schritt.

Sarah: Ich bin jedenfalls nicht komplett abgeneigt, auch Waffen in Regionen zu liefern, die jetzt vielleicht nicht so demokratisch sind wie wir. Ich glaube, dann könnten wir gar keine Waffen exportieren. Die deutsche Rüstungsindustrie könnte sonst auch dicht machen, das muss man – finde ich – auch mal sehen. Wir beziehen ja auch eigene Waffen für die Bundeswehr und die Industrie muss man vital halten, sonst stirbt die Branche.

Beitragsbilder: Pia Stenner

Video: Pia Stenner und Madlen Gerick

Das war der vierte Teil unserer fünfteiligen GroKo-Serie. Am nächsten Samstag werden wir an dieser Stelle ein letztes Mal ein weiteres Streitthema der Regierungsparteien thematisieren. Das war bereits dran: 

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